Herzfeld - Familienchronik
Ludwig
Herzfeld und seine Familie
im Spiegel der Nachkommen
Briefe, Tagebücher, Memoiren, zeitgenössische
Berichte und ähnliche Dokumente, gesammelt von
Wolfgang Herzfeld
Vorwort
Aus welchem Grund, so frage ich mich, befasse ich mich mit
Familiengeschichte, insbesondere mit den jüdischen Vorfahren? Sicher hat es
etwas mit dem Problem der Ich-Identität zu tun, so um die vierzig, sehe ich
mich in einer Kontinuität stehen, die mich in Beziehung setzt zu den Männern und
Frauen ferner Zeiten und Lebensformen. Dazu kommt der Wunsch, dass der Aspekt
der jüdischen Herkunft nicht in Vergessenheit gerät. Denn ein besonderes
Gewicht erhält diese Tradition - auch wenn unsere Vorfahren sich bereits vor
150 Jahren taufen ließen - unter dem Hintergrund der Verbrechen an den Juden
durch das Nazideutschland. Es ist eine Form der Solidarisierung mit den Opfern,
das Streben, nicht das Geschäft der Henker, ein Volk in der Geschichte
auszulöschen, auch noch in der Historiographie zu besorgen, indem man diesen
Teil der Vergangenheit unserer Familie verdrängt.
Während meines Besuchs bei Verwandten wurde mir noch etwas
anderes deutlich. Für die Generation der Nachgeborenen, die von der
Rassenpolitik des III. Reichs nicht mehr direkt betroffen wurde, kann das
Befassen mit Geschichte leicht zur akademischer Spielerei werden. Doch hier
traf ich auf Menschen, die ihre Erfahrungen nicht aus irgendwelchen
Geschichtsbüchern gewonnen hatten, sondern mit der bitteren Realität
konfrontiert gewesen sind. Damit tritt ein weiteres Motiv hervor, das bei der
Beschäftigung mit Einzelheiten bald aus dem Blickfeld zu entschwinden droht:
die Frage nach den Ursachen des modernen Antisemitismus, die Frage nach dem,
was den Genozid an den Juden herbeiführte, auch das sollte in einer
Familiengeschichte mitbedacht werden. Noch ein Letztes - und das hat sicherlich
mit meinem Interesse an Theologie zu tun. Abgesehen davon, dass das Christentum
im Judentum gründet, schon das rechtfertigt die eingehende Beschäftigung mit Religion
und Geschichte dieses Volkes, können die Auswirkungen der Aufklärung auf die
jüdische Religiosität als paradigmatisch für das Verhältnis von Aufklärung und
Religion, oder anders ausgedrückt für das Verhältnis von Vernunft und Glaube,
im allgemeinen angesehen werden. In diesem Zusammenhang können am Beispiel
unserer Familie also auch die Aspekte untersucht werden, die zur Emanzipation
und Assimilation der Juden in Preußen führten.
Die oben geäußerten Beweggründe waren es, insbesondere der
Versuch unsere jüdischen Vorfahren zu "germanisieren", die mich
veranlassten, vor inzwischen gut drei Jahren auf deren Spurensuche zu gehen.
Dabei musste ich fast bei Null beginnen, denn die in der Familie überlieferten
mündlichen oder schriftlichen Informationen waren unvollständig und
widersprüchlich, anscheinend war bereits im 19. Jahrhundert dieser Teil der
Familiengeschichte - mehr oder minder bewusst - verdrängt worden.
Ausgehend von dem Fixpunkt, dass sich unser Stammvater
Ludwig (Levi) und sein Bruder Carl (Isaac) am 14. Februar 1838 in der
Jerusalemer Kirche zu Berlin hatten taufen lassen, fuhr ich nach Berlin, um im
Zentralarchiv der Kirche der Union die Taufbücher der Altberliner Gemeinden
durchzusehen. Hier gewann ich nicht nur neue Erkenntnisse über die Familie
Carls und seinen Halbbruder Albert, sondern ich stieß auch auf die Söhne eines
Mendel Herzfeld aus Guhrau. Bei diesem Mendel handelte es sich, wie später
weitgehend belegt werden konnte, um den Bruder unseres Jacob.
Auf den Spuren der Vorfahren von Mendels und wie es zunächst
auch schien Jacobs Schwiegermutter Recha, der Tochter eines Jacob Herzfeld aus
Berlin, begab ich mich im Frühjahr 1985 nach Wien. Schweren Herzens musste ich
einige Zeit später meine Forschungsergebnisse - es hatten sich sogar eine Reihe
von Privatbriefen aus dem Jahre 1618 angefunden - in der Schreibtischschublade
verschwinden lassen, als ich eine andere Linie Schlochow (Munk) in
Schlichtingsheim fand. Die räumliche Nähe zu Guhrau und der in unserer Familie
tradierte Name "Munk", gaben dabei für mich den Ausschlag.
Die meisten Erkenntnisse beruhen auf der Auswertung der
Mikrofilme des Reichsippenamtes - diese Behörde hatte weitgehend alle
Unterlagen (zurückreichend bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts) über jüdische
Familien in Deutschland mikroverfilmt -, die verstreut, wie ich nach mühseligen
Recherchen feststellen konnte, im Bundesarchiv Koblenz im Geheimen Preußischen
Staatsarchiv Berlin und im Landesarchiv Berlin lagern. Daher stammen also, wenn
auch nicht immer gekennzeichnet, die Aussagen über die Familie Plato in Glogau,
die Familie des Lewin Hertz Hertzfeld in Flatow und die Herzfelds in der
Provinz Posen. Aus diesen Quellen stammen auch die Angaben über die Familie
unseres Jacob während ihrer Berliner Zeit, die ich im GStA und über die Familie
Josephson, die ich im Landesarchiv fand. Als noch ergiebiger erwies sich im
letzteren Fall die Publikation der Historischen Kommission zu Berlin
"Jüdische Trauungen in Berlin 1759-1813", zu der Hans Herzfeld ein
Geleitwort verfasst hat.
Bedauerlich ist jedoch, dass die Materialbasis - gerade was
private Zeugnisse anbelangt - doch sehr dünn bleibt. Ich habe gewissermaßen aus
der Not eine Tugend gemacht und versucht ersatzweise das soziokulturelle Umfeld
darzustellen.
Bei aller Betonung der Individualität der Menschen bleibt
wohl unbestritten, dass ein wesentlicher Teil seiner Persönlichkeit und seines
Handelns durch die sozialen Beziehungen und die Verfasstheit einer Gesellschaft
- denken wir nur daran, wie etwa die gesetzlichen Bestimmungen das Leben eines
Juden in Preußen einengten und reglementierten - bestimmt wird. So können wir
viel über die Lebensumstände einer Person bei Heranziehung der soziokulturellen
Daten aussagen. Ist auch im Einzelfall nicht mehr festzustellen, wann Jacob
beschnitten wurde, so können wir Dank des feststehenden Rituals aber mit großer
Sicherheit sagen, wie sie sich vollzogen hat. Liegt auch kein schriftliches
oder mündlich überliefertes Zeugnis von Carl oder Ludwig vor, warum sie sich
taufen ließen, so gestattet uns jedoch die Analyse der damaligen
"Taufepedemie" zumindest einen Teil der Motive aufzuheIlen.
Dazu kommt, dass oft erst die Auseinandersetzung mit dem
genannten Umfeld die Forschungen auf den rechten Weg brachten, wie
beispielsweise die Auseinandersetzung mit der Judenpolitik Friedrich des Großen
oder die Klärung der Besitzverhältnisse der Städte Flatow und Dobryzin a.d.
Drewenz, die Aussage ermöglichten, dass das Wirkungsfeld von Jacobs Vater,
unseres Rabbiners, vermutlich in der letztgenannten Stadt und nicht in Gollub
lag.
Nachdem ich alle ohne unverhältnismäßig großen finanziellen
Aufwand - wie etwa eine Reise nach Guhrau oder in die Archive Warschaus, wobei
ein Erfolg zweifelhaft wäre - erreichbaren Unterlagen ausgewertet habe, möchte
ich den daran Interessierten die Zusammenfassung meiner Forschungen übergeben
Danken möchte ich an dieser Stelle all den Verwandten, die
ich, erst angeregt durch diese Arbeit, kennenlernen durfte, für ihre liebevolle
Gastfreundschaft und die zahlreichen Gespräche.
Gedankt sei aber auch all denen, die in dieser Zeit meine
familiengeschichtlichen Monologe ertrugen.
Norderstedt
im November 1987 Wolfgang D.
Herzfeld
Aus dem Vorwort zur zweiten Auflage
Umgestaltet habe ich zunächst die Kapitel Guhrau und Berlin,
was durch das Auffinden zahlreicher Briefe aus der Mitte des vergangenen
Jahrhunderts möglich und notwendig wurde.
Die Briefe der Jugendfreunde Ludwigs, die einen guten
Einblick in seine Glogauer und Saganer Jahre gewähren, habe ich dabei
unberücksichtigt gelassen, ihre Publikation ist einem späteren Zeitpunkt
vorbehalten. Auch die Überarbeitung des ersten Teils der Familiengeschichte
möchte ich später vornehmen, da immer neue Fakten das Forschungsbild ergänzen
und verändern.
Von Interesse dürfte in diesem Zusammenhang sein, dass, wie
sich inzwischen herausstellte, der Lemberger Oberrabbiner Naphtali Herz
(1658-1718) in 2. Ehe mit Sara Mirel, der Tochter des Oberrabbiners der
Dreiergemeinde Wandsbek, Altona, Hamburg Meschullam Salomon Mirel (gest. 1706),
er hatte 25 Kinder und erlebte noch 140 Nachkommen, verheiratet gewesen war.
Weiter ergab sich, dass sein Enkel, der Rawitscher
Oberrabbiner J. B. Herzfeld (1760-1846) in der Zeit von 1803-1815 das Rabbinat
von Königsberg in Preußen innehatte.
Was Flatow anbelangt, so lässt sich jetzt belegen, dass auch
die Familie Herzfeld von der geschilderten Brandkatastrophe, die Stadt
heimsuchte, betroffen war. Aus dem Vergleich der Hausbesitzerlisten wird weiter
deutlich, dass es sich bei dem seit 1772 in Flatow nachweisbaren Hertz Levin,
um den Großvater von Liebchen, der Mutter des Ludwig Herzfeld, handelt.
Anzumerken bliebe noch, dass in diesem Frühjahr das Grab von
Jacob Herzfeld auf dem jüdischen Friedhof an der Schönhauser Allee in Berlin
gefunden wurde.
Bedanken möchte ich mich besonders an dieser Stelle bei den
Verwandten in Hüllhorst für ihre freundliche Unterstützung, und daß sie mir die
Briefe zur Auswertung überließen.
Ahrensburg, den 3. Dezember 1989,
am 200. Geburtstag von Jacob Herzfeld
Vorwort zur dritten Auflage
Den ersten Teil der Familiengeschichte lege ich nun - wie
angekündigt - in seiner überarbeiteten und neugestalteten Fassung vor. Da die
Bezugsperson für unsere weitverzweigte Familie der Stammvater Ludwig Herzfeld
(1819-1911) ist, und sein Lebenslauf für alle, ob sie sich nun von Heinrich,
Albert, Alexander über Paul, Hans und Margarethe bis hin zu Wolfgang oder
Walther herleiten, von Interesse seien dürfte, habe ich mich entschlossen, eine
fragmentarische Biographie in fünf Teilen über Ludwig Herzfeld zu verfassen.
Der erste und zweite
Teil enthalten nun seine Kindheit und
Jugend sowie seine Studien und Beamtenjahre. Teil III (Mückendorf) wird
teilweise durch Albert Herzfelds 'Erinnerungen für Kinder und Enkel' abgedeckt;
ich halte aber eine gründliche Überarbeitung für wünschenswert. Teil IV wird
das politische und berufliche Wirken Ludwigs in Halle (1870-1900) zum
Gegenstand haben. Hier müssen noch 30 Jahrgänge Hallensischer Zeitungen
durchforstet werden. Dort findet sich Material in Fülle. Da man jedoch nicht
bereit ist, die Zeitungsbände über die Fernleihe zur Auswertung zur Verfügung
zu stellen, also Reisen nach Halle getätigt werden müssen, wird die
Fertigstellung des IV. Teils einige Zeit in Anspruch nehmen. Der V. Teil soll
dem alten Ludwig gewidmet sein. Mit der Herausgabe auf Ludwig Herzfeld
bezogener Passagen aus den Briefen meines Großvaters Martin ist dafür bereits
ein Grundstein gelegt worden. Ich hoffe, diesen Teil bis zu seinem 175.
Geburtstag am 12. September 1994 fertig stellen zu können.
Ahrensburg, den 31. Januar 1994 Wolfgang D. Herzfeld
Vorwort zur
vierten Auflage
Ich lege die familiengeschichtlichen Studien nur in leicht
veränderter Form vor. Trotz etlicher Änderungsversuche blieb der Charakter
einer jüdischen Sozial- und Kulturgeschichte weitgehend erhalten. Im Guhrau-
und Berlin-Kapitel haben sich stärker die biographische Darstellungsform
niedergeschlagen, jedoch ist die Materialbasis zu dünn, um den Ansprüchen einer
Biographie genügen zu können. Detailliert belegen lassen sich inzwischen die
Studienschwerpunkte der Brüder Carl und Ludwig Herzfeld an der
Friedrich-Wilhelm-Universität in Berlin. Deutlicher tritt auch das politische Handeln
Ludwig Carls während der Revolution von
1848 hervor.
Der Familie Falk wurde eine eigne Abhandlung gewidmet. Sei
dem Kontakt zu den Nachkommen in Neuseeland besteht, konnte besonders der
Zeitraum um die Jahrhundertwende ausführlich dargestellt werden.
Welches Resümee ich persönlich aus den
familiengeschichtlichen Studien, die die jüdischen Vorfahren in den Mittelpunkt
stellten, ziehe, kann dem Nachwort entnommen werden.
Ahrensburg im Juli 1998 Wolfgang D. Herzfeld
.
Die Überlieferung, so schreibt Franz
Rosenzweig, im Blick auf Rembrandts Bild Jakobs
Segen, geht weniger vom Vater auf den Sohn als vom Großvater auf den Enkel
über. Hinter dieser Bemerkung steht ganz offensichtlich die Auffassung von
dem grundsätzlich diskontinuierlichen Charakter der Tradition, da diese ja eben zum
Ziel hat Vergessen zu überwinden. Sie muß unablässig gegen Ihren eigenen
Verfall ankämpfen gegen die Lücken und Brüche des Gedächtnisses, mit einem Wort
gegen den Tod, der unvermeidlich die Generationen trennt und zugleich die
Bedingung ist für ihre Folge. Durch alle Zeiten hindurch gefährdet der Tod die
Substanz der Tradition, ermöglicht aber zugleich ihre ständige Erneuerung. Was
die Väter wußten, kann von Ihren Kindern vergessen oder verleugnet werden; was
aber die Väter vergessen hatten, kann von ihren Söhnen wiedergefunden werden.
Der kontinuierlichen und unumkehrbaren Zeit, die die historische Kausalität
postuliert, steht hier die Zeit der
Generationen gegenüber, eine unterbrochene und umkehrbare Zeit, die von dem
doppelten Band von Großvater zu Enkel und Enkel zu Großvater symbolisiert wird,
so entsteht die Diskontinuität einer Überlieferung die - wie in der von
Rembrandt dargestellten biblischen Szene - den Ahn unmittelbar mit der
Generation seiner Enkel verbindet, so entsteht auch die Umkehrbarkeit einer
nichtakkumulativen Zeit, in der der Enkel die Generation der Väter überspringt
und unmittelbar die Lehren des Großvaters aufgreift. Sobald aber der Begriff
der Generation zur Einheit wird, mit der man die geschichtliche Zeit mißt, so
verschwindet auch die Fiktion ihrer Kontinuität. Genauso verfahren
traditionelle Gesellschaften: Um das Gefühl zu erzeugen, eine weit
zurückblickende Vergangenheit sei immer noch ganz nahe, berechnen sie die
Entfernung, die uns von ihr trennt, nicht nach Jahren, sondern nach
Generationen. Diese Entfernung verkürzt sich noch, wenn sie in Fristen des
individuellen Gedächtnisses gemessen wird, das im allgemeinen die Dauer von
zwei Generationen umfaßt. So konnte beispielsweise ein heutiger Mensch sagen,
der Großvater seines Großvaters habe die napoleonische Zeit erlebt. Eine
numerische Chronologie — das Aufzählen von Jahren - wird hier in subjektive
Werte, in eine Summe von persönlichen Erfahrungen, kurz: in Gedächtnis umgewandelt. Dieses Gedächtnis wird um so lebendiger
sein, als die beschworenen Gestalten, gleichsam Haltestationen der Erinnerung,
bei ihrem Namen genannt werden. Den Namen des Urahns anzurufen - und dabei Generationen
zu überspringen - bedeutet, eine ideale Geschlechterfolge herzustellen, die uns
unseren Vorfahren und diese uns wieder nahe bringt. Dieses Verfahren des
kollektiven Gedächtnisses führt zu einer eingreifenden Kontraktion des
Zeitgefühls. In der jüdischen Tradition reicht dieses Gefühl der Nähe der Ahnen
rückwirkend bis zu den Urvätern, bis zu den biblischen Erzvätern, den Gründern
einer Geschlechterfolge, die ihren Namen trägt. Und umgekehrt nimmt die so
hervorgerufene Kontraktion der Zeit die Fülle aller denkbaren historischen Zeit
in ferner Zukunft in sich auf. In der religiösen Erfahrung des Judentums stehen
uns die letzten Generationen der Menschheitsgeschichte ebenso nahe wie die
allerersten. Zwischen der unmittelbaren Nähe der Zeit der Ursprünge und jener
Vorwegnahme der Erlösung besteht im Judentum eine genaue Symmetrie.
For what reason, I ask
myself, do I investigate family history, and in particular, my Jewish
ancestors? It certainly has something to do with the problem of identity: at around
forty years old, I see myself standing as part of a continuity, placed in a
relationship to the men and women of distant times and ways of life. To this is
added the wish that the fact of Jewish origins does not slip into oblivion.
This tradition has a special significance after all - even if our ancestors got
baptized as long as 150 years ago – due to the context of the crimes committed
on Jews by Nazi Germany. It is a form of solidarity with the victims, an
attempt not to also use historiography to assist the executioner’s work in
extinguishing a people into history by suppressing this part of our family’s
past.
During visits to relatives
something else became clear. For the generation of the ones born later, who
were no longer directly affected by the racial policy of the Third Reich,
dealing with history can easily become a superficial academic game. But here I
met human beings who had not gained their experiences from history books, but
had been confronted with the bitter reality. Thus a further motive emerges, one
which threatens to disappear from view when just dealing with details: the
question about the causes of modern antisemitism, the question of what brought
about the genocide of the Jews: that should also be kept in mind in a family history.
Another, final point - and this has surely do with my interest in theology.
Apart from the fact that Christianity is based on Judaism, which in itself
justifies a thorough study of the religion and history of this people, can the
effects of the Enlightenment on Jewish religiosity be generally regarded as
paradigmatic for the relationship between the Enlightenment and religion - or
expressed differently, for the relationship between reason and faith? In this
context, factors which led to the emancipation and assimilation of the Jews in
Prussia can be examined through the example of our family.
The motives expressed above
and in particular the attempt of our Jewish ancestors to "germanise",
were what induced me to follow up on their traces a good three years ago. I had
to begin at almost zero, because the verbal or written information passed down
in the family was incomplete and contradictory. Apparently already in the 19th
century this part of the family history - more or less consciously – was suppressed.
I decided to use as a fixed
starting point the baptism of our "Stammvater" (ancestral father of
our line), Ludwig (Levi) and his brother Carl (Isaac) on 14 February 1838 in
the Jerusalemer Kirche, Berlin, so I drove to Berlin in order to look through
the baptism records of the old-Berlin municipalities held in the central
archive of the Kirche der Union. Here I not only found out new things about the
family of Carl and his half brother Albert, but I also came across the sons of
a Mendel Herzfeld from Guhrau. This Mendel, it could later be largely
confirmed, was the brother of our Jacob.
On the tracks of Mendel’s
ancestors and as it first seemed, Jacob’s mother-in-law Recha (the daughter of
a Jacob Herzfeld from Berlin) I went in the spring of 1985 to Vienna. Some time
later however, and with a heavy heart, I had to leave my research results in my
desk drawer – there was even a set of private letters from the year 1618 that
had turned up - as I had found another Schlochow (Munk) line in Schlichtingsheim.
The spatial proximity to Guhrau and the name "Munk", a name
recurrently handed down in our family, were deciding factors.
Most of the information is
based on an analysis of the microfilms of the Reichs Family Records Office
(Reichssippenamt) - this authority had to a large extent microfilmed all the
documents (going back into the mid 18th Century) of Jewish families in Germany
– but the records were scattered, as I discovered after toilsome searches,
among the federal archive (Bundesarchiv) in Koblenz, the secret Prussian State
Archives (GstA) in Berlin and the Berlin Regional archive (Landesarchiv). These
are the sources, even if not always indicated, of the evidence about the family
Plato in Glogau, the family of Lewin Hertz Hertzfeld in Flatow and the
Herzfelds in Posen province. These are also the sources for the information
concerning the family of our Jacob during their time in Berlin, which I found
in the GStA - and about the Josephson family, which I found in the Regional
archive. Even more productive in the latter case was the publication of the
Historical Commission of Berlin’s "Jewish weddings in Berlin
1759-1813", to which Hans Herzfeld wrote a foreword.
It is however unfortunate
that the material basis – especially regarding personal certificates - remains
very thin. I have to a certain extent made a virtue out of necessity and as an
alternative tried to portray the sociocultural context.
For all the emphasis on the
individuality of human beings, a substantial part of a person’s personality and
his behavior is determined by social relations and the constitutional
arrangements of a society - we only need to consider, for instance, how the
legal regulations restricted and regulated the life of a Jew in Prussia. We can
therefore state a lot about the life circumstances of a person by consulting
the sociocultural data. Even if in the individual case we can no longer
determine, for example, when Jacob was circumcised, we can still say with some
certainty, thanks to the well-established ritual, how it was carried out. Even
if there is no written or orally handed down information about why Carl or
Ludwig got baptized, an analysis of the "Baptism epidemic" at that
time at least permits us to throw light on some of their motives.
A further point is that
often only a critical look at the information within the relevant context
brought the research onto the right track, as for example in the analysis of
Frederick the Great’s Jewish policy or clarifying the ownership structures of
the towns of Flatow and Dobryzin a.d. Drewenz. This enabled me to say that the
area of activity of Jacob’s father, our rabbi, was probably in the latter city
and not in Gollub.
Having analysed all the
accessible documents which did not involve disproportionately large financial
expenditure - as for instance a journey to Guhrau or to the Warsaw archive,
where the chances of success seemed doubtful - I would like to hand over the
summary of my research to those interested.
I would like to thank all
the relatives, whom I was able to meet in the course of my stimulating work,
for their kind hospitality and the numerous discussions.
Thanks also to all those who
have put up with my family-history monologue during this time.
Norderstedt, November 1987 Wolfgang D.
Herzfeld
From The Preface To The Second Edition
I have changed the chapters
Guhrau and Berlin. This was made possible, and necessary, as a result of
numerous letters from the middle of the last century being discovered.
The letters from Ludwig’s
young friends, which give us a good insight into his Glogau and Sagan years,
have been left out and their publication reserved for later. I would also like
to postpone the revision of the first section of the family history, since new
facts always expand and change the research picture.
One recent fact that has
emerged may be of interest. The Lemberg Oberrabbiner (Chief Rabbi of Lvov),
Naphtali Herz (1658-1718) in his second marriage was married to Sara Mirel,
daughter of the Oberrabbiner of the three municipalities Wandsbek, Altona,
Hamburg, Meschullam - Salomon Mirel (died 1706). He had 25 children and lived
to see 140 descendants.
Furthermore, his grandson,
the Rawitsch Chief Rabbi J. B. Herzfeld (1760-1846), held the Rabbinat of
Königsberg in Prussia in the period 1803-1815.
As far as Flatow is
concerned, it is now proven that the family Herzfeld was also affected by the
fire disaster, which afflicted the town. Comparing the house owner records, it
also becomes clear that the Hertz Levin, documented since 1772 in Flatow, is in
fact the grandfather of Liebchen, mother of Ludwig Herzfeld.
It is finally worth
mentioning that Jacob Herzfeld’s grave was found this spring in the Schönhauser
Allee Jewish cemetery, Berlin.
I would particularly like to
thank the relatives in Hüllhorst for their friendly support, and their loan of
letters for analysis.
Ahrensburg, 3 December 1989
on the 200th Birthday of Jacob Herzfeld
Preface to the third edition
I am now presenting the
first part of the family history - as announced - in its revised and newly
arranged version. Since the reference person for our widely distributed family
is the ancestral father of our line, Ludwig Herzfeld (1819-1911), and his
personal history might be of interest for everyone, whether they are descended
from Heinrich, Albert, Alexander, Paul, Hans and Margarethe through to Wolfgang
and Walther, I have decided to write a fragmentary, five section biography of
Ludwig Herzfeld.
The first and second
sections now cover his childhood and youth, as well as his studies and civil
servant years. Part III (Mückendorf) is partly taken from Albert Herzfeld’s
"Memories for children and grandchildren"; I feel, however, that a
thorough revision is desirable. Part IV focuses on Ludwig’s political and
vocational activities in Halle (1870-1900). There are still 30 years of Halle
newspapers to be gone through and material in abundance to be found. However,
since it is not possible for newspaper volumes to be made available for
analysis by sending away for them and journeys to Halle have to be undertaken,
it will take some time to complete section IV. Part V should be dedicated to
old Ludwig. With the publication of passages referring to Ludwig Herzfeld from
the letters of my grandfather Martin, a foundation stone has been placed. I
hope to be able to finish this section by his 175th birthday anniversary on 12
September 1994.
Ahrensburg, 31 January 1994
Wolfgang D. Herzfeld
Preface to the fourth edition
I am presenting the family
history studies in only slightly changed form. Despite some modifications, the
character of a Jewish social and cultural history has been largely preserved.
In the Guhrau and Berlin section, the biographic portrayal has found stronger
expression, but the material basis is too meager to be able to satisfy the
requirements of a biography. The main study focus of the brothers Carl and
Ludwig Herzfeld at the Friedrich Wilhelm University in Berlin remains detailed.
Ludwig and Carl’s political activity during the 1848 revolution is also more
clearly highlighted.
The Falk family has a
separate treatment dedicated to it. Due to the contact with descendants in New
Zealand, the period around the turn of the century could be represented in
detail.
What conclusions I personally draw from these family history studies,
which placed the Jewish ancestors as the focal point, can be seen in the
epilogue.
Ahrensburg, July 1998 Wolfgang D. Herzfeld
Tradition, writes Franz Rosenzweig, thinking of Rembrandt’s picture Jacob’s Blessing, passes less from father to son than from grandfather to grandson. Behind this remark there clearly stands a conception of tradition as discontinuous, as tradition aims to overcome forgetting. Tradition must unceasingly struggle against its own decay, against the holes and gaps of memory - in one word, against death, which inevitably divides generations and at the same time is the condition for its handing down. Throughout history death threatens the substance of tradition, but also enables its constant renewal. What fathers knew can be forgotten or denied by their children; but what fathers had forgotten can again be found by their children. Generation Time stands in opposition to the continuous and irreversible time postulated by historical causality. It is an interrupted and reversible time, symbolised by the twin strand from grandfather to grandchild and grandchild to grandfather, so giving rise to the discontinuity of a tradition which – as in the biblical scene portrayed by Rembrandt – directly connects the ancestor to the grandchild’s generation. Thus also arises the reversibility of non-accumulative time, in which the grandchild skips the father’s generation and directly grasps the teaching of the grandfather. However, as soon as the concept of generation becomes an integrated whole, by which historical time is measured, the fiction of its continuity also disappears. Traditional societies proceed in the same way: in order to produce the feeling that a long distant past is still quite near, the distance separating us is calculated not in years, but in generations. This distance is still further reduced by measuring the distance in terms of individual memories, which usually span two generations. A person living today could, for example, say that the grandfather of his grandfather experienced Napoleonic times. Numerical chronology – counting of years – is here converted into subjective terms, into a sum of personal experiences - in short, into memory. This memory will be all the more vivid if the figures conjured up, the reference points of memory, can be given names. Calling on the names of ancestors – and thereby jumping generations – means the creation of an ideal lineage, which brings us near to our ancestors and them again near to us. This process of collective memory leads to an intervening contraction of the sense of time. In the Jewish tradition this sense of the proximity of the ancestors reaches backwards to the distant ancestors and to the biblical patriarchs, the founders of a lineage, which carries their name. And conversely, the contraction of time thus created incorporates the entirety of all conceivable future historical time in the distant future. In the religious experience of Judaism, the latest generations of human history stand as near to us as the very first. In Judaism there stands an exact symmetry between the direct closeness of the time of origins and the anticipation of redemption.
Der Name
Herzfeld und sein Ursprung
Im Dezember 1994 fand in Berlin ein kleines Familientreffen
statt, es war schon eigenartig, daß hier zum Teil wildfremde Menschen
zusammenfanden und auch so etwas wie ein Gemeinschaftsgefühl vorhanden war, die
einen vor sieben Generationen existierenden Stammvater Jacob Herzfeld ihr eigen
nannten. Man konnte wohl kaum mehr von einer "Gemeinschaft des
Blutes", wie es im Vorwort der von Wolfgang Herzfeld verfassten Familiengeschichte
im Jahre 1929 anklingt, sprechen, die Gemeinschaft wurde über den Namen "Herzfeld", den grunddeutschen und
deshalb jüdisch verdächtigen und belastenden hergestellt.
Wenden wir uns deshalb zunächst dem Ursprung dieses Namens
zu, dessen Träger zum guten Teil zu unserem Familienklan gehören, aber nicht zu
ihm gehören müssen; aber eines steht fest, sehen wir von jener legendären Tante
Karl des Großen, der Hl. Ida von Herzfeld, ab, so sind alle Träger dieses
Namens, unabhängig von vielleicht divergierender orthographischer Schreibweise,
jüdischen Ursprungs.
Aufgrund des Emanzipationsedikts vom 23. März 1812 waren die
in den zu diesem Zeitpunkt bestehenden Grenzen Preußens lebenden Juden
verpflichtet, Familiennamen anzunehmen. Manch eine Familie hatte bereits früher
einen Familiennamen geführt.’ Das Gefühl für die Wichtigkeit, die Abstammung im
Bewußtsein festzuhalten, kam nicht nur dadurch zum Ausdruck, daß die Vornamen
der Vorfahren sich vererbten, daß die Herkunftsorte der Vorfahren, etwa Kalisch
oder Herford, Halberstadt oder Prag und Witzenhausen fortdauerten.' 1 Dabei darf
nicht übersehen werden, 'daß die
Schwiegersöhne den Namen des Schwiegervaters übernahmen, wie auch manche
Familienamen in den Namen der Mütter und Schwiegermüttern... ihren Ursprung
haben. Da, wo der Familienname durch eine Berufsbezeichnung angedeutet war,...
war im allgemeinen die Kontinuität der Familie gewahrt. Das gleiche gilt dann,
wenn jemand durch den hebräischen Text als Angehöriger der langen
Geschlechterreihe der Leviten oder der alten Priesterkaste (Kohanim)
gekennzeichnet ist. Allerdings kehren diese deutlich identifizierenden, für die
jüdische Familiengeschichte so überaus wichtigen Bezeichnungen - Levi, Levin,
Cohn - keineswegs regelmäßig in den im Emanzipationszeitalter angenommenen
Namen wieder. Aus zwei Quellen leitet sich der Name 'Herzfeld' ab. Zum einem von der Stadt Heidingsfeld am Main,
die seit dem Jahre 1930 nach Würzburg eingemeindet ist. Aber schon im 18.
Jahrhundert wurden die beiden Städte als zusammengehörig betrachtet. So konnte
man in den Berliner Wochenmeldungen aus dem Jahre 1765 lesen, daß Aron Wesel
und Ranel, die Tochter des Beer H.F., am 25. August d. Js. miteinander die Ehe
geschlossen hatten; jedoch stand 'charakteristischerweise' dort 'statt
Herzfeld... Wertzburg (Würzburg); denn mit Herzfeld ist Heidingsfeld bei
Würzburg gemeint'.2 Die hebräisierte Form von Heidingsfeld ist 'Heitzfeld',
woraus sich im fränkischen Dialekt 'Hetzfeld' entwickelte. Hetzfelder nennen
die Einwohner der Stadt sich noch heute. Aus den Eintragungen in den
Judenbürgerbüchern der Stadt Berlin ist
der Namenswandel zu entnehmen: Am 3. Dezember 1788 heiratete ein Abraham
Schlochau die Tochter eines Jacob Herzfeld, und im Namens-, Trau- und Sterberegister
der Judenschaft Berlins ist 'die ursprüngliche Abkürzung H.F. durchgestrichen
und ganz ausgeschrieben: Herzfeld. Also, deutlicher Wandel von Heitzfeld = Heidingsfeld zu Herzfeld'.3 Auch in
Glogau finden sich Herzfelds, die ihren Namen von Heizdingfeld ableiten. Der
Großvater Ferdinand Lassalles, mütterlicherseits, der später in Breslau
ansässig war, wird als Abraham Joachim Heitzfeld in der Glogauer
Staatsbürgerliste von 1812 geführt. In Breslau ehelichte seine Tochter Rosalie
(geb. am 8. Mai 1797, gest. am 13.Febr. 1872) den Kaufmann Chaijjm Wolfsohn,
der den Namen Lassalle annahm, den Vater Ferdinands.4 - Im Namen Herzfeld dieser Familien kommt der Herkunftsort
zum Ausdruck.
Als ich bei meinem Besuch
im Archiv des evangelischen Oberkirchenrates in Berlin auf Mendel Herzfeld und seine Frau Philippine
Tochter eines Abraham Schlochau stieß und bei der Durchsicht des Verzeichnisses
der jüdischen Trauungen in Berlin, die bereits erwähnte Eintragung über die
Eheschließung zwischen Abraham Schlochau und Recha, der Tochter des Jacob Herzfeld fand, schien mir die Verbindung der
Familie von Ludwig Herzfelds Vater Jacob gegeben. Jedoch sollte sich später
zeigen, daß sich der Name von Ludwig Herzfelds Familie, wie auch der von
anderen Familien, die den Namen Herzfeld tragen vom Vor- bzw. Vaternamen
"Hertz" herleitet. Das trifft beispielsweise auch auf die in Nordhausen und Ellrich (Harz)
beheimateten Herzfelds zu, letztere sind auch mit denen in Bleichrode und in
der Provinz Posen, Moses Mescholem und Salomo Herzfeld in Grätz, verwandt,
ebenso auf zwei von den vier Familien im Mecklenburgischen. Der Oberrabbiner J.
B. Herzfeld in Rawitsch wird sich nach seinem Urgroßvater Zwi Hirsch (Hirsch =
Hirz = Herz) Aschkenasi genannt haben. Die aus Dessau stammenden Herzfelds,
deren Nachfahren sich später in Hamburg und Wien aufhalten, nehmen den Namen
schon früh, wie der Hamburger Schauspieldirektor Jacob Herzfeld 1791, an.
Die in Neuss/ Düsseldorf beheimateten, scheinen ihren Namen
von Heidingsfeld abgeleitet zu haben, hier lassen sich Verbindungen nach
Amsterdam und Glogau aufzeigen.
Bleiben nun die aus Westpreußen stammenden Herzfelds, wo
sicher verwandtschaftliche Beziehungen zu einigen der bereits genannten
vermutlich bestanden haben, teilweise
auch zu belegen sind. Als einziger Träger dieses Namens in dem bei Preußen
verbliebenen Rest der Provinz Westpreußen findet sich im Jahre 1812 Lewin Hertz
Hertzfeldt, der Großvater des Ludwig Herzfeld mütterlicherseits. Auch hier
leitet sich der Name eindeutig vom Namen des Vaters 'Hertz" her. Ob auch der
Vater des Ludwig Herzfeld, Jacob, der 1815 den Namen Herzfeld annahm, mit dem
verwandt war, oder ob er sich nach seinem Schwiegervater nennt, kann nicht mit
Bestimmtheit gesagt werden. Gegen die letztere Annahme spricht, daß sich Jacobs
Bruder Mendel ebenfalls Herzfeld nennt, und auch entferntere Mitglieder der
Familie diesen Namen angenommen haben.
Legt man das häufige Auftreten des Namens Levi in etlichen
Zweigen der Familie zu Grunde, was nicht bedeuten muss, daß deren Träger zum
Stamme Levi gehören 5, so hätte sich die Familie auch Levi nennen können.
Vielleicht sind auch im Namen Hertz die Väternamen Naphtali ( = Zwi = Hirsch =
Hirz) und Levi, denn das hebräisch 'lev' bedeutet Herz) miteinander verbunden,
so daß die Angabe, der Vater des Ludwig Herzfeld habe zunächst Levinsohn
geheißen, der Wahrheit entsprechen kann. 6
Inwieweit die Träger des Namens Herzfeld miteinander
verwandt sind, Iäßt sich nur schwer beurteilen. Zwar sind, wie aus den
Staatsbürgerlisten von 1812 ersichtlich, Familien dieses Namens nur sehr selten
vertreten 7
, da aber zuvor hinter den eignen Namen nur der Name des Vaters gesetzt wurde,
sich etwa Marcus Sohn des Mendel, Marcus ben (bar) Mendel oder einfach Marcus
Mendel nannte und dessen Sohn Levi nun Levi Marcus, so fehlt der Anhaltspunkt
die verschiedenen Familien auseinander zuhalten. Bedingt durch die jüdische
Genealogie sind so der Forschung über die Herkunft der Herzfelds Grenzen
gesetzt.
Juden in
Polen
|
Wir wissen nicht welches Schicksal die Vorfahren Ludwig
Herzfelds nach Polen, wo sich deren erste historische Spuren finden, verschlug.
Gehörten sie vielleicht zu den Händlern, die über weite
Strecken unbewohnten, eines durch Sümpfe und Wälder geprägten Landes an die von
Slawenstämmen bewohnten Ufer der Weichsel zogen ?
Hier hatte sich gegen Ende des 9. Jahrhunderts der polnische
Staat gebildet. Das Königshaus der Piasten trat im Verlauf des 10. Jahrhunderts
zum katholischen Christentum über; damit war eine Brücke geschlagen zu dem
jungen aufstrebenden Westeuropa mit seinen wachsenden Städten und
expandierendem Handel. "Kaufleute aus Westeuropa zogen mit ihren Waren
ostwärts, unter ihnen fanden sich auch Juden, die die internationalen
Handelswege benutzten und die slawischen Länder besuchten. Eine der wichtigsten
Handelsstraßen, die über Südpolen führte, hatte ihren Ausgangspunkt in
Südfrankreich und endete in Kiew und im Staat der Chasaren, in dessen
Hauptstadt Itil" - so ist es auch möglich, daß seine Vorfahren aus diesem
Reiche stammten, denn aus allen linguistischen und anderen Zeugnissen ergibt
sich, "daß die Anfänge der jüdischen Wanderung nach Polen auf Ansiedlern
aus Chasarien beruht, dem Staat dessen Herrscher das Judentum angenommen
hatten. Viel stärker jedoch fielen ins Gewicht
"die aus Kiew eingewanderten Juden, und Juden, die als Kaufleute über die
rheinischen Städte, Magdeburg, Regensburg, Prag, Kiew aus dem Westen kamen und
bis in den asiatischen Raum gelangten".
Es kann auch sein, daß Ludwig Herzfelds Vorfahren Westeuropa
aufgrund der Verfolgungen, die durch den ersten Kreuzzug ausgelöst wurden,
verließen und in Polen eine neue Heimat fanden.
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Vom Prager Bischof Cosmas hören wir (1098), daß "viele
Juden flüchteten, und andere ihr Vermögen geheim nach Polen, teils nach Ungarn
überführten.“
Die Einwanderer ließen sich zuerst an den Grenzen des Landes
nieder. So entstanden jüdische Siedlungen in den Städten Gnesen, Kalisch, Posen
und Krakau und später auch in verschiedenen kleinen Städten.
Die nicht abreißenden Judenverfolgungen in Deutschland, die
einen Höhepunkt während des 'Schwarzen Todes', einer Pestepidemie, die in den
Jahren 1348 - 1349 ausbrach, erreichten, veranlasste immer mehr Juden
Deutschland zu verlassen; wie der Chronist Joseph ha-Kohen in seinem Werk 'Emak
ha -bacha' schreibt: 'Auf sieben Wegen verließen die Juden dieses verfluchte
Land, und Israel verarmte sehr'.
Dagegen wurde die Einwanderung von den polnischen Fürsten
unterstützt und systematisch gefördert.
Am 16. August 1264 gab Boleslaw (der Fromme), Herzog von
Großpolen, den Juden ein Privilegium, das ihnen die weitgehensten Rechte
einräumte. Sie genossen einen ganz besonderen Rechtsschutz; nur der Woiwode
durfte über sie das Urteil fällen. Erschlug ein Christ einen Juden oder
beschädigte er einen jüdischen Friedhof, wurde sein Vermögen vom Staate
eingezogen; beschuldigte er ihn eines strafwürdigen, aber nicht zu erweisenden
Verbrechens, so erlitt er die Strafe, die den Juden im Falle seiner Überführung
getroffen hätte. Rief ein Jude nachts um Hilfe, so zahlten alle christlichen
Nachbarn, die ihn ohne Schutz gelassen, 30 Gulden Strafe. - Kasimir der Große
(1333 - 1370) erweiterte noch die von Boleslaw den Juden gewährten Rechte.
Krakau, Alte
Synagoge, Inneres mit Bima und Tora-Schrein (nach 1389)
Jetzt fanden sich Juden in allen Teilen Polens, in
Großpolen, Masowien, Kujawien, Pommern, Kleinpolen, Podolien, Wolhynien und
Reissen. Im Verlauf des 14. Jahrhunderts siedelten sie sich auch im Herzogtum
Litauen an. Man schätzt, daß es am Ende des 15. Jahrhunderts etwa sechzig jüdische
Gemeinden mit einer Bevölkerungszahl von zwanzig- bis dreißigtausend Seelen
gab. Zu einer Masseneinwanderung kam es erst im 16. Jahrhundert. Die Zahl der Juden soll sich innerhalb von
150 Jahren verzehnfacht haben. Das war im großen Ganzen das Resultat eines
historischen Zufalls. Gerade als sich in Mitteleuropa die Lebensbedingungen der
Juden wesentlich verschlechterten, bot sich Polen als Zufluchtsmöglichkeit an.
Als Polen sich vergrößerte, Polen war durch die Vereinigung mit Litauen unter
den Söhnen Kasimirs IV. zur Großmacht geworden, und immer mehr fremde Experten
brauchte, waren die Juden in Mitteleuropa wie auch in Spanien unerwünscht oder
überflüssig geworden.
Die Bereitschaft Geächteten und Verfolgten Asyl zu gewähren,
mag ihren Grund darin gehabt haben, daß das Christentum in diesem Lande sich
nicht so fanatisch gebärdete wie im übrigen Europa, und der monarchische
Absolutismus durch das Unabhängigkeitsstreben des polnischen Groß- und
Kleinadels in Schranken gehalten wurde.
Unter dem Adel und beim Bürgertum breitete sich das
reformatorische Bekenntnis insbesondere der Kalvinismus aus. Die gehässigen
Angriffe, die der mit inquisitorischen Vollmachten ausgestattete
Franziskanermönch Johannes Capistrano in der Mitte des 15. Jahrhunderts gegen
die Juden geführt hatte, waren in Vergessenheit geraten. Dass die Juden auch
weiterhin Polen als gute Zufluchtsstätte ansahen, kam in einem Reponsum des
berühmten Rabbi Moses Isserles zum Ausdruck: "Besser ein trocknes Brot in
Frieden, wie in diesen Gegenden (im Bereich von Krakau), in denen ihr Hass
nicht über uns zusammenschlägt wie in den deutschen Ländern."
Unter dem Einfluss der Reformation nahm unter dem Adel die
Liebe zu Literatur und Wissenschaft zu. Vereinzelt waren auch die polnischen
Juden - im Gegensatz zu den deutschen - an weltlicher Wissenschaft
interessiert.
Die Schriften von Aristoteles und Moses Maimonides fanden
ihre Leser, ebenso verbreitete sich die Arzneikunde, nachdem die Königin Bona,
die Gemahlin Sigismund I. (1508 - 1548), jüdische Ärzte aus Italien mit nach
Polen gebracht hatten.
Krakau,
Remuh-Synagoge von außen (1. Hälfte des 16. Jh.).
Im Mittelpunkt jüdischer Gelehrsamkeit stand aber das
Studium des Talmuds. Die polnischen Juden waren die letzten in Europa und
Asien, die sich mit ihm vertraut gemacht hatten. Es waren zwei in Deutschland
ausgebildete Rabbiner Moses Menz aus Mainz (um 1463 ausgewandert) und Jacob
Polak (um 1490 bis 1530), der an einer deutschen Talmudschule studiert hatte,
die diesen Wissenszweig nach Polen verpflanzten.
Es entwickelte sich das Pilpul - eine Art Frage- und
Antwortspiel, das Jacob Polak in Krakau heimisch machte. Hier hatte der aus
Prag eingewanderte auch ein Lehrhaus gegründet. "Die polnisch-talmudischen
Hochschulen wurden seit dieser Zeit die berühmtesten in der ganzen europäischen
Judenheit. Wer Gründliches lernen wollte, begab sich dahin. In einem
jüdisch-polnischen Lehrhaus ausgebildet sein, galt als Empfehlung, und wer
diese nicht hatte, wurde nicht als ebenbürtig angesehen."
Eingang zum
jüdischen Viertel in Krakau, 1938.
So ist es gekommen, 'daß Polen und Litauen zum neuen Zentrum
des westlichen Judentums geworden sind. Auch die aus Spanien, Portugal und
Italien vertriebenen sephardischen Juden haben sich in ihren Gebräuchen an den
zahlenmäßig stärkeren Aschkenasim orientiert. Innerhalb kürzester Zeit war es
den neu angekommenen Aschkenasim gelungen, die Juden aus Chasaria, Byzanz und
dem Mittelosten, die schon seit einigen Jahrhunderten in der Ukraine ansässig
gewesen waren, zu assimilieren."
Die aufgeklärten Herrscher Polens im 16. und 17. Jahrhundert
bestätigten von neuem die Privilegien der Juden, unter Zusage ihrer
wirtschaftlichen Rechte, der Erweiterung ihrer Autonomie und der Verpflichtung
ihre persönliche Sicherheit zu schützen. "Trotz der Predigten des Klerus
und dem Druck der Städter und deren Bemühungen, die Juden aus den Städten
Polens zu verdrängen, konnten sie sich in den bestehenden Städten des Landes
behaupten und sich an neuen Orten niederlassen. Das waren die "privaten
Städte des Adels, die nach dem geltenden Rechte von der Herrschaft der
städtischen Behörden exempt waren. Diese Städte nahmen Juden auf, da man in
ihnen ein Element sah, das dem Adel bei der Entwicklung seiner wirtschaftlichen
Aktivität behilflich sein konnte. Der Adel bemühte sich, durch Gewährung
verschiedener Vergünstigungen die Juden in seine Städte zu ziehen.“
"So z.B. gab Melchior v. Weyher, Starost von Dt. Crone,
1623 den Juden die Erlaubnis, sich auf der Kicka, einer Vorstadt von Dt. Crone,
niederzulassen, wogegen die Stadt als eine Verletzung ihres verbrieften
Rechtes, Protest einlegte. Trotzdem blieben sie, von dem Starosten geschützt,
an Ort und Stelle; nur mussten sie an den Starosten, der die Kicka für
Amtsgrund erklärte, 150 Gulden Grundzins, auch, um die Bürger zu begütigen, 50
Tympf Czopowe (Zapfengeld) an die Stadt zahlen, wofür ihnen gestattet war, mit
Branntweinblasen zu brennen und in der Judenstraße Wein und Meth zu schenken.
Auch mußten sie sich verbindlich machen, keine blutigen oder Meßkleider zu
kaufen und 7 Groschen poln. an den Organisten zu zahlen." 10
Vorfahren von Ludwig Herzfeld sind urkundlich in
Westpreußen, insbesondere im Kreise Flatow nachweisbar. Aus den südlich der
Netze gelegenen polnischen Gebieten kamen nach 1500 Juden in die Kraina, wo sie
eine Zufluchtsstätte fanden und durch Handel und Geldgeschäfte vielfach zu
großer Wohlhabenheit gelangten. Ihre Anzahl wird sich dort, verursacht durch
die chmielnickischen Pogrome, nach 1648 stark vermehrt haben, so daß Ludwig Herzfelds
Vorfahren vermutlich erst zu diesem Zeitpunkt dorthin gelangte.
Die Lage der polnischen Juden unter preußischer Herrschaft
Die Lage der Juden sollte sich nach der Teilung Polens in
den Landstrichen, in denen die Vorfahren des Ludwig Herzfeld lebten, und die an
die preußische Krone fielen, grundlegend ändern. Dadurch erfolgte eine
weitgehende Eingliederung in den deutschen Sprach- und Kulturkreis.
Mitte des 18. Jahrhunderts außenpolitisch machtlos und
innenpolitisch zerrüttet, weckte Polen die Begehrlichkeit seiner Nachbarn,
insbesondere die Russlands unter Katharina II. Friedrich der Große aufgrund der
Erfahrungen des Siebenjährigen Krieges (1756-1763) war einerseits um die
Freundschaft Russlands bemüht, suchte andererseits für den Fall des Erlöschens
der polnischen Unabhängigkeit, Russlands Westgrenze so fern wie möglich von
Preußen zu halten und dabei insbesondere Westpreußen als Landbrücke zu den östlichen Teilen seiner Monarchie zu
gewinnen. Preußen und Russland vereinbarten 1764, die Wahl von Stanislaus
Poniatowski zum König von Polen zu sichern. Fürst Repnin, der russische
Botschafter in Warschau, hielt in Wirklichkeit die Fäden der Macht in der Hand.
Er rief die bewaffnete Konföderation von Radom, zu der sich mehr als 8000
polnische Adlige vereinten, ins Leben. Als Reaktion auf den russischen Druck
bildete sich die neue Konföderation von Bar, die zum Ausgangspunkt einer
nationalen und streng katholischen Revolte wurde. Sie wurde von Österreich und
der Türkei unterstützt und hatte die Kriegserklärung des Sultans an Russland
'zum Schutz der polnischen Freiheit' im Gefolge.
Die großen Erfolge der Russen gegenüber Polen und Türken,
insbesondere nachdem die türkische Flotte in der Schlacht bei Tschesme
vernichtet worden war, und die russische Landarmee auf dem Balkan vorrückte und
Konstantinopel bedrohte, führten zu einer preußisch-österreichischen
Verständigung, mit dem Ziel, den Frieden zwischen Katharina und dem Sultan zu
vermitteln.
Gleichzeitig zog Friedrich einen 'Pestkordon' (cordon
sanitaire) um die polnischen Gebiete, die er für Preußen forderte, und Joseph
schloss heimlich ein Bündnis mit der Türkei. Auch Österreich besetzte einige
Gebietsteile an der ungarischen Grenze und in Galizien; der militärischen
Besetzung folgte die politische Besitznahme.
In dieser Phase hatte Prinz Heinrich, der Bruder Friedrich
des Großen, den Gedanken, daß durch eine Teilung Polens die Ansprüche aller
drei Mächte befriedigt werden konnten. Nach langen Verhandlungen einigte man
sich. Am 5. August 1772 wurde der Teilungsvertrag abgeschlossen. Ein polnischer
Widerstand gegen den Vertrag war aussichtslos, so daß der am 18. September 1773
vom polnischen Reichstag ratifiziert wurde.
Polen verlor damit rund ein Drittel seines Gebiets und die
Hälfte seiner Bevölkerung. Russland erhielt den Rest von Weißrußland und den
östlichen Teil des ehemaligen Litauischen Staats, Österreich erwarb Galizien,
die nördlichen Abhänge der Karpaten und einen Korridor von
Österreichisch-Schlesien zu den neuen Besitzungen. Preußen erhielt Westpreußen
ohne Danzig und Thorn. Sein Teil an der Beute war der kleinste, aber politisch
und militärisch von größter Wichtigkeit, da er die Landverbindung zu Ostpreußen
herstellte.
Bei der Darstellung der Besitzergreifung dieser Landesteile
durch Preußen wollen wir uns auf die Vorgänge im Netzedistrikt und im
Kulm-Micheiauischen Kreise, beschränken, da die Vorfahren Ludwig Herzfelds dort
ansässig waren.
Die Besitznahme des Netzedistrikts ging ohne größere
Schwierigkeiten vor sich. Der Bevollmächtigte Friedrich des Großen, der Geheime
Finanzrat Franz Balthasar Schönberg von Brenckenhoff, rückte mit dem Fähnrich
von Dyhern und zwölf Dragonern in den Städten des Distriktes ein, die
polnischen Garnisonen zogen sich widerstandslos zurück, und die polnische Bevölkerung
verhielt sich gegenüber diesem so wichtigen Besitzwechsel gleichgültig. Ohne
Widerspruch wurden die polnischen Wappen abgenommen, an deren Stelle der
preußische Adler trat; nur in Flatow wurden Adler und Patente abgerissen.
Brenckenhoff selbst berichtete:
"Ich habe bisher alles was nur irgend möglich gewesen
ist mitgenommen und die Städte Filehne,
Czarnikau und Usch, desgleichen die an der Netze belegenen Mühlen und Holländereien sind mit Freuden preußisch
geworden. Wenn ich dürfte, wollte ich mit meiner Eskorte von einem Kornet und
12 Mann noch die ganze Warte mit in Besitz nehmen, und man sieht uns
allenthalben recht gern. Da Rynarzewo schon der Generalin Skorzewska gehört und
alles, was von daher bis Labischin
dazwischen liegt ihr gehört und sie mich recht inständigst gebeten, es dahin zu
dirigieren, daß alle ihre Güter preußisch würden, so werde ich mich auf dem
Grenzzuge so einzurichten suchen, daß ich an der Netze bis Labischin gehe, von
da aber links nach der Weichsel auf Schulitz oder Hoff die Linie nehme. Da die
Eigentümer davon zufrieden so glaube ich nicht, daß jemand klagen wird, und
wenn keine Klage kommt, auch die Adler einmal stehen, so wird es wohl dabei
bleiben. Es ist doch immer gut, je weiter je besser." 11
Die endgültige Grenzfestsetzung erfolgte jedoch erst am 22.
August 1776, wobei Preußen einige Landstriche an Polen zurückgeben musste.
In seinem Besitznahme-Patent vom 13. September 1772 hatte
Friedrich der Große versprochen, "das ganze Land dergestalt zu regieren, daß
die vernünftigen und wohldenkenden Einwohner glücklich und zufrieden sein
können und keine Ursache haben werden, die Veränderung zu bereuen". Nach
einer Reise durch die neuerworbenen Gebiete schrieb er: "Die Leute sind
gar zu faul und träge und haben nicht Lust zu arbeiten; das Volk muß in einen
anderen Schlenter gebracht werden, wenn die Provinz in einen besseren Wohlstand
kommen soll. Die Landwirtschaft in Westpreußen ist in der größten Bredouille
von der Welt und ganz erbärmlich... sie säen, ohne das Land gehörig zu
düngen." An seinen Bruder Heinrich schrieb er: "Auf meiner Reise
durch Polen-Preußen habe ich nur Sand, Tannen, Heidekraut gesehen. Es ist wahr,
daß dies Stück Land mir viel Arbeit verursacht; denn ich glaube, Kanada ist
eben so wohl eingerichtet wie dieses Pomerellen." In einem Brief an
d'Alembert meinte er, es würde erst nach ziemlich langer Zeit und durch bessere
Erziehung der Jugend möglich sein, die westpreußischen 'Irokesen' gesitteter zu
machen. Einige Jahre später schrieb er an Voltaire: "In Preußen habe ich die Sklaverei abgeschafft,
barbarische Gesetze reformiert, vernünftigere in Gang gebracht, einen Kanal
eröffnet, welcher die Weichsel, Brahe, Warthe, Oder und Elbe verbindet, Städte wieder
aufgebaut, welche seit der Pest 1709 zerstört, 20 Meilen Morast trocken gelegt
und eine Polizei eingeführt, welche in diesem Lande selbst dem Namen nach
unbekannt war." 12
Im Rahmen dieser vor allem durch ökonomische Gesichtspunkte
geprägten Politik muss man auch Friedrichs Maßnahmen gegenüber den Juden sehen.
Die Lage der Juden in Preußen war auch unter dem Regiment
eines aufgeklärten Fürsten wie Friedrich bedrückend und schmachvoll, "Wie
im Mittelalter bildeten auch die Juden... einen abgesonderten Staat im Staat,
durch viele Beschränkungen wirtschaftlicher, sozialer, beruflicher, rechtlicher
Art von den übrigen Untertanen geschieden. Die Juden wurden in ein Netzwerk von
Gesetzen und Geboten, Reglements und Resolutionen eingespannt, die ihr Leben
vom Tage der Geburt bis zur Stunde ihres Todes regelten, ihre Anzahl, ihre Zu-
und Abwanderung kontrollierten, ihnen vorschrieben, welchen Beruf sie
ergreifen, in welcher Stadt sie wohnen, wie viel Geld sie verdienen, wie viele
ihrer Kinder eine Ehe schließen und mit welcher Frau sie sich verheirateten
dürften." 13
So war es den Juden verboten, zu betteln und zu hausieren.
Der Geldhandel war stark reglementiert. Nicht nur für jeden Bankrott und für
Steuerschulden hatte die Gemeinde, sondern auch - wie im Generalprivileg von
1750 festgelegt - hatte "die Gesamtjudenschaft jedes Ortes ex
officio" Schadenersatz zu leisten, "wenn ein Dieb den ganzen Wert der
gestohlenen oder verhehlten Sachen dem rechten Besitzer nicht ersetzen"
konnte.
Dieses 'kannibalische Generalprivileg', wie Mirabeau es
nannte, sah sechs Gruppen von Juden vor. Abgesehen von der kleinen Zahl
generalprivilegierter Juden, die viele Freiheiten genossen, so etwa Haus- und
Grundbesitz erwerben konnten, manche von ihnen erhielten sogar das Bürgerrecht,
gab es überwiegend 'ordentliche Schutzjuden'; die durften sich zwar in
bestimmten Erwerbszweigen betätigen, aber nicht beliebig Wohnung nehmen. Ihren
Status des 'Geschützseins' konnten sie auf eins, später auf zwei Kinder
vererben, wenn das erste Kind 1000 Taler in bar besaß und außerdem die mit der
Erbfolge verbundene Gebühr zahlen konnte. Das zweite Kind musste 10 000 Taler
zeigen können. Jedoch waren an den Schutzbrief weitere Nebenbedingungen
geknüpft, wie der Zwang ein vorgeschriebenes Kontingent Porzellan der
staatlichen Manufaktur in Berlin abzunehmen und zu exportieren. Das Porzellan
durfte also nicht für den eignen Gebrauch verwandt werden; selbst auf die
Auswahl der Stücke hatte der betroffene Jude keinen Einfluss.
Daneben gab es 'außerordentliche' Schutzjuden, deren
Privileg auf keinen Angehörigen übertragen werden konnte, was im Falle des
Todes des Privilegieninhabers zur Ausweisung der Witwe und der Kinder führen
konnte. Die Kultusbeamten der jüdischen Gemeinde waren dieser Gruppe
gleichgestellt; sie durften jedoch weder Handel noch Gewerbe treiben.
Dazu kamen die 'geduldeten Juden', denen eine berufliche
Tätigkeit ebenfalls untersagt war; ihnen hielt man nur die Möglichkeit offen,
in eine der oberen Gruppen einheiraten zu können. Schließlich gab es noch die
privaten Angestellten, die sich nur so lange am Ort aufhalten durften, wie ihr
Arbeitsverhältnis dauerte; ihnen war verboten zu heiraten.
Durch
dieses ‘Revidierte Generalprivileg- und Reglement vom 17. April 1750’, das in
seinen Grundzügen bis 1812 in Kraft blieb, dem „Grundgesetz der
friderizianischen Epoche... waren die Juden weiter vom Ackerbau und vom
zünftigen Handwerk ausgeschlossen. Nur solche unzünftigen handwerklichen Berufe
wie Petschierstecher, Maler, Gold- und Silbersticker, Glas- und
Diamantschleifer, Weißnäher und Kratzwäscher waren ihnen erlaubt. Was ihnen als
eigentlicher Wirkungsbereich und aufgrund einer jahrhundertelangen Gewohnheit
blieb, war die kaufmännische Tätigkeit.“ 14 Mit der Erwerbung West Preußens kam eine große Zahl von
Juden unter preußische Herrschaft. „Ihre Verteilung über die Provinz war ganz
ungleichmäßig. Ermland hatte überhaupt keine Juden. Auch die Städte von
Polnisch-Preußen hatten sie bis auf eine Stadt - Schlochau - ferngehalten.
Dagegen saßen sie auf dem Land auf geistlichen,
starosteilichen und adligen Gründen, im Marienburgischen 124, in Kulm- Michelau
848, in Pomerellen 2629 Seelen. Hier hatte
sie die Gelegenheit des Handels besonders in die Nahe von Danzig
gezogen. Auf geistlichen Grund und Boden in Hoppenbruch und Stolzenberg und in
der adligen Ortschaft Langfuhr fanden sich allein 1250 Seelen, ein Drittel
aller Juden in Polnisch-Preußen, wo im Dezember 1772 eine jüdische Bevölkerung
von 3600 Köpfen gezählt worden war.
Anders lagen die Verhältnisse im Netzebezirk. Etwa 9/10
aller Juden saßen in den Städten. Kam in Polnisch-Preußen, das Ermland nicht
gerechnet, auf 88 Menschen ein Jude, so im Bezirk an der Netze schon einer auf
16 Einwohner, dort 1%, hier über 6% jüdischer Einschlag mit gegen 11 000 Seelen
zur Zeit der Besitznahme. In vielen Städten machten die Juden ein Viertel und
ein Drittel, in Flatow und Inowrazlaw über die Hälfte aller Einwohner aus.“ 15
Friedrich der Große übertrug die im Generalprivileg von 1750
enthaltenen Grundsätze auf die neuerworbene Provinz. Nur die vermögenden und
handeltreibenden Juden sollten mit Schutzbriefen versehen werden. Wobei
zunächst daran gedacht war, daß der Nachweis eines Vermögens von 1000 Tälern
die Voraussetzung für die Erteilung eines Schutzbriefes sein sollte.
Die bereits erwähnten vor den Toren Danzigs, das bei der
ersten polnischen Teilung nicht unter preußisch! Herrschaft gelangt war,
gelegenen Gemeinden Schottland, Stolzenberg und Langfuhr erhielten bald ein entsprechendes Privileg,
war der König doch daran interessiert, dem Danziger Handel Abbruch zu tun. Auch
sollten die Juden vom Lande in die
kleinen Städte längs der Netze zur Betreibung des Handels mit Polen gewiesen
werden. Sämtliche arme Juden aber sollten „sucsessive und ohne Ungestüm“ aus dem
Lande gebracht werden. Den geduldeten aber blieb streng untersagt, wie in der
polnischen Zeit ein zunftmäßiges Handwerk zu treiben. Auch durften sie nur
bei christlichen Schlachtern zu eignem Verbrauch schlachten lassen; der Handel
mit roher Wolle und Garn oder mit Häuten und Leder war ohne besondere Erlaubnis
nicht möglich.
Am 1. März 1773 wurde die scharf gehaltene Bekanntmachung
des Generaldirektoriums veröffentlicht, daß bis zum 1. Mai alle Juden, die
weniger als 1000 Tlr Vermögen besaßen, Westpreußen zu verlassen hatten. Dieser
Befehl schloss den Netzebezirk mit ein. Hier „aber lagen die Verhältnisse ganz
anders als in Polnisch- Preußen. So zahlreich saßen hier die Juden, sosehr
beherrschten sie Handel und Handwerk und so wenige hatten das zur Ansetzung als Schutzjuden erforderliche Vermögen, dass die
plötzliche Vertreibung der Übrigen geradezu eine Entvölkerung der Städte, eine
Lähmung von Handel und Verkehr, eine Schädigung vieler Grundherrschaften
herbeigeführt haben würde. Noch eins kam dazu: Die Synagogengemeinden im
Netzebezirk hatten über 60 000 Taler Schulden. Eine plötzliche Vertreibung
musste die Gläubiger notwendig um ihr Geld bringen.“ 16
Nach Regelung des jüdischen Schuldenwesens in den Gebieten
außerhalb des Netzedistrikts und in Folge der Anwendung der Bestimmungen des
Generalprivilegs setzte eine starke Auswanderung ein. Die geduldeten Juden
siedelten sich in den Städten an, wofür eine Kabinettsordre vom 2. Mai 1773 die
rechtliche Grundlage geschaffen hatte, denn nach bisherigem Recht waren die
Städte nicht zu ihrer Aufnahme verpflichtet. Die Zahl der geduldeten Juden war
jedoch - mit Ausnahme der Danziger Vorstädte - nicht erheblich.
„1774 waren es 39 Schutzjuden mit 304 Köpfen, die in den
Städten Christburg, Berent, Stargard, Neuenburg, Mewe, Schöneck, Hammersteins Schwetz, Landeck,
Schlochau, Gollub, Lobau und Strasburg angesetzt wurden. Im folgenden Jahr
betrug die Zahl der geduldeten Juden in ganz Westpreußen ausschließlich des
Netzebezirks 1479 Seelen, davon in den Danziger Vorstädten 823 Köpfe.“ 17
Was den Netzedistrikt anbelangte, so leistete die
Beamtenschaft gegenüber den Ausweisungsbefehlen des Königs hinhaltenden
Widerstand. Mit immer neuen Eingaben und Vorschlägen suchten sie die
Fortschaffung zumindest hinauszuzögern, denn, so bemerkte der Kammerpräsident
Domhardt : „Seine Majestät haben bisher dero Regierung durch Duldung aller
Religionen denkwürdig gemacht, eine plötzliche Vertreibung würde aber nicht nur
dem allgemeinen Gefühl der Menschlichkeit, sondern auch jenen erhabenen
Gesinnungen widersprechen“.
Nach Brenckenhoffs Angaben lebten 1774 diesseits der Netze
auf dem Lande 272 Familien mit 1066 Seelen und in den Städten, einschließlich
der drei jenseitigen Städte Czarnikau, Filehne und Usch - hier wollte der
König, so hatte er es mündlich geäußert, von einer Ausweisung absehen, um die
Fabrikwaren nach Polen zu vertreiben - 1755 Familien mit 6406 Seelen, zusammen
7472 jüdische Einwohner. „Die Mehrzahl dieser städtischen Juden waren
Handwerker und fast ebensoviel Händler, im übrigen über 100 Rabbiner Kultus- und
Schulbediente, einige Brennereipächter, Schankwirte, Tabakverteiler,
Salzseller, Musikanten und Feldscherer.“18
Die Gemeinden beanspruchten weit über den Bedarf öffentliche Bediente, um so
Glaubensbrüder, die kein Schutzprivileg
hatten erwerben können, vor der Ausweisung zu bewahren. Die Judenschaft in
Czarnikau, von der sich zwölf zum ordentlichen und vierundzwanzig zum
außerordentlichen Schutz eigneten, beanspruchte 1779 etwa 50 Kultusbedienstete
und begründete die Zahl mit der häufigen Anwesenheit russischer und polnischer
Juden. Es wurde ihr aber dann nur 15 zugebilligt. Flatow dagegen wurden neben
dem Rabbiner 18 Schulmeister zugestanden.
Im Juni 1780 bereiste der König die Provinz, er erklärte dem
Bromberger Kammerdirektor gegenüber, wenn von den vielen Juden 2000 blieben, so
sei das genug für den Netzebezirk, um mit Polen Handel zu treiben.
Trotz der toleranten Haltung der Behörden war ein
erheblicher Teil der Juden, man schätzt, daß in den Jahren von 1774 bis 1785
6000 von ihnen ausgewiesen wurden, gezwungen
Preußen zu verlassen.
Jedoch
ist den Zahlen gegenüber ein gewisser Vorbehalt angebracht, denn August Carl
Holsche bemerkt dazu:
„Denn
die Judenzahl wird nur auf 8154 angegeben, statt davon gewiß über 20.000 in der
Provinz wohnen, weil nur die Judenfamilien in Anschlag kommen, so Conzession
haben. Dies sind aber die wenigsten, denn die meisten Städte sind voll von
Juden, und es wohnen oft drey bis vier Familien in einem Hause. Die
unvergleiteten Juden werden bisweilen weggejagt, und es müssen aus einer Stadt
auf einig hundert auswandern, den anderen Tag sind sie alle wieder da, und dann
haben sie so lange Ruhe, bis der Steuerrath einmal wieder eine Musterung
vornimmt. Die meisten laufen als dann in ihren Gewerben auf dem Lande herum,
und es ist mit Zuverlässigkeit ihre Zahl
nicht auszumitteln.“19
August Holsche, Der Netzedistrikt. Ein Beytrag zur Länder-
und Völkerkunde mit statistischen Nachrichten,
Königsberg
1793, S.60f
Herkunft
und Kindheit (1736-1837)
'Ich bin am 12. September 1819 von jüdischen Eltern in
Guhrau geboren; mein Vater war daselbst Kaufmann, er lebt gegenwärtig in
Berlin, meine Mutter starb am 14. Oktober 1831', schreibt Ludwig Herzfeld im
Juli 1845 aus Glogau nach Berlin. Die im einleitenden Satz seines Lebenslaufes
angeführten Fakten lassen wesentlich Fragen seiner Herkunft unbeantwortet. Nach
jüdischer Auffassung gilt nur der als Jude, der von einer jüdischen Mutter
stammt. Aber nicht nur aus diesem Grund wollen wir uns zunächst mit der
Herkunft von Ludwig Herzfelds Mutter beschäftigen, sondern auch deshalb, weil
sich der weibliche Teil der Familie historisch besser zurückverfolgen lässt.
Den Namen seiner Mutter nennt er in dem erwähnten
Schriftstück nicht, auch in seiner
Todesurkunde aus dem Jahre 1911 steht in der entsprechenden Rubrik
'unbekannt', aus anderen Quellen erfahren wir, daß sie Liebchen Herzfeld,
Liebchen Munk oder Louise Schlochow hieß.
Bei der am 14. Oktober 1831 Verstorbenen handelt es sich mit Sicherheit
um Louise Schlochow und mit großer Wahrscheinlichkeit um die Stiefmutter und
nicht um die Mutter von Ludwig Herzfeld. 'Schlochow' dürfte für den
Herkunftsort gleichen Namens stehen, über ihn hinaus wird uns der Weg nach
Flatow und Gollub führen, Städten, die gleichfalls in Westpreußen liegen, wo
sich die Spuren der Herzfeld-Vorfahren verlieren.
Schlochau
Werfen wir zunächst einen Blick auf die Stadt Schlochau, dem
westpreußischen Gemeinwesen, das in vielfältiger Beziehung zu den Trägern des
Namens 'Herzfeld' stand.
Juden hatten sich in Schlochow erst seit dem Thorner Frieden
(1466) ansiedeln können, denn zuvor war ihnen der Aufenthalt in Ordenspreußen
verboten gewesen. Da die anderen Städte ihnen weiter die Tore verschlossen,
stieg die Einwohnerzahl Schlochows beachtlich an.
Hier bauten sie eine Synagoge, die im 19. Jahrhundert das
älteste Gebäude der Stadt war, legten die Straßenzeile 'Unter den Linden' und
den Marktplatz an, der 'Judenmarkt' genannt wurde. Neben der Synagoge, die
zugleich als Schule diente, erstand ein Koscherhäuschen für die vorgeschriebenen
Schlachtungen. 'Nach und nach breiteten sie sich über das ihnen zugewiesene Viertel aus. Die Lustration von 1748
erwähnt 6 Radziwill'sche Häuser in der Stadt, die an 17 jüdische Familien
vermietet waren, ferner 20 1/2 sog. Judenhäuser, deren Besitzer mit doppeltem
Grundzins zur Kommunalkasse veranlagt waren. Ein beigefügtes Verzeichnis der
Mieter nennt z.B.: Jacob Salomon, Lewin Jacob, Joachim Isaac, Arend Judas u.a.’
1
Die Synagogengemeinde Schlochow war äußerst orthodox bis
weit ins 19. Jahrhundert hinein wie wir aus zeitgenössischen Berichten
entnehmen können. 'Die hiesige jüdische Gemeinde läßt ihre Leichen', so stellt
die Sanitätskommission am 17. September 1837 fest, 'Ganz offen und kaum mit
einem Leichentuche bedeckt zu Grabe tragen. Hierbei liegen die Leichen auf
einem Brette, das mit Stricken auf ein paar rohe Baumstämme befestigt wird,
welche zugleich als Tragbahre dienen müssen. Ein jeder, dem ein solcher
Leichenzug begegnet, muß notwendig von
Schauder ergriffen werden, wenn er sieht, wie die menschliche Hülle gehandhabt
wird.' 2
In einem Bericht der Regierung aus dem Jahre 1843 heißt es:
'Der jüdische Gottesdienst wird noch nicht in deutscher Sprache gehalten,
Sitten und Gebräuche, sowie die Tracht der Kultusbeamten sind noch ganz
jüdisch.' 3
Diese orthodoxe Tradition hatte jedoch bereits im letzten
Drittel des 18. Jahrhunderts Mitglieder der
Gemeinde nicht gehindert, in Berlin sich dem Gedanken Moses Mendelssohns
und damit der Aufklärung zu öffnen.
Im Jahre 1783 verließ Abraham Casper (geb. 1.11.1756)
Schlochau. Sein Vater Casper Levin gehörte zu den alteingesessenen Familien der
Stadt; er war verschwägert mit Jacob Salomon, der zugleich sein
Geschäftsinhaber war, und im Jahre 1848 zu den Besitzern eines der Radziwill'schen Häuser gezählt wird.
Abraham ließ sich in Berlin als Tuch- und Seidenhändler
nieder. Hier nach seiner Vaterstadt (Schlochau) Schlochoff genannt, heiratete
am 1. Januar 1784 Ella, die Tochter des Abraham Brock. Die Ehe war jedoch nur
von kurzer Dauer, denn die Frau starb bereits am 23. Februar 1788 - erst 24
Jahre alt - im Wochenbett. Noch im selben Jahr (am 3. Dezember 1788) heiratete
Abraham erneut, diesmal Recha, die Tochter
eines 'Jacob Herzfeld', über den wir bereits weiter oben erwähnt
haben. Aus dieser Ehe ist zumindest ein
Kind, die Tochter Henriette Louise, nachweisbar. Am 13. Januar 1804 ließ sie
sich in der Jerusalemer Kirche taufen, zusammen mit ihren Eltern, die sich nun
Carl Abraham und Ernestine Wilhelmine Caspary nannten.
JACOB HERZFELD aus
Heidingsfeld, gest. am 5.11.1794 in Berlin
Er heiratete am 23.
Februar 1753 in Berlin Hendel Bendix; Vermutlich nach dem Großvater seiner
Frau, Wolff Veitel Meyer, nannte er
sich auch Jacob Behrend Wulff.
Sein ältester Sohn,
Salmann, wurde am 13. März 1754 in Berlin geboren. Vor den anrückenden
russischen Truppen flüchtete die Familie während des Siebenjährigen Krieges
nach Harzgerode, dort kam ein weiterer Sohn, Jeremias Jacob, am 3. Februar 1759
zur Welt. Einige Zeit muss Jacob sich allein oder mit der Familie in Amsterdam
aufgehalten haben. Zumindest der Sohn Jer. Jac. hat auch zeitweilig in
Offenbach gelebt, denn in den Göttinger Universitätsmatrikeln wird Dr. Jer.
Jac. Wolff als "Offenbaciensis" bezeichnet. Jeremias Jacob hatte sich
am 8. März 1780 in Göttingen zum Dr. med. promoviert und erhielt im Jahre 1782
in Berlin seine Approbation. Schließlich avancierte Jeremias Jacob 1803 als
Nachfolger von Markus Herz zum Chefarzt des Jüdischen Krankenhauses; später
wurde ihm der Titel eines Geheimen Hofrats verliehen. Er ist auf dem jüdischen
Friedhof an der Schönhauser Allee in Berlin beerdigt.
Aus den Brautbriefen
des Moses Mendelssohn an Frumet wissen wir, daß Jacob Herzfeld zahlreiche
Geschäftsreisen tätigte. So hielt er sich im Juli 1761 in Hamburg und Schwerin
auf.
"Wenn R. Jaakauw Herzfeld noch schom (dort) ist",
schreibt Moses Mendelssohn an seine Braut, "so empfehlen Sie mich diesem
guten Freunde. Ich habe ihm unsere Verbindung nach l' Schwerin (nach Schwerin)
gemeldet, nämlich in einem Schreiben an R. Reföel, worauf aber ad heno kein t'
schuwo (bisher keine Antwort) erfolgt. Ich weis, daß dieser R. Jaakauw mein
Freund und auch der Ihrige ist, und bin stolz darauf, denn er ist ein braver
Mann." (Berlin, 7. Juli 1761)
Anfang September 1761
wurde Jacob in Berlin zurück erwartet. "R. Jaakauw Herzfeld soll heute
oder morgen im jirze ha-Schem kaan (so Gott will) hier seyn. Wie freut es mich
diesen braven Mann und guten Freund von meiner Gugenheim zu sprechen. Wenn Sie
ihm Briefe schicken, so werden Sie wohl eine Auswahl zu treffen nit
vergessen." (Berlin, 1. September 1761). Jacobs Rückkehr verzögerte sich
jedoch. "R. Jaakauw Herzfeld ist wider vermuten nit l' chaap, sondern nach
Schwerin gereist. Ich glaube also, daß Sie ihn ehr sprechen werden, als ich,
den braven Mann." (Berlin, 13. September 1761)
Zu Beginn des Jahres
1762 besuchte Jacob seine Heimat Würzburg, aber er hatte auch in Leipzig zu
tun. "Liebste Fromet Ich habe k' ha-jaum Schreiben me - R. Jaakauw
Herzfeld erhalten, welcher achschow b' (jetzt in) Leipzig ist. Derselbe bittet
mich Ihnen und den Ihrigen sein Compliment zu machen. Als er noch in Würzburg
war, habe ich an ihn geschrieben, und ihm recommandirt, seine Commissionen b' -
Hamburg al j'de owiho chommi ha-m' juod sche-jichje (durch Ihren Vater, meinen
Vorbestimmten Schwiegervater, er bleibe am Leben) bestellen zu lassen. Er
versichert mich, daß er seit einem halben Jahr nit 10 / M (wahrscheinlich Mille
= Tausender) Mark in Hamburg verkehrt, versprecht aber, so bald sich Gelegenheit
dazu bietet, mit Vergnügen zu willfahren. Wir wollen doch sehen, ob er Wort
halten wird." (Berlin, 2. Januar 1762)
Im März desselben
Jahres schreibt Moses Mendelssohn seiner Schwester Brendel: "R. Jaakauw
Herzfeld und seine Leute sind l'chaan zurückgekommen, wollen Sie nit bald
folgen?" 5
Fromet, sie ist jetzt
gut ein Jahrzehnt mit Moses Mendelssohn verheiratet, bestellt in einem Brief
(Berlin, 22. Juli 1774) auch einer Madame Wessely Grüße. Bei Madame Wessely
handelt es sich um Ranel bzw. Reinche, einer Schwester Jacob Herzfelds, die
1737 in Heidingsfeld geboren wurde. Sie hatte am 25. August 1765 in Berlin Aron
Behrend Wessely (geb. ca. 1740 in Kopenhagen, gest. 13.5.1812 in Berlin), einen
Bruder des berühmten Naphtali Wessely, geheiratet. Im Jahre 1774 erhielt er die
Konzession zur Weiterführung der Samt- und Seidenfabrik des Moses Riess.
Ein Sohn von Aron W.
und Reinche Herzfeld war Bernhard Wessely, geb. 15. August 1766 in Berlin.
Wohl das reifste philosophische Werk Moses Mendelssohns bilden die ‘Morgenstunden oder Vorlesungen über das Dasein Gottes' aus dem Jahre 1785, die vor allem für seinen Sohn Joseph gedacht waren, unter den wenigen Zuhörern befand sich auch Karl Bernhard Wessely. "Ich entschloß mich", so schreibt Moses Mendelssohn, "die wenigen Stunden des Tages, in welchen ich noch heiter zu sein pflegte, die Morgenstunden, ihm zu diesem Behufe zu widmen, und hatte das Vergnügen, daß mein Schwiegersohn S. und auch W. Karl Bernhard Wessely -W.H.), der Sohn einer Familie, mit der ich seit vielen Jahren in freundschaftlicher Verbindung stehe, an unseren Bemühungen Teil nehmen wollten. Diese drei Jünglinge von schätzbaren Geistesgaben und noch besseren Herzen, besuchten mich in den Morgenstunden; wir unterredeten uns von den Wahrheiten der natürlichen Religion, und wenn ich dazu angelegt war, hielt ich ihnen zusammenhängende Vorlesungen über einen und den anderen Punkt aus derselben, aber wie leicht zu erachten, ohne allen Schulzwang. Sie hatten die Freiheit mich zu unterbrechen, Einwürfe vorzubringen, sie unter sich zu beantworten, und ich brach zuweilen meinen Diskurs ab, um sie unter sich streiten zu lassen". 6
Im Erscheinungsjahr
der 'Morgenstunden' starb Moses Mendelssohn. Die Trauerkantate Ramlers vertonte
Karl
Bernhard Wessely.
Ein Schauer drang
durch meine Seele,
Als ich des Volkes
Trauer sah.
Von Sonnenaufgang bis
zum Sonnenuntergang
Sah ich der Wechsler
Tische leer,
Der Krämer Haus
verschlossen,
Des Handels Lauf
gehemmt.
Man trauerte um den
Redlichsten in Israel
Als um den Obersten
im Volk,
Als um den Ältesten
des Landes.
Karl Bernhard war
später Kapellmeister des Prinzen Heinrich von Preußen, des Bruders Friedrich
des Großen, in Rheinsberg, nach dessen Tode bekleidete er Beamtenstellen
zunächst in Berlin, dann in Potsdam. Dort wirkte er für die Belebung des
Musiklebens, war als Komponist und Musikschriftsteller tätig. Er starb am 11.
Juli 1826 in Potsdam. 7
In dieser Kirche sollten 34 Jahre später die Söhne eines
andern Jacob Herzfeld, Ludwig und sein älterer Bruder Karl, denselben Schritt
vollziehen.
Aber nicht nur die Übereinstimmung der örtlichen
Gegebenheiten, sondern auch die der Namen
ist verblüffend. Im ersten Fall handelt es sich um die Tochter eines
Jacob Herzfeld, die mit einem Abraham Schlochau verheiratet ist, ein Kind aus
dieser Ehe heißt Henriette Louise. Im zweiten Fall um die Söhne eines Jacob
Herzfeld, der in zweiter Ehe Louise, die Tochter eines Abraham Schlochow, zur
Frau hat.
Trotzdem spricht etliches gegen die Annahme einer Identität
von Abraham Schlochau (Schlochoff) einerseits und von Henriette Louise mit
Louise andererseits: Einmal der Name 'Caspary', die jüdische Verwandtschaft in
Westpreußen nimmt 1812 diesen Namen ebenfalls an, dann das unterschiedliche
soziale Umfeld und die geographische Entfernung zum schlesischen Guhrau, dicht
an der Grenze zu Posen. Wir werden noch auf eine Schlochow-Familie zu sprechen
kommen, die am Ende des 18. Jahrhunderts in Schlichtingsheim, das nur unweit
von Zapplau und Guhrau gelegen ist, wo spätestens seit 1812 Ludwig Herzfelds Vater Jacob und dessen
Bruder Mendel, der mit Philippine, Tochter des Abraham Schlochoff,
verheiratet war, ihren Wohnsitz haben,
ansässig ist.
Aber zurück zur Familie
Caspary. Ein Bruder des Abraham, Moses (geb. 30. April 1770 in
Schlochau), seit 1784 in Berlin als Farbwarenhändler tätig, heiratete dort am
11. Februar 1802 Güttel (geb. 15. Februar 1782 in Potsdam, Tochter Zipporas,
der Frau des Bendix Ruben Golschmidt. 8 Der Bruder Güttels, Ruben Goldschmidt, war mit Schönchen
Herzfeld 9
, der Tochter des Jacob Koppel David Herzfeld (Heizfeld) 10 verehelicht.
Dieser Herzfeld war in Amsterdam ansässig und ist anscheinend vor 1789
gestorben. Sein Bruder Samuel David Herzfeld11 leitete in
Berlin das Beth hamidrasch.
Aus der Goldschmidtfamilie stammt auch 'Jettchen Gebert' (=
Johanne Goldschmidt), die die Hauptfigur des gleichnamigen Romans von Georg
Hermann 12,
der mütterlicherseits mit den Josephsons, Ludwig Herzfelds ältere Schwester
Bertha heiratete am 28. Juli 1844 in Berlin Joseph Josephson, 13 verwandt war. Da Georg Hermann seine
Romanfiguren nachweislich aus dem Kreise der Verwandten und Bekannten nahm,
scheint auch sein Roman ‘Dr. Herzfeld' nicht nur fiktiven Ursprungs zu sein.
Nachkommen des Jacob Koppel David Herzfeld dürften auch die im Rheinland
beheimateten Träger dieses Namens sein, was nicht nur aufgrund der räumlichen
Nähe zu Holland, sondern auch durch die Verbindung zu den Goldschmidts
wahrscheinlich scheint. 14
Ein anderer Bruder des Abraham und des Moses Caspary war
Baruch, der am 31. März 1791 in Berlin Jente, die Tochter des Ephraim Spandau
heiratete. Das Paar siedelte später nach Konitz, einer Nachbargemeinde
Schlochaus, über. 15
In der ' Tabelle von den Juden Häusern in der Provinz West
Preußen pro 1799' 16 wird Baruch als Besitzer des Hauses seines inzwischen
verstorbenen Vaters Casper Levin in Schlochau aufgeführt.
Wir hatten bereits oben auf den Zusammenhang zwischen den
Familien Herzfeld und Munk mit dem Ort Schlochau bzw. Personen, die diesen
Namen tragen, hingewiesen.
Mendel Herzfeld, der ältere Bruder des Jacob Herzfeld, war
mit Philippine, Tochter eines Abraham Schlochau oder Schlochow, verheiratet.
Jacob, der Vater des Ludwig Herzfeld, hatte eine Louise Schlochow (in zweiter
Ehe) zur Frau. Nach Angaben von Mitgliedern der Familie Herzfeld, die auf
Informationen des Reichssippenamtes beruhen, trug eine der Frauen Jacobs den
Namen Munk. In Schlichtingsheim, das nicht weit entfernt von Zapplau und Guhrau
(Schlesien), wo Jacob und Mendel über Jahre wohnten und tätig waren, liegt,
lebte - wie aus der Posener Staatsbürgerliste zu entnehmen ist - eine Familie
Schlochow (Munk) 17 . Es ist wohl dieselbe Familie von der Brilling, dessen
Forschungsschwerpunkt das schlesische Landjudentum war, schreibt: 'So
versuchten noch 1812 einige Juden aus dem damals zur Provinz Posen gehörenden
Schlichtingsheim (Saul Hirschstein, Pincus Abraham Munk, später Schlochow
genannt, Fabian Runkel und Abraham Leopold Sachs), sich in Hundsfeld
niederzulassen und dadurch das preußische Staatsbürgerrecht zu erwerben.' 18 Wie wir aus
dem Namen des Pincus schließen können, hieß sein Vater Abraham. In Breslau
wohnte zu dieser Zeit ein Abraham Munk 19 , möglicherweise der Vater, denn Hundsfeld lag vor den
Toren Breslaus. Im Jahre 1819 finden wir in der Gemeinde Münsterberg einen
Adolf Schlochow als Kultusbeamten; sollte der Name Adolf für Abraham stehen,
könnte er mit dem vorgenannten Abraham Munk identisch sein.
Die Familie Munk stammt ursprünglich aus Prag, ist dann in
Wien und später in Glogau nachweisbar. Aus ihr gingen viele namhafte Rabbiner
und Gelehrte hervor.
In der 'Designation derer im Glogauischen Kammerdepartement
in denen accisbaren Städten und auf dem Lande befindlichen Judenfamilien' vom
April 1751 war ein Salomon Joachim Muncke, ein Seelig Muncke, ein Wolff Muncke, ein Hirschel Munck und als
Kultusbeamter der Glogauer jüdischen
Gemeinde ein Pincus Munck zu finden. 20 Dieser Pincus Munk könnte sich in das westpreußische
Schlochau begeben haben, so daß seine Nachkommen sich später nach diesem Ort
benannten. Der Name Pincus deutet auf eine verwandtschaftliche Beziehung zu
Pincus Abraham hin, vielleicht war letzterer ein Enkel.
Bedenken wir weiter, daß es in dem kleinen Schlichtingsheim
nur eine Familie Schlochow (Munk)21 gegeben haben dürfte, so können wir annehmen, daß es sich
bei Pincus Abraham um einen Bruder von Philippine und Louise handelte. Die
verwandtschaftlichen Beziehungen stellen sich dann wie folgt dar:
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Pincus Munk (Kultusbeamter
in Glogau um 1751)
Abraham Munk (1812 in Breslau)
od. Adolf Schlochow
(1819 Kultus-
beamter in Münsterberg), u.U.
sind beide identisch
Pincus
Abraham Philippine Täubchen Louise Salomon
Munk
(Schlochow) To. des Munk Schlochow Schlochow (Munk)
Destillateur Abraham Schlochau V.
Abraham Schlochi
aus
Schlich- 1830
u.1834 in
tingsheim verh.1805 mit
geb.24.10.1788 2. Frau
von Schlichtingsheim
1812
Hundsfeld Mendel Herz- in Schlichtings- Jacob Herzfeld 1835 in Guhrau
1841
Gemeinde- feld heim, seit 1802 nachweisbar
vorsteher in
Glogau gest.
1852 in Guhrau
Es lässt
sich belegen, dass ein Mor. Schlaumo Salman, Sohn des Abraham Schlochi am
16. Elul 5612 in Guhrau
gestorben ist; erwurde auf dem Friedhof in Schlichtingsheim begraben. Es könnte sich dabei um den Munk
Schlochow handeln, der am 26. Mai 1835 nach Guhrau gegangen war; der ist
vermtl. mit dem oben genannten Salomon identisch.
Weiter ist
aus dem „Verzeichnis der Grabsteine des jüdischen Friedhofs zu
Schlichtingsheim. Krs. Fraustadt zu entnehmen, dass dort Reine , Tochter des
Schlaumo b. R. Elkana Munk aus Glogau dort am E.R.Ch.Kislev 5574 gestorben ist;
ihr Mann war Kasriel Munk. Zur Familie gehörte vermutlich auch der an der
jüdischen Elementarschule zu Fraustadt in der Zeit von 1810 bis 1828 tätige
Lehrer Munck Leib Abraham (geb. 1775).
.
Aber
es bestehen noch weitere Beziehungen zwischen 'Schlochau' und 'Munk'. In der
Glogauer Staatsbürgerliste von 1812 sind eine Familie Schlochauer und eine Familie Munk hintereinander aufgeführt.
So finden wir Sara Schlochauer geb. Munk oder Muncken (geb.
12. Juli 1788, gest. 25. Jan. 1869 in Berlin - sie liegt auf dem Friedhof
Schönhauser Allee). Aus ihrer Ehe mit Nahum Cohn Schlochauer (geb. 12. Okt.
1772; die Eheschließung erfolgte am 25. Dez. 1798) stammten die Kinder Hanne
(geb. 13.10.1808), Bella (geb. 3.8.1810) sowie der Sohn Valentin, der am 31.
Aug. 1812 wie auch seine Schwestern in Glogau zur Welt kam. Valentin wurde am
28. Juli 1844 in Berlin mit Friederike (geb. 1. Dez. 1825 in Glogau, gest. 16.
Dez. 1894 in Berlin), Tochter des Salomon Friedländer vom Rabbinatsassessor Oettinger
getraut, der am selben Tag die Ehe zwischen Joseph Josephson und Bertha
Herzfeld, der Tochter des Jacob Herzfeld und der Schwester des Ludwig, schloss.
22
Der Name Nahum Cohn
Schlochauers verweist uns erneut auf die westpreußische Stadt, so ist es
auch nicht weiter verwunderlich, daß wir im Jahre 1812 einen Alexander Jacob
Kohn, einen Seelig (Salomon) Alexander Kohn und einen Ephraim Kohn finden. Bei
Salomon und Ephraim handelt es sich wohl um Brüder des Isaac Alexander Cohn,
der am 8. Mai 1768 in Gollub /Westp. geboren, seit 1790 in Glogau ansässig war.
Bemerkenswert ist der Geburtsort, kam doch in Gollub auch Jacob Herzfeld zur
Welt. Weiter finden wir 1812 in Glogau einen Hirschel Anschel Cohn, der mit
Sara Herzfeld (Heizfeld) verheiratet ist. 23
Flatow
Even if our suppositions regarding Louise
Schlochow's (mother of Alwine Herzfeld) origins are somewhat shaky, our
statements about Ludwig Herzfeld's mother, Liebchen, and step-mother, Bertha
Plato (mother of Louise Herzfeld), can be made confidently.
Bertha Plato's father, Liebmann Moses Plato (also written Platau or
Flatau), who lived in Glogau from the end of the 18th century, probably took
his surname from his town of origin Flatow. He was born in Flatow on 20th Jan
1773, probably the son of a Moses Liebmann. He was married in Glogau on the
27th November 1807 to Edel, born on 18th September 1782 in Lissa, the daughter
of Feibel (Philipp).
However, Ludwig Herzfeld's mother, Liebchen Herzfeld - according to the
Guhrau Magistrates' deeds, a born Herzfeld - also came from Flatow. The family
of her father, Lewin Hertz, who took the name Lewin Hertz Hertzfeldt in 1812,
appears to have belonged to an old established Jewish family in the town.
Flatow (Zlotow in Polish) was variously called Vulutovum (1370),
Welatowo, Zlothane, Majus Zlothkowo in the middle of the 15th century, Slothowo
in 1419and it was named Flotho or Flatow in the 17th and 18th century. The name
Welatowo, which seems to have been the original one, recalls the old Slav tribe
the Wilzen, also called Weleten, from which the expression Wolotowki megalithic
graves comes. Possibly the earthwalls near the town gave rise to its name. As
Roman gold coins were found here, as elsewhere, the shift to the name Zlotowo
(Goldtown) can be explained. The town lies between three lakes, the Flatow, the
Bab- and the Burgmeisterlake, which is connected to the Teufelssee. In olden
days a castle stood here. At the beginning of the 17th century, the Potulckis
built a castle, from 1619 Johannes Potulicki ruled over the Flatow territory.
In 1647 it was Siegesmund Grudzinski and 1650 then Andreas Carl Grudzinski who
were nominated as rulers of the castle area. The oldest known town privilege,
from the year 1665, was issued by the latter. According to this privilege, the
town received German (Magdeburg) Law and 44 Hufen (340ha.) with the usual
bonuses were granted. The owner of the land had to pay basic interest every
year and deliver two hens, as well as carrying out manual work. The inhabitants
who owned no fields had to pay 12 gr for the place. Cloth, meat, baker and
merchant stall-holders had to pay 3 pfennig to the rulers. Each citizen had the
right to brew 8 bushels of barley of the standard Kalisch measure every year,
but had to give half a ton of each brew to the rulers.
In 1688 Flatow fell to the Dzialynski family. On 24 April 1715, the
family divided up an inheritance and neighbouring Krojanke remained tied up
together with Flatow.
Jews had already settled in the Kraina during the 16th century. The
Archbishop of Gnesen granted the Jewish community a special concession in 1690
and Jacob Dzialynski gave the Jewish community of Krojanke a privilege in 1712.
When Flatow received a second town privilege in 1736 from Augustin Dzialynski,
Starost of Nakel, a privilege for the synagogue community was included (cf.
copy).
After the first partition of Poland in 1772, the town fell under
Prussia. The Obrist of Mehling, formerly of Saxony, who had married a born von
Bojanowska, was an authorized representative of the Polish noble family, later
a leaseholder and administered the properties from 1772.
From a description printed in 1793:
"Flatow, an open place of 301 houses and 1052 inhabitants, lies
nine miles from Bromberg. Many clothworkers live here, as well as very many
Jews, who carry out vigorous trading activity. Based on calculated yields, the
lands are the biggest in the Netze district at the present time and previously
belonged to the Counts Dzialynski, who sold them to the rich Kriegsrat von
Fahrenheit in Königsberg for 100,000 ducats some years ago. Of the 301 houses
making up the town, 194 are occupied by Christian and 107 by Jewish families:
the number of Christians and of Jews is about equal."1
The appearance of the town was characterised by the half-timbered houses
built from wood or mud brick, covered with roofs of straw, thatch, tile or
boards. This building method, especially the use of wooden chimneys, favoured
the recurring outbreak and spread of fires. As the population was very poor, the
houses often could not be rebuilt after a fire: 'waste sites' were created, as
the unbuilt building areas were called. The Magistrate's reports to the state
authorities repeatedly drew attention to this ill: "The condition of the
houses is mostly very poor and needing repair, but due to lack of wood, repairs
are not undertaken: for this reason also the waste sites are not built
on." In 1789: "The houses are in very bad condition and there are 6
near to collapse!" 23 years later (1804), the mayor complained:
"There are still 144 waste sites which cannot be built on since building
materials are very expensive, the owners are without the means and have little
hope of receiving money to assist them to build." Even in 1832 there were
still 90 waste sites in Flatow. But it was not only for this reason that the
appearance of the town was impaired, Flatow still made an unclean impression
after the Prussian assumption of power. The roads were unpaved, rubbish was
simply emptied into the street. Pigs, geese and ducks populated the paths and
tracks. When the authorities asked mayor Kelch in 1778 how the town was
cleaned, he replied; "The cleaning of the streets is done by the peasants
carrying manure onto their fields every spring." In 1786 the Magistrate ordered
the 'executioner' (knacker) to catch all the pigs which were not driven into
the fields but churning up the roads, and to get a fee from the owners for
their return. On 7th October of the same year, the mayor and council wrote:
"It is and still remains a scandal for the local town of Flatow and its
synagogue that gutters and drains are not working or clean, with the result
that some people are shocked at the dirt, from which principally, Jews and in
other streets, merchants and traders buying ...." On the 26th November the
ruling owners of the land decreed: "there is so much dirt in the streets
that people get exasperated what sort of police order is maintained in the
town. In order to have better conditions and cleaner streets at all times in
future, a commendable magistrate will be requested to see to it that Christians
clean the streets and remove the dirt every Wednesday and Saturday, the Jews
likewise are to sweep up and gather the dirt into large piles every Monday and
Thursday and arrange for those with their own horses to carry it away." On
8th May 1803, War and Tax Councillor Schülke, to whom the town was answerable,
stayed in the town. He was appalled at the lack of cleanliness in the streets
and reprimanded the town: "that much rubbish and heaps of manure in front
of their doors are suffered by the inhabitants of the Stewnitzer Strasse."
Again on 14th September 1824, the regional council complained that it was
permitted for "pigs to permanently roam around in the streets and carry
dirt inside all the houses, soil them and stink them out with manure and
refuse, for dogs to be let free at night and disturb those sleeping or ill with
their barking."
There was a report regarding the Jewish inhabitants by War and Lands
Councillor Ladewig, who travelled through the Netze district towns from 9th
November 1772 to 6th January 1773: "The Jews inhabit 106 houses and come
to 929 people with tenants paying rent. They pay the landlord a house rate of 8
or 4 Tympfen, according to whether a family has its own house or pays rent, 800
Tympfen slaughter fee, 75 Tympfen for sheep otherwise delivered in nature and
200 Tympfen for tallow. The whole Jewish community pays these last three taxes,
whether strong or weak. They make a living from doings and dealings, also the
craftsmen."²
After 1772, Jews were registered and subject to the restrictive
legislation of the new rulers. The West Prussian magistrates had to first
submit accurate tables about the Jews. A distinction was drawn between
Protected Jews and their families, Public Servants and their families, private
servants, tolerated Jews, who had been tolerated in the region before Prussian
occupation and could demonstrate a certain level of assets, and foreigners -
especially Jews who had crept in as relatives. The successive deportation
ordered by Frederick II particularly extended to the latter category of Jews
who were undocumented (without letter of safe conduct). But also the tolerated
Jews had a difficult position in the new province of West Prussia after the
application of the Prussian General Jewish legislation of 1750. Their hitherto
accepted rights were curtailed. For example, on a complaint by the bakery in
Flatow in 1780, it was determined that in future only two Jews could bake, and
then only for Jews. In 1805 the concession to a Jew from Zempelburg for the
purchase of a Christian's house was denied.
House ownership was in any case so severely restricted until the
Emancipation Edict of 1812, that it was the exception for so many Jews as in
Flatow to be able to call their house their own - "Of the 301 houses
making up the town, 194 are occupied by Christian and 107 by Jewish families:
the number of Christians and of Jews is about equal.". As far as the
occupational structure is concerned, there were numerous clothmakers and very
many Jews who carried out vigorous trading activity to be found in the town.
From the 'Generaldesignatio von denen sämtlich vorhandenen Juden so wohl
in den Städten als auch auf dem platten Lande in dem District diesseits der
Netze' (General listing of Jews in towns and in country areas in the District
this side of the Netze river) of 1774, we can find amongst those many Jews with
the name Levin, a Hertz Levin, with half a house and 200 Talers to his name.
His assets were insufficient for him to qualify for a 'Protection letter' -
1000 Taler were necessary - but thanks also to the humane attitude of the high
Prussian officials, who did not strictly comply with Friedrich II's order to
remove poorer Jews from the country, he was at least tolerated. He was one of
the numerous Jews who carried out their trading activity out of town.
Given the abundance of children at that time, particularly among Jews,
there will have been brothers among the Levins. We can especially consider
Gabriel and also Leyser, Marcus (Mordechai) and Israel Levin as possibilities.
At this time Hertz Levin's household included only two people, probably
his wife and himself. In the General Table of 1791 he alone is entered under
the heading 'Abgelebten' (old people): maybe his wife had died in the meantime.
His son Levin Hertz is puzzlingly not recorded in this Table, although he is
recorded in the 1812 list as resident in Flatow for 31 years. He may have been
one of the Jews who carried out their business out of town.
If we look at the Jewish naming tradition (the new born child receives
the name of a dead relative or friend of the family), Levin Hertz would have
had the name of his grandfather Levin; if this was the case, we can presume
that the latter died before 1756. Twenty years later, some of his already adult
grandsons will have been head of a household. David Hertz, probably a brother
of Levin Hertz, may have been one too.
The marriage of Levin Hertz in 1781 (the name of the wife who may have
formed a household with him is unfortunately unknown) fell under the
jurisdiction of the new Prussian rule. You could only marry with the permission
of the authorities and the prospective bridegroom had to be at least 25 with
evidence of sufficient assets. (cf. copy of 1722 document). The marriage
contracts usual amongst Jews had to therefore be translated from Hebrew and
presented to the authorities in Bromberg.
From this marriage were born the sons Nachmann (*1783) and Feibusch
(*1785). Eight years later, Levin Hertz possibly married again and daughter
Esther was born, followed by son Markus (Mordechai) the following year.
As already mentioned, Levin Hertz did not stay in Flatow during this
time. Perhaps he was obeying the order of Graf Dzialynski, the previous owner
of Flatow, (he had sold the town some years before to the rich War Minister von
Fahrenheit of Königsberg for 100,000 Ducats) who had freshly settled 80 Jewish
families in Dobryzin on the Drewenz. The West Prussian town of Gollub on the
other bank of the river, where Jakob Herzfeld, father of Ludwig was born in
December 1789, suffered badly from the economic competition.
Following the General Jewish Legislation for South and new East Prussia
of 17 April 1797, which was issued after the final partition of Poland, Levin Hertz
was granted residency in Flatow. This may be another reason for his lengthy
intervening stay in Poland.
The family may have already been in Flatow in 1796 when Liebe, mother of
Ludwig Herzfeld, was born, followed two years later by her brother Leyser.
In Liebe's year of birth a terrible fire occurred in Flatow: 31 houses,
mostly belonging to Jews, were destroyed in the night from 29 to 30 July. Some
of the older inhabitants may have recalled the events of April 23rd 1743 with
horror, when "41 houses belonging to Christian farmers with smallholdings
burned down, together with all their farm produce, malt, cloth, wool,
equipment, stores in the cellar and alcohol; furthermore 27 barns and farm
buildings with corn, cattle and farm equipment; 112 Jewish houses including the
synagogue and excluding farm buildings burned down with all the contents - only
two Jewish houses remained standing and three were demolished." This event
led to a substantial emigration of the Jewish population at that time.
In 1800 the family of Levin Hertz was also hit, when the house of his
father Hertz Levin, who had presumably taken in relatives, burned down. The
half-timbered house with a thatched roof was quickly consumed by the flames.
Possibly looking to the forthcoming further marriage of Levin Hertz (the
bride's name was Bräunchen), rebuilding was quickly begun the next year (1801).
The honeymoon of the now 46 year old and his 10 years younger wife was
also accompanied by the heat of fire. During the night of 29th to 30th of
April, 26 houses burned down in Schwensten Straße. The damage caused by the
fire of October 1st was even greater: while a goose market was being held in
nearby Krojanke, fire broke out at widow Pincus Peiser's house in the
Jüdenstraße. It quickly spread in the strong south-west wind. It leapt over
into Kirchenstraße, destroyed houses near the Catholic church and several in
the main market place. People dragged still burning beams to other streets in
order to salvage them and thereby increased the fire danger. The fire had still
not been extinguished on October 5th, by which time 68 houses had been
destroyed. Due to these events, the lord of the manor banned the construction
of houses with thatched roofs and wooden chimneys. In spite of this, bad fires
occurred in subsequent years too. On August 8th 1803, whole streets were
reduced to ashes; altogether 246 houses went up in flames. Many inhabitants,
most of them Jews, turned their backs on the town.
One of them may have been Gabriel Levin, a possible brother of Hertz
Levin. Gabriel had lived in a small thatched house which was now a 'waste'
site.
His household had numbered 7 people in 1774. Five people are recorded in
the General Table of 1791: Gabriel Levin, his wife Rose and children Leib
(*1766), Midel (*1768) and Lea (*1771). In the list there is also a Meyer
Gabriel, to whom a grandchild named Meyer was born in 1771. Meyer Gabriel can
only have been a son of Gabriel Levin if the latter became a father and
grandfather in the same year (1771).
On the other hand there is strong support for Mendel (Menachem) Herzfeld
(married to Vogel, daughter of Meir and whose father was called Gabriel) being
a descendant of this Gabriel Levin. Mendel died on August 4th 1823 (7. Ab. 583)
and his wife seven years later on February 2nd 1830 (9. Schebat 590). Both of
them are buried in the Jewish cemetery in Lissa (Posen). One son of this Mendel
carried the name David Leib - if our assumption is right, he would have been
named after his uncle. The name David is also found among the relatives, if we
think of David Hertz, possibly a brother of Levin Hertz. In addition, the wife
of a David Herzfeld, Gnendel, who died on April 5th 1806, daughter of Salman
Mirel is also buried in Lissa cemetery.
The fires appear to have spared Levin Hertz's family this time but they
seem to have been affected by another blow of fate, the death of their father,
since he is no longer mentioned in the list of house owners in 1802 and his son
Levin Hertz is indicated in his place for the first time.
A son born of the union between Levin Hertz and Bräunchen, born on July
8th 1812, received the name of his grandfather, Hertz. We cannot say anything
about Bräunchen's origins, nor whether she had further children with Levin
Hertz, since we only know the names of those people who were recorded in the
lists of households of 1812.
We know just as little regarding the occupations of the family members.
There were probably traders and merchants among them, since up till 1792 there
was not a single Christian in these categories living in Flatow. A police
report of 1790 states: "Local trade consists mostly of non-foreign goods,
which local Jewish inhabitants of Frankfurt an der Oder bring in, but a minimal
amount remains here". Flatow traders mostly sold their goods in areas east
of the Vistula.
We know from the records of the Königsberg Sickness and Death
Association (Chewra) in 1785 that many West Prussian Jewish traders stayed
there. Most of the travelling traders appear to have belonged to the Flatow
district, since Flatow Jews founded a charity organisation on October 24th 1786
in Königsberg with 200 members.
So it is not surprising to find bearers of the name Gabriel in the West
Prussian Kulm-Michelau district in Rheden and Briesen. However, they do not
seem to have been descendants of Levin but of a Leyser who was also resident in
Flatow. In any case, the above mentioned Mendel Herzfeld will also have been
related to this family.
The economic foundation of Flatow was based on commerce as well as
trade. In 1813 there were twenty taverns, an inn with stables, four retail
traders and a pedlar. At the end of the eighteenth and beginning of the
nineteenth century, lace-making was a flourishing activity. Between 1792 and
1807 only Jewish men and women were occupied in this craft activity, working
for the Berlin firm Nathan & Borchert and the large Potsdam orphanage; we
can assume that Ester and Liebchen were involved in this activity. The
Napoleonic wars and defeat of 1806 brought an end to this cottage industry.
Following the Edict of Emancipation of March 23rd 1812, Levin Hertz
assumed the last name Hertzfeld in 1812. Apart from him, we can find nobody
else with the name in those parts of West Prussia which had not been taken by
the Grand Duchy of Warsaw.
Shortly afterwards, as mentioned, Bräunchen gave birth to a son at the
age of 47. In 1815, either in Flatow or Guhrau (Lower Silesia), Liebchen
married Jacob, the father of Ludwig Herzfeld.
At this time or shortly after, Levin Hertz Hertzfeld appears to have left
Flatow, since until the middle of the nineteenth century, no record of the name
Herzfeld can be found in any of the official births, marriages and deaths
documents. In the period 1812 to 1822 the population of Flatow decreased by
about a third: the emigration of the family seems to have been part of the
trend of the time
If Ludwig was named after his grandfather Levi, the latter must have
died before 1819.
References:
1)
Carl Holsche, Der Netzedistrikt. Ein Beytrag zur Länder- und Völkerkunde mit
statischen Nachrichten, Königsberg 1793, p.126ff.
2)
Geheimes Staatsarchiv Berlin. R7 B Nr. 55
Town
History notes: cf. F.W.F. Schmidt,
Der Kreis Flatow, Thorn 1867, pp.245ff; and Otto Goerke, Der Kreis Flatow,
Flatow 1918, pp.380ff.
Family
genealogical information taken from:
a)Akten
des Generalfiskals (Häuserlisten), Generaltabellen der ansässigen Judenfamilien
u.a., (House lists of resident Jewish families) covering the period 1790 to
1805.
b) Amtsblätter (Official notices) in which
new family names were published.
c)Microfilms of the Reichssippenamt (Reich
Family History Office). Two films refer to Flatow with about 1500 images.
d)The holdings of the GStA Berlin (Secret
Prussian state archives).
These were partly stored in Merseburg
during the war. Since German reunification they are once more in Berlin. In
addition to these vast archives, documents are also held in the Berlin Regional
Archive and in the Federal Archive Potsdam (e.g. the Reichssippenamt
microfilms, formerly held in Koblenz - printouts are held in the Jewish Museum
in Frankfurt/ Main).
(Translated Ronnie Richards)
Mögen wir mit unseren Vermutungen
über Louise Schlochows Herkunft auf etwas schwankenden Boden stehen, so haben wir bei der Aussage
über Ludwig Herzfelds Mutter Liebchen und die Stiefmutter Bertha Plato festen
Grund unter den Füßen.
Der Vater
der letzteren, Liebmann Moses Plato,
es findet sich auch die Schreibweise Platau oder Flatau, seit Ende des 18.
Jahrhunderts in Glogau ansässig, hatte sich wohl nach seinem Herkunftsort Flatow
genannt. Dort war er am 20. Januar 1773, vermutlich als Sohn des Moses
Liebmann, geboren worden. In Glogau heiratete er am 27. November 1807 Edel, die
Tochter des Feibel (Philipp), die am 18. September 1782 in Lissa zur Welt
gekommen war.
Aber auch Ludwig Herzfelds Mutter Liebchen, wie aus den Guhrauer Magistratsakten zu
entnehmen eine geborene Herzfeld, stammte ebenfalls aus Flatow. Die Familie
ihres Vaters Lewin Hertz, der im Jahre 1812 den Namen Lewin Hertz Hertzfeldt
annahm, scheint zu den alteingesessenen
jüdischen Familien der Stadt gehört zu haben.
Flatow,
polnisch Zotowo (1370 Vulutovum, Welatowo, Zlothane, in der Mitte des 15.
Jahrhunderts Majus Zlothkowo, 14191 Slothowo) wurde im 17. und 18. Jahrhundert
Flotho oder Flatow genannt. Der Name Welatowo, welcher der ursprüngliche zu
sein scheint, erinnert an die alten Wilzen, die auch Weleten heißen, und von
denen der Ausdruck wolotowki Riesen- oder Hünengräber herrührt. Vermutlich
haben die Erdwälle, die sich in der Nähe der Stadt befinden, die Veranlassung
zu diesem Namen gegeben. Da hier wie anderwärts in solchen Erdhügeln römische
Goldmünzen gefunden wurden, erklärt sich auch die Verschiebung zu dem Namen
Zlotowo d.i. Goldau.
Die Stadt liegt
zwischen drei Seen, dem Flatower See, dem Bab-See und dem Burgmeister-See, der
mit dem Teufels-See zusammenhängt. In alten Zeiten stand hier eine Burg. Zu
Beginn des 17. Jahrhunderts bauten die Potulicki ein Schloß, denn seit 1619 war
Johannes Potulicki Besitzer der Herrschaft Flatow. 1647 wurde Siegesmund
Grudzinski und 1650 Andreas Carl Grudzinski als Eigentümer des Burgfleckens
genannt. Das älteste bekannte Stadtprivileg
aus dem Jahre 1665 wurde von dem letztgenannten ausgestellt. Nach dem
Privileg erhielt die Stadt Deutsches (Magdeburgisches) Recht, und es wurden ihr
44 Hufen mit den üblichen Zulagen bewilligt. Die Hufenbesitzer hatten dafür
alljährlich auf Martini Grundzins zu entrichten und zwei Hühner abzuliefern,
auch Handdienste zu leisten. Die Einwohner, die keinen Acker besaßen, sollten
für die Stelle 12 gr. zahlen. Von den Tuch-, Fleischer-, Bäcker- und
Kaufmannsbuden gingen an die Herrschaft der 3. Pfennig. Jeder Bürger hatte das
Recht, 8 Scheffel Gerste gewöhnliches Kalischer Maß jährlich zu verbrauen,
mußte aber von jedem Gebräue eine halbe Tonne an die Herrschaft geben.
1688 fiel Flatow an
die Familie Dzialynski. Am 24. April 1715 nahm die Familie eine Erbteilung vor,
das Flatow verbundene Krojanke blieb der Stadt im Erbkomplex verbunden.1
Juden hatten sich bereits im Verlauf des 16. Jahrhunderts in
der Kraina niedergelassen. Der Gnesener Erzbischof gewährte der jüdischen
Gemeinde bereits 1690 eine besondere Konzession und für die Judengemeinde von
Krojanke hatte Jacob Dzialynski 1712 ein Privileg eingeräumt. Als 1736 Flatow
durch Augustin Dzialynski, Starost von Nakel, das zweite Stadtprivileg erhielt,
war darin auch ein Privileg für die Synagogengemeinde enthalten.
Nach der ersten polnischen Teilung fiel das Landstädtchen an
Preußen. Als Bevollmächtigter der polnischen Adelsfamilie verwaltete nun ab
1772, später als Generalpächter, der ehemalige sächsische Obrist von Mehling,
der eine geborene von Bojanowska geheiratet hatte, die Güter.
Aus einem im Jahre 1793 gedruckten Bericht ist zu entnehmen:
„Flatow, ein offner Ort von 301 Häusern und 1052 Einwohnern,
neun Meilen von Bromberg entfernt gelegen. Hier wohnen viel Tuchmacher, und
sehr viele Juden, welchen starken Handel treiben. Die Herrschaft ist nach dem
Ertrag zu rechnen gegenwärtig die größte im Netzedistrikt, und gehörte sonst
dem Grafen Dzialinski, welcher sie vor einigen Jahren an den reichen Kriegsrat
von Fahrenheit in Königsberg für 100.000 Dukaten verkauft haben. Von 301
Häusern, woraus die Stadt bestehet, werden 194 von Christlichen und 107 von
Judenfamilien besessen und bewohnt, die Zahl der Christlichen und der Jüdischen
ist beinah gleich.“ 2
Das Stadtbild wurde durch die aus Holz- oder Lehmfachwerk
gebauten Häuser, die mit Stroh, Schilf, Schindeln oder Dielen überdacht waren,
geprägt. Diese Bauweise, insbesondere die hölzernen Schornsteine, begünstigte
immer wieder die Entstehung und Ausbreitung von Bränden. Da die Bevölkerung
sehr arm war, konnten häufig nach solch einem Brand die Häuser nicht wieder aufgebaut
werden; es entstanden 'wüste Plätze', so wurden die unbebauten Hofstätten
genannt. In den Berichten des Magistrats an die Staatsbehörden wurde immer
wieder auf diesen Übelstand hingewiesen. "Der Zustand der Häuser ist meist
schlecht und reparaturbedürftig, werden aber aus Mangel an Holz nicht
repariert: aus diesem Grunde werden auch die wüsten Stellen nicht bebaut."
Im Jahre 1781 heißt es: "Die Häuser sind sehr schlecht, und finden sich
hier 6, deren Einsturz sehr Nahe ist!” Noch 23 Jahre später (1804) klagte der
Bürgermeister: "Es sind noch 144 wüste Baustellen vorhanden, die deshalb
nicht bebaut werden können, weil die Baumaterialien hier in sehr hohem Preise,
die Eigentümer zum Teil unvermögend sind, und schlechte Hoffnung haben
Bauhilfsgelder zu erhalten."
Sogar im Jahre 1832
gab es noch 90 wüste Plätze in Flatow. Aber nicht nur dadurch wurde das
Stadtbild beeinträchtigt, Flatow machte auch nach der preußischen
Besitzergreifung noch lange einen unsauberen Eindruck. Die Straßen waren
ungepflastert, der Müll wurde einfach auf die Gasse geworfen. Schweine, Gänse
und Enten bevölkerten Stege und Wege. Als die Behörden 1778 beim Bürgermeister
Kelch anfragten, was für die Reinlichkeit der Stadt geschehe, antwortete der:
"die Reinigung der Straßen wird alle Frühjahre von den Ackersleuten durch
Mist auf ihr Land fahren kontinuiert." Im Jahre 1786 befahl der Magistrat
dem 'Scharfrichter' (Abdecker) alle Schweine, die nicht ins Feld getrieben
würden, sondern die Straßen aufwühlten, einzufangen und sich von den
Eigentümern der Borstentiere ein Pfandgeld geben lassen. Am 7. Oktober desselben Jahres schrieben Bürgermeister und
Rat: "Es ist und bleibt immer eine Schande für die hiesige Stadt Flatow
und ihre Synagoge (Judengemeinde), daß die Rinnstöcke (Rinnsteine) nicht in
Ordnung und gereinigt sind, wodurch mancher Mann durch den vielen großen Moder
(Schmutz) abgeschreckt wird, von den in der Haupt-, Jüden-, und in anderen
Straßen wohnenden Kauf- und Handelsleuten etwas zu kaufen ...". Am 26.
November verfügte die Grundherrschaft: "Es liegt soviel Gassenblott
(Schmutz) in den Straßen, daß die Leute sich darüber aufhalten, welche
Polizeiordnung in der Stadt gehalten wird. Um in der Folge andere Anstalten und
reinere Gassen jederzeit zu haben, wird ein wohllöblicher Magistrat hiermit
ersucht, darauf zu achten, daß die Christen wöchentlich Mittwochs und
Sonnabends die Straßen reinigen und den Blott wegfahren, die Juden wöchentlich
Montags und Donnerstags ebenfalls die Straße zusammenkehren, in hohen Haufen
den Blott werfen, welchen letzteren das Dominium mit eignen Pferden wegführen
lassen wird." Am 8. Mai 1803 hielt sich der Kriegs- und Steuerrat Schülke,
dem die Stadt Flatow unterstellt war, in Flatow auf. Er war entsetzt über die
Unsauberkeit in den Straßen und rügte, "daß in der Stewnitzer Straße von
den Einwohnern derselben viele Schutt- und Misthaufen vor ihren Türen gelitten
werden". Noch am 14. September 1824 monierte das Landratsamt, daß es
gestattet wurde, "daß die Schweine sich beständig in den Straßen umhertreiben
und den Schmutz in alle Häuser hineintragen und diese verunreinigen und durch
den mitgebrachten Kot und Unrat mit Gestank verpesten, da so viel Hunde des
Nachts freigelassen werden, welche durch ihr Gebell die Schlafenden und Kranken
stören". 3
Über die jüdischen Einwohner berichtete der Kriegs- und Domänenrat Ladewig, der die Städte des
Netzedistrikts vom 9. November 1772 bis 6. Januar 1773 bereiste: "Die
Judenschaft bewohne 106 Häuser und mache mit den zur Miete wohnenden 929 Seelen
aus. Sie zahle der Grundherrschaft einen Hauszins von 8 und 4 Tympfen, je
nachdem eine Familie im eignen Haus oder zur Miete wohne, 800 Tympfe
Schlachtgeld, 75 Tympfe für die sonst in natura gelieferten Schafsfüße und 200 Tympfe für Talg, welche
drei letzteren Abgaben die ganze Judenschaft aufbringe, sie möge stark oder
schwach sein. Ihr Erwerb bestehe in Handel und Wandel auch Handwerker seien
unter ihnen." 4
Die Juden wurden registriert und der restriktiven
Gesetzgebung der neuen Obrigkeit unterworfen. Die westpreußischen Magistrate
mussten zunächst genaue Tabellen über die Juden einsenden. Man unterschied
darin Schutzjuden und deren Familie, Publique Bediente nebst Familien,
Privatbediente, tolerierte Juden, die vor der Okkupation schon im Lande
geduldet gewesen und ein gewisses Vermögen nachweisen konnten, sowie fremde
besonders unter dem Namen der Verwandtschaft eingeschlichene Juden. Die von
Friedrich II. angeordnete sukzessive Abschiebung erstreckte sich vor allem auf
die letztgenannten eingeschlichenen unvergleiteten (ohne Geleitbrief) Juden.
Aber auch die tolerierten Juden hatten nach der Anwendung des preußischen
Generaljudenreglements von 1750 auf die neue Provinz Westpreußen eine schwere
Stellung. Sie wurden in ihren bisherigen Rechten beschnitten. So wurde etwa auf
Beschwerde des Bäckereigewerks von Flatow im Jahre 1780 bestimmt, daß künftig
nur zwei Juden, und die auch nur für Juden, backen durften. Noch im Jahre 1805
wurde einem Juden aus Zempelburg die Konzession für den Erwerb eines Christenhauses verwehrt.
Der Hauserwerb blieb noch bis zum Erlass des
Emanzipationsedikts von 1812 stark eingeschränkt, daß so viele Juden wie in
Flatow - "von 301 Häusern, woraus die Stadt bestehet, werden 194 von
Christlichen und 107 von Judenfamilien besessen und bewohnt, die Anzahl der
Christlichen und der Jüdischen ist beinahe gleich" - ein Haus ihr eigen
nennen konnten, war die Ausnahme. Was die Berufsstruktur anbelangte, so waren
zahlreiche Tuchmacher und sehr viele Juden, welche starken Handel trieben, in
der Stadt anzutreffen.
Aus der 'Generaldesignatio von denen sämtlich vorhandenen
Juden so wohl in den Städten als auch auf dem platten Lande in dem District
diesseits der Netze' von 1774 können
wir entnehmen, daß sich unter den zahlreichen Juden, die den Väternamen 'Levin'
auch ein Hertz Levin, der 1774 ein halbes Haus und 200 Taler sein eigen nennen
konnte, zu finden ist. Sein Vermögen
reichte zwar zur Erlangung eines Schutzbriefes nicht aus, dafür waren 1000
Taler erforderlich, aber auch dank der humanen Einstellung der höheren
preußischen Beamten, die dem Befehl Friedrich II. die ärmeren Juden außer
Landes zu schaffen, hinhaltenden Widerstand entgegensetzten, wurde ihm
wenigstens die Duldung ermöglicht. Er
gehörte zu den zahlreichen Juden Flatows, die auswärts ihren Handel
trieben.
Bei dem großen Kinderreichtum der damaligen Zeit im
allgemeinen und dem der jüdischen Familien im besonderen werden sich unter den
erwähnten Levins auch einige Brüder befunden haben. Zu denken wäre hier
insbesondere an Gabriel aber auch an Leyser, Marcus (Mordechai) und Israel
Levin.
Es findet sich in
der genannten Liste von 1774 auch ein Arend Hertz, möglicherweise ein Bruder des Lewin Hertz, der sich später nach
Zempelburg begibt, dort das Privileg eines Schutzjuden besitzt und sich 1792 in
Roessel (Ostpreußen) beim christliche
Kaufmann Gutzeit als Seiden- und Tuchhändler niederlässt.
Hertz Levins Hausstand umfasste zu diesem Zeitpunkt nur zwei
Personen, wahrscheinlich ihn und seine Frau. In der Generaltabelle von 1791
wird er allein unter den 'Abgelebten' (Alten) aufgeführt, vermutlich war seine
Frau inzwischen verstorben. Sein Sohn Levin Hertz ist eigenartigerweise in
dieser Tabelle nicht verzeichnet,
obwohl er in der Liste von 1812 als seit 31 Jahren in Flatow ansässig geführt wurde. Er mag zu den Juden gehört
haben, die ihre Handelsgeschäfte auswärts trieben.
Wenn wir der jüdischen Namensgebungstradition folgen (das
Neugeborene erhält den Namen eines verstorbenen Verwandten oder Freundes der
Familie), wird Levin Hertz den Namen seines Großvaters Levin getragen haben; sollte das der Fall gewesen
sein, können wir davon ausgehen, daß dieser vor 1756 gestorben ist. Zwanzig
Jahre später, im Jahre 1774, werden auch etliche seiner bereits erwachsenen
Enkel einen eignen Hausstand besessen haben, dazu dürfte auch David Hertz,
wahrscheinlich ein Bruder des Levin
Hertz, gehört haben.
Die Eheschließung
von Levin Hertz im Jahre 1781, der Name der Frau ist uns leider nicht
überliefert, mit der vermutlich die Gründung eines Hausstandes verbunden war,
fiel schon unter die Gesetzgebung der neuen preußischen Herrschaft. Nur mit
Erlaubnis der Regierung durfte geheiratet werden, wobei der Bräutigam das
Mindestalter von 25 Jahren erreicht haben musste und ein gewisses Vermögen
nachzuweisen hatte. Die unter den Juden üblichen Heiratsverträge mussten
deshalb aus dem Hebräischen übersetzt
und der Regierung in Bromberg
unterbreitet werden.
Aus dieser Ehe entsprossen die Söhne Nachmann (*1783) und
Feibusch (*1785). Acht Jahre darauf, möglicherweise hatte Levin Hertz ein
weiteres Mal geheiratet, wurde im Jahre 1793 die Tochter Ester geboren. Ein
Jahr später kam ihr Bruder Marcus (Mordechai) zur Welt.
Ester Herz(feld) sollte später Lewin, den Sohn des oben
genannten Arend Herz, ehelichen; aus dieser Ehe ging Salomon Herz (*1820)
hervor, er heiratete am 30.12.1845 Pauline (*1824), die Tochter des Marcus Cohn
in Rastenburg (Ostpreußen).
Wie bereits erwähnt, hielt sich Levin Hertz zu dieser Zeit
nicht in Flatow auf. Vielleicht war er dem Ruf des Grafen Dzialynski, des
früheren Eigentümer Flatows, (er hatte die Stadt einige Jahre zuvor an den reichen Kriegsrat von Fahrenheit in
Königsberg für 100.000 Dukaten verkauft), gefolgt, der in Dobryzin an der
Drewenz, 80 jüdische Familien neu angesiedelt hatte. Das gegenüber liegende
westpreußische Gollub, wo Jacob Herzfeld, der Vater des Ludwig, im Dezember 1789 geboren wurde, litt
schwer unter der wirtschaftlichen Konkurrenz.
Aufgrund des Generaljudenreglements für Süd- und
Neuostpreußen vom 17. April 1797, das nach der endgültigen Aufteilung Polens
erlassen worden war, bekam Levin Hertz
das Niederlassungsrecht in Flatow eingeräumt, auch das spricht für seinen
zeitweiligen Aufenthalt in Polen.
Die Familie mag sich bereits im Jahre 1796 in Flatow
befunden haben, als Liebe, die Mutter des
Ludwig Herzfeld, das Licht der Welt erblickte, zwei Jahre später wurde
ihr Bruder Leyser geboren.
Im Geburtsjahr Liebes ereignete sich in Flatow eine
furchtbare Brandkatastrophe, 31 Häuser, die meist Juden gehörten, wurden in der
Nacht vom 29. zum 30. Juni ein Raub der Flammen.
Manch einer der älteren Bürger mochte sich mit Schrecken an
den 23. April 1743 dabei erinnert haben, als "41 christliche
Ackerbürgerhäuser mit allen Feldfrüchten, allem Malz, allem Tuch, aller Wolle,
allen Hausgerätschaften, allen Kellervorräten
und Spirituosen, die die Leute hatten; ferner 27 Scheunen und Ställen
mit Getreide und Hornvieh und
Ackergeräten, die in ihnen waren; auch 112 jüdische Häuser samt der Synagoge,
ihre Ställe ungerechnet, mit allen Waren, nur zwei jüdische Häuser blieben stehen und drei demolierte“, 5 nieder brannten. Dieses Ereignis hatte damals zu
einer starken Abwanderung der jüdischen Bevölkerung geführt.
Im Jahre 1800 wurde die Familie des Levin Hertz ebenfalls
von einem solchen Unglück betroffen, denn das Haus des Vaters Hertz Levin, der
vermutlich seine Angehörigen darin aufgenommen hatte, brannte nieder. Das Haus
aus 'geklebtem' Fachwerk mit seinem Strohdach war rasch ein Raub der Flammen
geworden.6
Wohl in Anbetracht der bevorstehenden erneuten Vermählung des Levin Hertz,
der Name der Braut war Bräunchen, im
nächsten Jahr (1801), wurde rasch mit dem Wiederaufbau begonnen.
Die Flitterwochen des nun 46jährigen mit seiner 10 Jahre
jüngeren Frau wurden ebenso durch Feuersbrünste illuminiert. In der Nacht vom
29. zum 30. April brannten 26 Häuser in der Schwentschen Straße nieder. Noch
größer war der Schaden, der durch den Brand vom 1. Oktober verursacht wurde:
Während in Krojanke Gänsemarkt
abgehalten wurde, brach bei der Witwe Pincus Peiser in der Jüdenstraße Feuer
aus, das sich schnell bei dem starken Südostwind verbreitete. Es sprang in die
Kirchenstraße über, zerstörte die Häuser in der Nähe der katholischen Kirche
und mehrere Häuser am Hauptmarkt. Die Leute schleppten noch brennende Balken,
um sie zu bergen, in andere Straßen und vermehrten dadurch die Feuergefahr. Das
Feuer war am 5. Oktober noch immer nicht gelöscht, insgesamt fielen 68 Häuser
den Flammen zum Opfer. Der Grundherr verbot aufgrund dieser Ereignisse, die Gebäude
wieder mit Strohdächern und hölzernen Schornsteinen zu errichten. Trotzdem kam
es auch in den folgenden Jahren zu schweren Bränden. Am 8. August 1803 wurden
ganze Straßenzüge in Asche gelegt; insgesamt 246 Häuser gingen in Flammen auf.
Viele Bewohner, die meisten davon Juden kehrten der Stadt den Rücken.
Darunter kann sich auch Gabriel Levin, vermutlich ein Bruder
des Hertz Levin, befunden haben. Gabriel hatte ein kleines strohgedecktes Haus
bewohnt, von dem nur eine 'wüste Stelle' übrig geblieben war.
Im Jahre 1774 hatte sein Haushalt aus 7 Personen bestanden. In der Generaltabelle
von 1791 sind noch 5 Personen aufgeführt: Gabriel Levin, seine Frau Rose und
die Kinder Leib (*1766), Mindel (*1768) und Lea (*1771). In der Liste findet
sich auch ein Meyer Gabriel, dem im Jahre 1771 schon ein Enkelkind namens Meyer
geboren wurde. Meyer Gabriel kann nur bedingt ein Sohn des Gabriel Levin
gewesen sein, wäre der dann doch im selben Jahr (1771) Vater und Urgroßvater
geworden.
Dagegen spricht sehr viel dafür, daß Mendel (Menachem)
Herzfeld, der mit Vogel, Tochter des Meir, verheiratet war und dessen Vater
Gabriel hieß, ein Abkömmling dieses Gabriel Levin ist. Mendel starb am 4.
August 1823 (7. Ab. 583), seine Frau sieben Jahre später am 2. Februar 1830 (9.
Schebat 590). Die beiden sind auf dem jüdischen Friedhof in Lissa (Posen)
bestattet. Ein Sohn dieses Mendel trug den Namen David Leib, er wäre, stimmt
unsere Annahme, dann nach seinem Onkel benannt worden. Auch der Name David
findet sich in der Verwandtschaft, wenn wir an David Hertz, wohl ein Bruder des
Levin Hertz, denken. Dazu kommt, daß ebenfalls auf dem Friedhof in Lissa die
Frau eines David Herzfeld, die am 5. April 1806 verstorbene Gnendel, Tochter des Salman Mirels, ruht. 7
Die Familie des Levin Hertz war diesmal von den Bränden
verschont geblieben, aber sie scheint von einem anderen Schicksalsschlag, dem
Tod des Vaters, getroffen worden zu sein, denn in der Liste der Hausbesitzer im
Jahre 1802 wird er nicht mehr erwähnt, statt dessen ist erstmalig sein Sohn
Levin Hertz verzeichnet. 8
Ein aus der Verbindung zwischen Levin Hertz und Bräunchen
hervorgegangener Sohn, der am 8. Juli 1812 zur Welt kam, erhielt den Namen
seines Großvaters Hertz. Über die Herkunft Bräunchens, und ob sie mit Levin
Hertz noch weitere Kinder hatte, können wir nichts sagen, denn es sind uns nur
die Namen derjenigen bekannt, die sich im Jahre 1812 im Haushalt der Familie
befanden.
Ebenso wenig wissen wir, welchen Berufen die Mitglieder der
Familie nachgegangen sind. Vermutlich werden Kaufleute darunter gewesen sein,
denn bis 1792 gab es in Flatow keinen einzigen christlichen Kaufmann. Aus einem
Polizeibericht des Jahres 1790 ist zu entnehmen: "Der hiesige Handel
besteht großenteils mit einländischen Waren, welche die hiesigen jüdischen
Einwohner von Frankfurt a.O. einbringen, hier aber das wenigste davon bleibt“. 9 Die Flatower Handelsleute setzten meist ihre
Waren in Gebieten ab, die rechts der Weichsel lagen.
Aus den Verhandlungen des Königsberger Kranken- und
Sterbevereins (Chewra) im Jahre 1785 wissen wir, daß sich viele handeltreibende
westpreußische Juden dort aufhielten. Die meisten der reisenden Händler
scheinen der Gemeinde Flatow angehört zu haben, denn die Juden aus Flatow
gründeten am 24. Oktober 1786 in Königsberg einen Wohltätigkeitsverein, dem
schließlich 200 Mitglieder angehörten. 10
So ist es auch nicht weiter verwunderlich, daß sich im
westpreußischen Kulm-Michelauischen Kreise, in Rheden und Briesen, ebenfalls
Träger des Namens Gabriel finden, die aber nicht Nachkommen des Levin sondern
eines Leysers, der ebenfalls in Flatow beheimatet war, zu seien scheinen.
Jedenfalls wird auch zu dieser Familie der bereits erwähnte Mendel Herzfeld
verwandtschaftliche Beziehungen gehabt haben.
Neben dem Handel bildete das Gewerbe die wirtschaftlichen
Grundlage Flatows. 1813 gab es in der Stadt zwanzig Schankstätten, einen
Gasthof mit Ausspannung, vier Schnittwarenhändler und einen Höker. Ein
blühender Gewerbezweig war am Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts
die Spitzen- und Kantenklöppelei. In der Zeit von 1792 bis 1807 waren nur
jüdische Frauen und Mädchen, die für die Berliner Firma Nathan & Borchert
und das Potsdamsche große Waisenhaus tätig waren, mit dieser Kunsthandarbeit
beschäftigt; wir können annehmen, daß auch Ester und Liebchen solche Arbeiten
anfertigten. Der Krieg gegen Napoleon und die damit verbundene Niederlage von
1806 machte dieser Hausindustrie ein Ende.
Im Jahre 1812 nahm Levin Hertz aufgrund des
Emanzipationsedikts vom 23. März 1812 den
Namen Hertzfeldt an. Außer ihm befindet sich kein Träger
dieses Namens in den Teilen Westpreußens, die nicht zum Großherzogtum Warschau
geschlagen worden waren.
Kurz darauf, wie bereits erwähnt, schenkte Bräunchen im
Alter von 47 Jahren noch einem Sohn das Leben.
Im Jahre 1815 heiratete Liebchen in Flatow oder dem
niederschlesischen Guhrau Jacob, den Vater Ludwig Herzfelds.
Levin Hertz Hertzfeldt scheint ebenfalls zu diesem Zeitpunkt
oder wenig später mit seiner Familie Flatow verlassen zu haben, denn bis zur
Mitte des 19. Jahrhunderts sind keine mit der Familie Herzfeld im Zusammenhang
stehenden Ereignisse wie Eheschließungen, die Geburt eines Kindes oder
Todesfälle in den amtlichen Unterlagen der Stadt verzeichnet. Die Bevölkerung
Flatows ging im Zeitraum von 1812 bis 1822 um rund ein Drittel zurück, die
Abwanderung der Familie scheint im Trend der Zeit gelegen zu haben.
Falls Ludwig nach seinem Großvater Levi genannt wurde, muss
dieser vor 1819 gestorben sein.
Von
Gollub nach Guhrau
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Unzählige Weidenbäume säumen in den Niederungen die in engen
Windungen dahineilende Drewenz. Die Uferhöhen des Flusses sind mit dichten
Wäldern bestanden, in denen bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts noch Wölfe zu
finden waren.1 Wenn am Abend vom Flusse
die Nebel aufsteigen, beginnen die Konturen des Fachwerkfiligrans der
jahrhundertealten Vorlaubenhäuser, die Holzhauben und Pfannendächer der
Dorfkirchen zu verschwimmen.
Gollub, der Geburtsort von Ludwig Herzfelds Vater Jacob, auf
einer Landzunge gelegen, die hier die Drewenz ausgebildet hat, wurde zur Zeit
der Herrschaft des Deutschen Ordens "Golau" genannt. Aus dieser Zeit
stammte der oberhalb der Stadtmauer gelegene eindrucksvolle Komplex des
ehemaligen Ordensschlosses. Zwischen dem Fluss und der Stadtbefestigung befand
sich ein Streifen Niemandslandes, der Insel Blonie genannt wurde, hier standen
die Scheunen der Bürger. Eines der vier Stadttore führte zu der
"Insel", die anderen öffneten den Weg nach Strasburg, nach Thorn und durch die sogenannte Dobryziner
Vorstadt, eine Häusergruppe zwischen Stadtmauer und Fluss, über die Drewenz,
die hier die Grenze zu Polen, später Russisch-Polen bildete, nach Dobryzin und
ins Dobrinerland. (Nur während der südpreußischen Periode und nach Bildung des Großherzogtums Warschau durch Napoleon,
sollte Gollub seine Funktion als Grenzstadt einbüßen.)
|
Die Stadt besaß im
letzten Drittel des 18. Jahrhunderts, als Ludwig Herzfelds Vater Jacob hier
oder in am gegenüberliegenden Ufer der Drewenz gelegenen Dobryzin geboren
wurde, noch immer ihren mittelalterlichen Charakter.
Nicht weit von dem mit zwei Brunnen geschmückten Marktplatz
und dem Rathaus, erhob sich das städtische Brauhaus, etwas abseits davon die
katholische Pfarrkirche St. Catharinen, die mit ihrem Kirchhof eine Ecke der
Stadtmauer einnahm. Die Straßen trugen teilweise schon Namen wie Lissewer und
Dobriner Straße, Breite-, Kirchen-, Ziegen-, Schloßstraße und Straße nach der
Insel Blonie (ulica blonska) sowie Straße
Figaino.
Zu Beginn der preußischen Herrschaft, zur Zeit Friedrich des
Großen, war mit dem Bau von Kolonistenhäusern begonnen, und es waren eine
Schönfärberei, eine Lohgerberei und eine Walkmühle eingerichtet, sowie die
Mittel zur Errichtung eines evangelischen Pfarrhauses zur Verfügung gestellt
worden. Um dem Handel Thorns, die nach der ersten Teilung Polens 1772 noch
nicht an Preußen gefallen war, Abbruch zu tun, wurden auch einige Juden in
Gollub angesiedelt. Bisher hatte die Stadt, wie andere Städte magdeburgschen
Rechts, die Ansiedlung von Juden in ihren Mauern untersagt und ihnen das
Handeltreiben insgesamt erschwert, sie mussten zwei Gulden zahlen, wenn sie auf
die Jahrmärkte ziehen wollten. Deshalb fanden sich Juden vor allem auf den
Gütern polnischer Adliger, die häufig ihre Ländereien an sie verpachtet hatten.
In Polwenz hielten sich 15 jüdische Familien, zusammen 128 Personen, auf, die
einen jährlichen Zins von 145 Talern entrichteten, und der Besitzer von Wlewsk
hatte in Pulko, dicht bei Lautenburg, 16 jüdische Familien angesiedelt,
"diese Kolonie war zur Konkurrenz der Lautenburger angesetzt, von deren
Abgaben sie frei blieb, und sie tat den Bürgern vielen Abbruch"2
Salomon Maimon schildert plastisch wie sich das Leben der
Juden unter der Herrschaft des polnischen Adels gestalten konnte:
Der Fürst R . . ., der als Hetmann in Polen und Wojwode in Litauen einer
der größten Magnaten war, der als Besitzer dreier Erbschaften aus dieser
Familie unermeßliche Güter hatte und dem man etwas Güte des Herzens und bon
sens nicht ganz absprechen konnte, war durch eine vernachlässigte Erziehung und
Mangel an Unterricht einer der ausschweifendsten Fürsten, die je in der Welt
gelebt haben. Aus Mangel an hinlänglicher Beschäftigung, welcher eine
notwendige Folge der vernachlässigten Ausbildung seines Geschmacks und Erweiterung
seiner Kenntnisse war, ergab er sich dem Trunk, wodurch er zu den
lächerlichsten und tollsten Handlungen verleitet wurde. Ohne sonderliche
Neigung ergab er sich den schändlichsten sinnlichen Begierden, und ohne grausam
zu sein, übte er gegen seine eignen Untertanen die größten Grausamkeiten aus.
Wenn er durch eine Straße fuhr, welches gemeiniglich mit seinem ganzen Hofstaat, Kapellen und
Soldaten zu geschehen pflegte, so durfte sich bei Lebensgefahr niemand auf der
Straße zeigen, ja selbst in den Häusern war man nicht sicher. Die schlechteste,
schmutzigste Bauersfrau, die ihm in den Wurf kam, ließ er zu sich in den Wagen
nehmen. Einst schickte er zu einem ansehnlichen Barbier jüdischer Nation und ließ ihn zu sich holen. Dieser,
der nichts anderes als eine verlangte chirurgische Operation vermutete, nahm
seine Instrumente mit sich und erschien vor seinem Herrn. Dieser fragte ihn:
“Hast du deine Instrumente mitgebracht?“ „Ja. allerdurchlauchtigster Fürst“
erwiderte jener. “Gut“, sagte der Fürst, gib mir deine Lanzette, ich will dich
zur Ader lassen.“ Der arme Barbier mußte sich dieses gefallen lassen. Der Fürst
ergriff die Lanzette, und da er damit nicht umzugehen wußte und seine Hand
ohnehin von Betrunkenheit zitterte, so war es natürlich, daß er ihn auf eine
erbärmliche Art verwundete, aber seine Hofleute lächelten ihm Beifall zu und
rühmten seine große Geschicklichkeit in der Chirurgie.
Einst fuhr er mit seinem ganzen Hofstaat nach der jüdischen
Synagoge und richtete darin, ohne daß man noch bis jetzt die Veranlassung dazu
weiß, die größte Verwüstung an; zerschlug Fenster und Öfen, zerbrach alle
Gefäße, warf die in der Bundeslade befindlichen Abschriften der heil. Schrift
zu Boden usw. Ein gelehrter frommer Jude, der zugegen war, wagte es, eine
derselben von der Erde aufzuheben und hatte die Ehre von Sr. fürstlichen
Durchlaucht eigenhändig mit einer Flintenkugel getroffen zu werden. Von hier
ging der Zug nach der zweiten Synagoge, wo gleicherweise gewirtschaftet wurde,
und von da nach dem jüdischen Begräbnisplatz, wo die Gebäude zerstört und die
Denkmäler ins Feuer geworfen wurden.
Friedrich der Große, der sowieso das "polnische
Zeug" los werden wollte, entzog dem Adel die meisten seiner Privilegien,
darunter auch das Judenregal, womit er dessen wirtschaftliche Grundlage traf.
Durch das Ansetzten privilegierter Juden in den Städten an der Grenze - die
Betreffenden hatten 1000 mindestens jedoch 500 Taler nachzuweisen, das andere
"Kroppzeug sollte außer Landes geschafft werden -, hoffte der König, den Handel
von Polen nach Westpreußen ziehen zu können.
Im Zuge der Besitzergreifung Westpreußens im Jahre 1772
hatte Friedrich der Große gleich "einen Streifen Landes südlich von der
Grenze der Kulmer Woiwodschaft in Besitz genommen". In den darauf
folgenden diplomatischen Verhandlungen um dieses Gebiet musste er eine
Niederlage hinnehmen, da Russland und Österreich die Ansprüche Polens
unterstützten.3 Friedrich musste eine
Reihe der besetzten Ortschaften zurückgeben, darunter auch Dobryzin, das, auf
der linken Seite der Drewenz gelegen, inzwischen zu einer Vorstadt Gollubs
geworden war. Der Flecken fiel an seinen alten Patrimonialherren, den Grafen
Dzialynski zurück, also an dieselbe adlige Familie, der bis 1772 Flatow gehört
hatte.
Dobryzin, das 1776 nur aus "31 elenden Katen"
bestanden hatte, begann nach dem Bau 16 neuer Häuser und die Ansiedlung 80
jüdischer Familien, zu florieren. Bereits 1780 war die Einwohnerzahl auf 1300
gestiegen. "Gollub litt sehr unter der Konkurrenz des Nachbarorts, wo
jeder das Recht zu backen, schlachten, schänken und handeln hatte.“4
Denkt man an die rigide preußische Ausweisungspolitik und
die damit im Zusammenhang stehende erschwerte "Ansetzung" in Preußen,
verbunden mit Berufszwang, Reglementierung des Heiratsalters und Beschränkungen
der Kinderzahlen, so wird die Anziehungskraft Dobryzins auf das
gegenüberliegende Gollub verständlich.
Sollte der Vater von
Jacob und Mendel Herzfeld, der, wie wir aus den Judenbürgerbüchern der Stadt
Berlin wissen, Rabbiner war 5, ebenso
wie Lewin Hertz Hertzfeldt, Ludwigs Großvater mütterlicherseits, aus Flatow
stammen, könnte er unter dem Patronat der gräflichen Familie in Dobryzin das
Rabbinat übernommen haben. Ebenso ist es möglich, daß sich Lewin Hertz
Hertzfeldt, hier zeitweilig aus beruflichen Gründen aufgehalten hat und so die
Beziehungen zu Jacobs Familie in Gollub geknüpft wurden. Im Jahre 1774 finden
wir in Gollub die jüdischen Familien
Kiwal Leyser, Jacob Moses und Israel Abraham.
Zur Familie des
ersteren gehörten die Frau Frommel sowie die Kinder Anna (*1769), Abraham
(*1772) und Beile (*1774), später kamen noch Isaac (*1778) und Ester (*1780)
dazu, zur Familie des letzteren dessen Frau Rachel, und die Kinder Salomon
(*1773) und später Marianne (*1777) sowie Merge (*1779).
Auf die Familie des
Jacob Moses werden wir noch zu sprechen kommen, könnte doch aus ihr der
unbekannte Rabbiner, Jacob Herzfeld Vater, stammen.
Dessen soziale Stellung wird aufgrund des Zusammenhangs
zwischen rabbinischer Gelehrsamkeit und jüdischem Leben unangefochten gewesen
sein.
„Noch
bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts blieb in Westpreußen die Achtung vor dem
talmudischen Gesetz, die genaue Beobachtung des Zeremoniells, die bewußte
Absonderung von der christlichen Umwelt und die Anhänglichkeit an die eigne
Sprache erhalten. "Die polnischen Juden hangen an ihren Gebräuchen mehr
als die Juden in anderen Ländern, welche sich dem Christentum mehr angenähert
haben. Sie tragen alle lange Bärte, gehen
schwarz gekleidet, und verleugnen ihren Ursprung nicht, in dem sie alle
deutsch sprechen.“ 6
Mit scharfzüngiger Ironie skizziert der jüdische Philosoph
Salomon Maimon, auf den wir noch im Zusammenhang mit der Familie des Grafen v.
Kalckreuth zu sprechen kommen werden, die soziale Schichtung innerhalb des
Judentums.
Er unterteilt es
"in arbeitsame Ungelehrte, in Gelehrte, die von ihrer
"Gelehrsamkeit Profession machen, und diejenigen, die sich bloß der
Gelehrsamkeit widmen, ohne sich mit irgend einem Erwerbsmittel abzugeben,
sondern von der arbeitsamen Klasse erhalten werden. Aus der zweiten Klasse sind
die Oberrabbiner, Prediger, Richter, Schulmeister dgl. Die dritte Klasse
besteht aus denjenigen Gelehrten, die wegen ihrer vorzüglichen Talente und
Gelehrsamkeit die Aufmerksamkeit der Ungelehrten auf sich ziehen, von diesen in
ihre Häuser genommen, mit ihren Töchtern verheiratet und einige Jahre auf eigne
Unkosten mit Frau und Kindern unterhalten werden. Nachher aber muß diese Frau
die Ernährung ihres heiligen Müßiggängers und ihrer Kinder (die gemeiniglich
bei dieser Klasse sehr zahlreich sind) auf sich nehmen, worauf sie sich, wie
billig, sehr viel einbildet.“7
A.E. Holsche, der im Jahre 1800 seine "Geographie und
Statistik von West- Süd- und Neuostpreußen" herausgab, berichtete
ergänzend: "Eine jede Synagoge hat ihren Rabbiner, welcher ein
Schriftgelehrter sein muß, jedoch mehr einen Richter als einen Geistlichen
vorstellt. In der Versammlung und bei ihren Religionsgebräuchen sind sie alle
gleich, und sie haben eigentlich gar keinen Geistlichen, wenn man nicht den
Vorleser, den Schulmeister und Synagogendiener oder Klepper dafür halten will.
Die Beschneidung wird nicht von dem Rabbiner verrichtet, sondern kann durch
jeden anderen geschehen. Der Rabbiner verwaltet eigentlich unter ihnen die
Jurisdictionem voluntariam und contentiosam, wofür er gewisse Gebühren erhält,
und sich von diesen bei großen Gemeinden vortrefflich verstand, so daß die
Grundherrschaften die Stelle eines Rabbiners zu einigen hundert Dukaten
verkauften, und sich noch alle Jahre eine bestimmte Abgabe von ihnen bezahlen
ließen, wogegen er die Juden schinden konnte, wie er wollte.“8
Die jüdischen Gemeinden Westpreußens blieben auch unter der
Herrschaft Friedrich des Großen autonom und konnten ihre Angelegenheiten selbst
regeln. "Friedrich, der westpreußischen Judenschaft ebenso abgeneigt blieb
wie dem westpreußischen Adel, machte nie den Versuch, in das innere Leben
dieser eng miteinander verbundenen Körperschaft einzugreifen, die Jurisdiktion
des Rabbiners einzuschränken, Landesälteste oder Oberlandesälteste von Staats
wegen einzusetzen oder königliche Beamte zur Teilnahme an den Versammlungen der
Judenschaften zu verpflichten. Während er mit allen Mitteln sich bemühte, eine
Vermehrung der Juden Westpreußens zu verhindern und Tausende von ihnen zur
Abwanderung zwang, schützte er sie 'bei denen ihnen eigentümlichen Besitzungen
ihrer Synagogen, Kirchhöfe, der dazugehörigen Häuser' und der großen Zahl ihrer
Vorsteher, Rabbiner und publiken Bedienten.“9
Nur über die Person des Rabbiners lässt sich, wie schon aus der
obigen Ausführungen deutlich wurde, nicht allzu viel mit Bestimmtheit sagen.
Die Geburt Jacob Herzfelds fand, wie er im Jahre 1844 vor
den Berliner Behörden zu Protokoll gab, am 3. Dezember 1789 im westpreußischen Gollub statt.10
Legen wir das Sterbeprotokoll aus dem Jahre 1850 zu Grunde11 dürfte er jedoch erst 1792/93 zur Welt
gekommen sein. Aus anderen Quellen ist uns der Name eines älteren Bruders des
bereits erwähnten "Mendel" bekannt.12
Gehen wir davon aus, daß diese Angaben stimmen, daß sie nicht, verursacht durch
die rechtliche und politische Situation, die Juden der östlichen Provinzen
Preußens nach dem Wiener Kongress 1815 befanden, 'korrigiert' wurden, Jacob
Herzfeld also tatsächlich in Gollub an der Drewenz und nicht am
gegenüberliegenden Ufer des Flusses, in Dobryzin beheimatet war, so kommt nur
der Landesrabbiner Abraham Mendel als Vater Jacobs und damit als Großvater Ludwig Herzfeld's in Betracht.
Gollub besaß zum
Zeitpunkt von Jacobs Geburt kein eignes Rabbinat. Im Jahre 1792 stellten die
Landesältesten der Juden diesseits der Weichsel mit königlicher Erlaubnis einen
Landesrabbiner, Abraham Mendel, an, dessen Amtssitz das neben Gollub gelegene
Strasburg wurde. Die Wahl dieses Rabbiners war nicht unumstritten, denn für
dessen Besoldung in Höhe von 138 Talern
mussten die Juden von Löbau, Neumark, Bischofswerder, Lautenburg, Strasburg,
Gollub, Kulmsee, Tolke, Christburg, Stuhm, Rosenberg und Deutsch-Eylau
aufkommen. Der in Deutsch-Eylau ansässige Schutzjude "J. Abraham, der 6
Taler beisteuern sollte, weigerte sich und blieb auch, als sich die Ältesten
über ihn bei der Kammer beschwerten, bei seiner Weigerung, mit der Begründung,
daß ein Rabbiner für 30 Judenfamilien in den genannten Städten überflüssig sei
und man nur den Platz geschaffen habe, weil er der arme Verwandte gewisser
Juden sei. Er, Abraham, bekenne sich gerne zu den Juden diesseits der Weichsel,
werde aber für einen Rabbiner, dessen Fähigkeiten er gar nicht prüfen könne,
und den die Judenältesten ohne sein geringes Zutun genommen hätten, nie etwas
beisteuern.“13
Die Altersangaben in Jacob Herzfelds Sterbeprotokoll, lassen
sein Geburtsjahr zeitlich mit der Berufung dieses Rabbiners zusammenfallen,
auch der Name seines Bruders Mendel spricht dafür, daß es sich bei Abraham
Mendel tatsächlich um den Großvater des Ludwig Herzfeld handelt. Der Hinweis,
daß der, "der arme Verwandte gewisser Juden sei", gibt zu der
Vermutung Anlass, daß dessen Familie bekannt und auch im Culm-Michelauischen
Kreise ansässig war. Als einziger Träger des Namens Mendel in der genannten
Region findet sich ein Mendel Jacob, der seit 1778 in Neumark nachweisbar ist.
In seinem Haushalt befanden sich zu diesem Zeitpunkt neben
seiner Frau Rosine Joseph, die Kinder Hirschel Mendel (*1758), Devora (*1763),
Rachel (*1766) und Jacob (*1768) sowie als "Knechte" bzw.
"Handlungsgehilfen" ein Alexander und ein Simon, ferner als Publ.
Bediensteter Adel (Odel) Joachim als Schächter.14
Ein Jahr später (1789) wird Joseph
Isaac, vermutlich der Schwiegervater des Mendel Jacob, mit seiner Frau Rachel
Moses und den Kindern Marcus, Salomo, Isaac und Taube in Neumark ansässig.
Sie bewohnen dort ein "Großbürgerhaus am Markt Nr.9. In seinem Haushalt
befindet sich noch Abraham Moses, wohl der Bruder seiner Frau.15 Über Rachel Moses ist die Verbindung
nach Gollub gegeben, denn dort lebte, wie bereits erwähnt, der ordentliche
Schutzjude Jacob Moses mit seiner Frau Hindel. Die Namen ihrer Kinder (Sara
*1764, Freide *1767, Marcus *1769, Dwora *1763
und Jacob *1777) sind ein weiteres Indiz für das Bestehen einer
verwandtschaftlichen Beziehung zwischen den vorgenannten Familien. Diesen
Jacob Moses werden wir 25 Jahre später, vermutlich verarmt, im Haushalt des
David Gabriel in Briesen finden. Bevor wir auf diesen Gabriel zu sprechen kommen,
soll noch erwähnt werden, daß der im |
Haushalt lebende Schächter Joachim Zadeck16 auch mit einer Moses (Hanna)
verheiratet war. Der in Strasburg ansässige Schmerl Zadeck, der ebenfalls ein
Großbürgerhaus am Markt bewohnte, scheint sein Bruder gewesen zu sein. Nach
seinem Tode im Jahre 1798/99 erwarb Ascher Levin das Haus von den Erben. Ein
David Ascher Levin (Totengräber), wohl der Sohn des Käufers, der unter den
Publ. Bedientesten bei Moses Jacob in Gollub aufgeführt ist, nennt seinen Sohn
ebenfalls Schmerl.
Bedauerlicherweise ist das zur Verfügung stehende
Quellenmaterial sehr lückenhaft.17 Im Jahre 1805
sind in den Steuer- bzw. Häuserlisten nur noch die Kinder bzw. Verwandten der
verstorbenen oder abgewanderten Privilegieninhaber, die das Niederlassungsrecht
in Anspruch nehmen, aufgeführt. Erst im posenschen-schlesischen Grenzgebiet, im
Raum Lissa, lässt sich der Aufenthalt von Mendel und Jacob Herzfeld
zweifelsfrei nachweisen.
Auch unter der
preußischen Herrschaft mit ihren neue Ehebestimmungen, die Eheschließung war
von einer staatlichen Konzession abhängig, werden Mendel und Philippine, wie es
der jüdischen Tradition entsprach, durch einen berufsmäßigen Heiratsvermittler,
den Schadchen, zusammengebracht worden sein.
Rolle und ohne ihn gab es kein
Vergnuegen. In der Residenz, wo er seinen Wohnsitz
hatte wurde er nicht zu allen Hochzeiten eingeladen. Freilich erschien er auch
uneingeladen…
Sobald die Verlobung perfekt war, hinterlegte eine der Familien eine Art Rücktrittsgeld im Hause des Rabbiners. Dabei wurde in Erinnerung an die Zerstörung Jerusalems ein Topf zerbrochen. Bräutigam und Braut wurden von ihren Freunden mit dem Wunsch "massel tow" gratuliert.
„Nach einem Jahr Verlobungszeit kam die Hochzeit heran. Sie zog sich über viele Tage hin. Ein Hochzeitsfest dauerte in der Regel drei Tage. Dass die ganze Khilloh von gross bis klein daran teilnahm, ist selbstredend. Der Possenmacher spielte dabei eine grosse wurde nicht immer angenommen.
Dagegen kam er zu Hochzeiten nach kleinen Städten stets uneingeladen und war gern gesehen. Zu bewundern ist es, daß er immer den Tag der Hochzeit genau wußte, um sich zur gehörigen Zeit einzufinden Es läßt sich vermuten, daß er hierüber vom Oberrabbiner Auskunft erhielt. Denn dieser hatte jedem, der an einem kleinen Orte eine Trauung mit gesetzlicher Wirkung vollziehen wollte immer erst eine besondere Autorisation zu erteilen. Wie gewöhnlich war der Possenmacher auch dieses Mal schon einen Tag vor der Hochzeit im Orte. Heute amüsierte er besonders die Straßenjugend. Er setzte sich rücklings auf ein Pferd, welches ein anderer führen mußte, hatte ein Blatt Papier sowie den Schweif des Pferdes in der einen Hand, in der anderen eine Schreibfeder, und tat damit, als tauchte er diese in den Hintern des Pferdes ein und schriebe auf das Papier; so ritt er durch alle Straßen, von der lärmenden Jugend umringt.
Dieser Aufzug war um so nötiger, als—obgleich längst stadtkundig - vielleicht es einzelne doch noch nicht gewußt. daß morgen eine Hochzeit sei; sie mußten daher darauf aufmerksam gemacht werden, damit sie heute am Polterabend noch ihre Schuldigkeit tun konnten. Diese bestand darin, vor die Wohnung des Brautpaares so viel alte Töpfe und Scherben hinzuwerfen, als nur aufzutreiben waren. Im konkreten Falle geschah dies an drei verschiedenen Orten, bei der Wohnung der Braut, also bei Reb Nechemjoh, bei der künftigen Wohnung des jungen Paares und bei einem Fabrikanten, welcher honoris causa seine etwas größeren Räume für die Hochzeit öffnete. Da der Bürgermeister sich das Recht nicht streitig machen ließ, daß der Trauhimmel auf dem Hofe oder im Garten seines Hauses aufgestellt werde, so würde dies der vierte Ort zur Abladung von zerbrochenem T6pfererzeugnis gewesen sein; allein die Achtung —oder eigentlich die Furcht—vor hohen Obrigkeit, war ein Hemmschuh für ein solches Vorgehen.
Am anderen Morgen mußte das stark angehäufte, für ein
Hochzeitsfest höchst störende unharmonische
Tonzeug von allen drei Orten durch Wagen weggeschafft werden.
Bald darauf begannen auch die Hochzeitsfeierlichkeiten. Nachdem sich ein jeder sein Gala-Kleid angelegt, versammelte man sich in der Wohnung der Braut, nur der Bräutigam durfte nicht da sein. Jetzt ungefähr um 11 Uhr wurde die Braut vom Possenmacher besungen, wobei er sich ein ernstes Gesicht anschnallte.
Der Gesang wurde in Versen von gutem
Deutsch und mit Musik-Begleitung vorgetragen, und bildete gewissermaßen eine
Ansprache an die Braut über ihr künftiges Verhalten im ehelicher und gesellschaftlichen Leben. So sehr wir hier auch zum
Scherz geneigt sind, so müssen wir doch bemerken, daß, obgleich von einem
Possenreißer vorgetragen, diese Ansprache weit gediegener und inhaltreicher
war, als manche von einem modernen jüdischen Pfaffen oder quasi Prediger aus
hohlen Phrasen zusammengestoppelte Rede, welche leicht einen Gähnkrampf nach
sich zieht. Die Melodie zu dieser Ansprache klang jedoch so wehmütig, und deren
Vorhall in den Ohren der Frauen so mächtig, daß diese schon fünf Minuten vor
Beginn der Musik zu weinen anfingen. Anfangs flossen die Tränen nur
tropfenweise, bald aber ergossen sie sich in Strömen und es hätte leicht eine
Überflutung eintreten können, wenn nicht besonnene haushälterische Frauen noch
zur rechten Zeit die Schleusen der Tränenquelle herabgelassen hätten, in richtiger
Voraussicht, daß zu einer demnächst noch eintretenden Rührung noch eine Portion
Tränen aufgespart werden mußten.
Nach Beendigung dieses Dramas begab sich der männliche Teil der Gäste nach dem Hause, wo der Bräutigam weilte. Er saß dort fest isoliert, wahrscheinlich, damit er Zeit habe nachzudenken.
Nun wurde auch er vom Possenmacher besungen: So wurde es zwar gemeinhin genannt, aber es war mehr die Rezitation einer Vermahnung in einem Gemisch von Hebräisch und Deutsch, denn ein Gesang. Darauf schritt nun der Bräutigam hervor aus der Kammer, freudig wie ein Held, zu durchlaufen die Bahn (Psalm 19). Mit dem Musikkorps an der Spitze, geleitete man ihn nach dem Hause in welchem die Braut mit der Damenwelt zurückgeblieben war; aber zur Braut selbst kam er noch lange nicht, er mußte in einem anderen Zimmer bleiben. Hierauf fand das Bedecken der Braut statt. Neue Rührung für die Damen und- Verbrauch des reservierten Tränerestes. Tanz eines Menuettes, und Erfrischung durch Kaffee und Kuchen, wobei aber das Brautpaar das Zusehen hatte, denn diese fasteten in der Regel bis nach der Chuppoh, d.h. bis nach der Trauung. Nach ein Uhr erhob sich die ganze Gesellschaft und unter Musikbegleitung wurde das Brautpaar nach dem Hause des Bürgermeisters geführt, wo wie bereits oben gesagt, der Trauhimmel aufgerichtet und die Trauung vollzogen wurde. Dem Zuge voran die Jugend mit brennenden, geflochtenen Wachslichtchen. Jetzt trat nun der Rebbe in seiner Eigenschaft als Chasan auf und sang Mi addir, in einer Melodie und mit einer Stimme, durch welche Ratten oder Mäuse verjagt wurden. Nun wurde die Braut dreimal um den Bräutigam herumgeführt,—wahrscheinlich—damit er sie sich noch einmal ordentlich ansehe, ehe er sich in den Abgrund ehelichen Lebens stürzt. Ein Franzose, der einmal einer Trauung hier zu Lande beiwohnte, und dem ein solcher Rundlauf etwas neues war, bemerkte ironisch: ,,Ich habe wohl gesehen, daß, wenn ein Hahn der Henne die Kur macht, er um sie herumlauft, aber niemals wie es hier geschieht, die Henne um den Hahn."
Nachdem der Rebbe in seiner Eigenschaft als Geistlicher
die Trauung vollzogen hatte, begab sich die ganze Gesellschaft nach dem
Festlokale, wo nun das junge Ehepaar ungestört gegenseitig anbeißen konnte, d.
h. das Frühstück einnehmen. Jetzt spielten die Herren Karten und die Damen
tanzten zum Teil, oder unterhielten sich ungefähr zwei Stunden lang, dann
strömte alles von jung bis alt ein jeglicher nach seiner Wohnung und beiderlei
Geschlechter kleideten sich um —für die Tafel—es war selbstverständlich, Frauen auch die Hauben wechselten, denn heute
mußte man sich in den verschiedenen Staatskleidern sehen lassen. — Jeder Gast
nahm auch Messer, Gabel und Löffel mit sich. Denn also hatte es auch der Rebbe
gleich bei der Einladung im Auftrage des Gastgebers angeordnet Es blieb dabei
auch einem jeden überlassen, für sich eine Serviette mitzubringen. Diese wurde
aber als unnützer Ballast angesehen, und daher das Mitbringen unterlassen. Bei
Tische amüsierte sich ein jeder nach Möglichkeit, d. h. er aß soviel, als er nur
konnte, von den Baumölfischen, der Suppe, gelben Rüben, Rind- und Kalbfleisch,
Gänsebraten, Apfel- und Mustorten; dies der stereotype Speisezettel. In den
Zwischenpausen trug der Possenmacher, sprechen wir hier zum ersten Mal seinen
Namen mit Ehrfurcht aus— Reb Leib
Lenzen —etwas vor: 1. ,,Halt nur ein wenig stille, betrachtet meine
Brille" usw. dann 2. ,,Den Schlossergesellen" und zuletzt 3. ,,Den
Bauern". Dies war seine ganze Gelehrsamkeit, die er auf einer jeden
Hochzeit, zum Besten gab, nicht mehr und nicht weniger. Zum Schlusse der Tafel
mußte er die Hochzeitsgeschenke ausrufen und zwar speziell, was ein jeder dem
jungen Paare zukommen ließ. Führwahr ein sehr undelikates Verfahren, aber man
kannte es nicht anders, und es würde ein Verstoß gegen die gute Sitte gewesen
sein, hatte man es unterlassen. Reb Leib Lenzen stellte sich also auf einen
Stuhl und indem jeder einzeln nach und nach das betreffende Geschenk in die
Hand gab, fing er an: ,,Do schenkt Reb A. e silbernen Eßlöffel. Do schenkt Reb
B.-e Zuckerzang. Do schenkt Reb C e kuppernen
Kessel, usw.".
Gleich
nach dem Segensspruch vor aufgehobener Tafel stürmte alles nach Hause, um sich
jetzt wieder neue Kleider für den Tanz anzulegen. Natürlich durften bei den
Damen ebensowenig eine neue Haube wie neue Tanzschuhe fehlen Es verdient die
dies als besondere Merkwürdigkeit erwähnt zu werden, da in den Annalen
der
Völkergeschichte es nirgends zu finden ist, daß an einem einzigen Tage eine
Staatsform dreimal verändert worden wäre. Jetzt ging der Tanz los, für welchen
auf manchen Hochzeiten die unverheirateten jungen Leute erst die Musik bezahlen
mußten. Nachdem man um es richtig zu bezeichnen, viele Stunden herum gesprungen
war, etwa um 2 Uhr des Nachts, da wurde in den Herzen der Frauen das Mitleid
für die Braut rege und sie dachten daran, sie in ihrer Ruhe zu bringen. Der
bestehenden Sitte gemäß machten sie, und zwar ausschließlich die Frauen, noch
einen kleinen Tanz mit ihr und geleiteten sie dann nach ihrer neuen Wohnung;
man nannte dieses Leigen (Legen) führt.
Und in der Tat wurde sie dort von den Frauen entkleidet und wie ein
kleines Kind zu Bette gebracht, worauf jene nach dem Festlokal zurückkehrten.
Da lag nun die Braut in ihrem Kämmerlein ganz isoliert und wartete der Dinge,
die da kommen würden. Allein es kamen keine Dinge, und auch der Bräutigam kam
nicht. Bald wurde sie ängstlich und jammerte: ,,Was säumt er und kommt noch
nicht, was zaudern die Tritte seiner Füße?“ (Vergl. Richter 5,28 Gesang der
Deborah.) — Aber sie zauderten länger, und da ging ihr mancher Gedanke durch
den Kopf. Sie, welche lange Jahre geweilt in jenem Orte, welcher eine
Unversteht, Stund-Enten und Profoß-Ohren hatte, sie konnte sehr wohl von einem
Luftzuge intellektueller Bildung angehaucht worden sein; wenn ihr daher ein
Gedanke vorschillerte, so konnte es sogar ein klassischer
sein, der sich dahin ausdrücken würde: ,,Zarte Sehnsucht, süßes Hoffen, der
ersten Liebe goldne Zeit, hot er sich efscher (vielleicht) im Finstern verloffen, odder woos macht er sunst fer Narschkeit“ Indessen draußen
wußte man den Grund seines Ausbleibens besser. Nachdem nämlich die Braut in
Ruhe (?) gebracht worden war, war es Sache der verheirateten Männer nunmehr
auch den Bräutigam, nach dem gedachten Ausdruck: ‚Leigen’ zu führen. Da wurde
aber noch lange nicht daran gedacht Nachdem nun auch jene ausschließlich mit
ihm herum getanzt, wurde er allerdings zu seiner Wohnung geführt; an der Tür
angelangt aber wieder nach dem Festlokal förmlich zurückgeschleppt, und da ging
nun der eigentliche Tanz mit ihm los. Dieser wurde genannt der Odom rischauns Tanz (Tanz des Urmenschen Adam).
Daran nahmen sämtliche männlichen Gäste teil. Sie machten eine große Ronde und
sangen dabei: ,,Adam hatte sieben Söhne, sieben Söhne hatte Adam, sie aßen
nicht, sie tranken nicht, sie waren alle liederlich, sie machten alle so, sie
machten alle so", und da wurden denn allerlei Grimassen und
Gestikulationen dabei gemacht, und alles dieses so lange wiederholt als oder
eine neue komische Körperbewegung hervorzubringen. Als man nun nach langer Zeit
endlich genug sein ließ des für den Bräutigam grausamen für die anderen aber
lustigen Spiels, da wurde der Bräutigam wieder abgeführt und bis zu seiner Türe
gebracht, aber ins Haus wurde er nicht hineingelassen. Der so Gequälte mußte
sich jetzt wirklich für den Urmenschen Adam ansehen, dem durch die Cherubim und
das flammende kreisende Schwert das Eindringen in das Paradies unmöglich
gemacht wurde. War indessen der Bräutigam etwas freigebiger Natur, so fand er
bald gegen das Delirium seiner Peiniger ein Mittel, ohne welches er
unbarmherzig wieder zurückgeschleppt worden wäre. Es war ein homöopathisches
Mittel und zwar der von dem Hygieniker Vater Noah erfundene Lebenssaft,
Rebensaft. Unser Bräutigam ging auf die Anwendung
dieser Kur ein, da es jedoch zu spät in der Nacht war, um solche sogleich zu gebrauchen, so verschrieb er eine Anzahl
Flaschen dieses Lebenssaftes auf den anderen Tag, wo man doch wieder
zusammenkam. Und nun war er von den Händen seiner Peiniger befreit. Die Braut
war ganz verzweifelt in ihrer Einsamkeit und schäumten ihre; Lippen vor —
Erwartung, als endlich ihr Längstersehnter eintrat. Er würde, durch langes
Herumzerren ermüdet, sich sofort in Morpheus' Arme geworfen haben, allein er
hatte seiner jungen Frau noch vieles zu erzählen, von dem, was ihm begegnet,
und so zog er es vor, sich in ihre Arme zu werfen auf daß auch sie das
Abenteuer dieser verhängnisvollen Brautnacht erfahre.—
In dem Festlokal tanzte man noch fort, nach und nach aber verloren sich aus demselben die Männer mit ihren Frauen, zuletzt auch die Jugend. Häusliche Szenen kamen in dieser Nacht noch da vor, wo der Ehemann seiner Frau erzahlte, wie man dem Bräutigam zugesetzt habe. Diese Mitteilung seiner Leidensgeschichte, worunter auch die Braut leiden musste, konnte bei einer tieffühlenden Frau nicht ohne einen gewissen Eindruck vorüber gehen. Der Ehemann bekam deshalb einen leisen Vorwurf über seine Beteiligung bei dieser Affäre, denn er hatte sich selbst in die Lage des so Gequälten denken müssen. er sah jetzt sein Unrecht ein.
Das Nachfest, das am folgenden Tage
gefeiert wurde, nannte man hier und wahrscheinlich auch an anderen orten, das
Schatzmahl oder auch Sz'udas dogim (Fischmahlzeit). Da gab es vorzügliche
Fische zu essen, und es wurden dazu die größten Hechte, die nur aufzutreiben
waren, verwendet. Auch wurde an solchen Tagen noch getanzt, wenn die Jugend
Lust hatte, die Musik dazu zu bezahlen, und warum denn nicht, denn es vergingen
immer viele Jahre, ehe es einmal eine Hochzeit gab.“31
,,Vorigen Mittwoch, als den 14ten November begieng die hier
unter dem Nahmen Chevras Gaumle Chasadim bestehende jüdische Gesell-schaft
ihr hundertjähriges Jubiläum auf folgende Weise:
,,Des Morgens waren die Mitglieder dieser Gesellschaft
und der grösste Teil der hiesigen jüdischen Kolonie in der Synagoge beim
gewöhnlichen Morgengottesdienst gegenwärtig; und wurden einige auf den Tag und
die feierliche Handlung Bezug habende Psalmen und Gebete abgesungen auch von
der Gemeinde für das Wohl des Königs und des königlichen Hauses gebeten.
,,Mittags versammelte sich die ganze Gesellschaft auf dem Kneiphöfischen
Junkerhofe wo der hiesige verdienstvolle Rabbiner Rabbi Josua Beer Hertzfeld
eine kurze inhaltreiche deutsche Rede hielt, in der er zur Unterhaltung dieser
edlen Stiftung mit einer ihm ganz eigenen Herzlichkeit aufmunterte, und die er
mit diesen Worten beschloss: ,,Scheuet nicht, meine Brüder, das Eulengeschrei,
welches sich jetzt so unwürdig wider Euch erhebet, sondern fahret fort gerecht
und gut zu sein, denn noch lebt Gott und unser gerechte Landesfürst Friedrich
Wilhelm III. Er lebe hoch!" Und nun erscholl es durch den ganzen Saal: Er
lebe hoch! ,,Nur wenige Augen waren die Rührung zu verbergen in Stande, in
welchen sie durch diese erbauliche Rede versetzt wurden.
Die Wirkung derselben zeigte sich, als die
würdigen Vorsteher der Gesellschaft bald nachher eine Kollekte eröffneten; man
drängte sich hinzu und gab mit vollen Händen.
,,Dann wurde zu Mittag gespeist und beim Schall der Pauken und Trompeten
die Gesundheit unsers theuersten Königs Majestät wie auch unsrer hochverehrten
Landesmutter, der Königin Majestät und
des ganzen königlichen Hauses ausgebracht, wobei jedesmal ein allgemeines
herzliches Vivat erscholl; das Ganze beschloss eine fröhliche
Abendmahlzeit."
So sehr es mich schmerzen muß, gegen meine
eigenen Glaubensgenossen, ja sogar meine Vorsteher, Beschwerde führend
aufzutreten, so kann ich solches dennoch nicht unterlassen, nachdem jede gütige
Ermahnung erfolglos geblieben.
Es hat sich vor
einiger Zeit ein Theil des hiesigen,
Korporations-Vorstandes, an dessen Spitze der H. Isaac Caro, herausgenommen,
einen Gebrauch, welcher schon langer als 500 Jahre in allen jüdischen Gemeinden
besteht, beim öffentlichen Gottesdienst abzuschaffen ohne mich als jüdisches
Oberhaupt der Corporation auch nur im mindesten hierüber zu befragen.
Als ich das Benehmen des Korporations-Vorstandes in dieser Angelegenheit
ernstlich tadelte und ihm seine Handlungsweise als unseren religiösen Gesetzen
zuwider verwies, wurde ich nicht einmal einer Antwort seitens desselben
gewürdigt. Eine solche Anmaßung seitens des Vorstandes kann durchaus durch kein
gesetzliches Motiv gerechtfertigt werden, und um so weniger, als das
Allerhöchste Gesetz vom 1. Juni 1808 den Korporationsbeamten nur die Verwaltung
des Vermögens der ersteren sowie die Sorge für den Unterricht der Jugend,
keineswegs aber das Patronat der Synagoge oder auch nur die Anordnung des
öffentlichen Gottesdienstes einräumt. Obgleich
nach unseren Staatsgesetzen die vorgesetzten Behörden sich in unsere religiösen
Angelegenheiten nicht zu mischen haben, so kann es dennoch der Allerhöchste
Wille unseres Allergnädigsten Königs nicht sein, daß bei unseren religiösen
Verfassungen es jedem Laien freistehen sollte, beim öffentliche Gottesdienste
Gebräuche nach eigenem Gutdünken einzuführen oder abzuschaffen. Ich erlaube mir
demzufolge an Ew. Hochw. die unterthänigste als dringende Bitte zu richten:
Hochgeneigtest dem Korporations-Vorstande solche Anmaßungen ernstlich verweisen
und demselben aufgeben zu wollen, sich in Betreff des Gottesdienstes ganz in
meine Anordnungen als deren religiöses Oberhaupt zu fügen. Ich darf bei der
bekannten Humanität Ev.-Hochw. der hochgeneigten Gewährung meiner gehorsamsten
Bitte entgegensehend und verharre ich in tiefster Ehrerbietung ergebenster
Der Oberrabbiner Josua Beer Herzfeld.“
Unsere
Gemeinde hat am 25. d. M. durch das Hinscheiden unseres Oberrabbiners Herrn J. B. Herzfeld einen sehr großen Verlust erlitten. Dieser
würdige, allgernein geachtete Mann, welcher 32 Jahre mit unermüdlicheren Eifer unserer Gemeinde als Seelenhirte vorgestanden, hat ungeachtet vieler
Leiden und mehrjähriger Krankheit dennoch das hohe Alter von 88 Jahren
erreicht. Wir enthalten uns jeder Aeusserung über dessen Kenntnisse im Talmud
und anderem Wissenschaften sowie über dessen musterhaften höchst rechtlichen
Lebenswandel, indem dessen Ruf in allen Gemeinden Israels längst begründet
ist. Der Schmerz über dieses traurige
Ereignis hat sich erst bei der
Beerdigung kundgegeben, wo alle Geschäftslokale geschlossen waren und fast alle
Gemeinde-Mitglieder sowie die
Schuljugend in tiefer Trauer der theuren Leiche bis zum Friedhofe folgten,
woselbst von mehreren Rabbinern auf eine herzergreifende Weise die Gemeinde auf
ihren großen unersetzlichen Verlust
aufmerksam gemacht wurde. Jeder fromme Israelit wird gewiß unseren Schmerz theilen und in Wehmuth
mit uns ausrufen: Friede seiner Asche
Rawicz,den
30.August 1846.
Die
Verwaltungsbeamten der israelitischen Korporation.
Das Lissaer Synagogenbuch widmet ihm folgenden Nachruf:27
|
Euer Wohlgeboren,
wollte ich gelegentlich meine Aufwartung machen,
bedaure sehr ,Sie nicht zu Hause gefunden zu haben.
Es besteht die Bitte, ob Sie nicht die Gewogenheit
und Gefälligkeit für den Verwandten von mir, Herrn Grafen Kalckreuth, haben
wollten und seiner Tochter der Frau v. Knobloch, welche auf kurze Zeit zum
Besuch hier bei den Eltern ist, Ihr Zimmer, was neben dem der Frau v. Knobloch
ist, abzutreten gegen das Hinterzimmer, da Sie wenig zu Hause sind, und sich
die Familie Kalckreuth tunlichst verpflichten würde, welche früher Zapplau
besaß und mit Ihrem II. Vater u. dem alten Mendel Herzfeld sehr bekannt ist.
Auch mir würden Sie dadurch eine Gefälligkeit erzeigen.
Vergeben Sie, wie ich mir die Freiheit nehme, Sie
im Namen des Generals darum zu bitten.
Eine gütige Antwort würden Sie wohl an mich durch
Kalckreuths an mich absenden.
Hochachtungsvoll habe ich die Ihre zu sein.
Frau Witzleben
ergebenst
diese
Berlin, d.18/9. 45 v.
Unruh
aus Guhrau, jetzt Angermünde
im
Mainhardt, Hotel zur Linde
Dein Wertes vom d. M. habe ich erhalten. Daraus ersehe ich Deinen Wunsch,
in Angelegenheit der Johanni; nur sehe ich mich genötigt Dir das nötige von dem
zugeschickten Infenta rium mitzuteilen, damit Du ersehen kannst, daß weder
Pfandbriefe noch mein Geld, welches ich ihm mitgab und bestand in 50 gl. lr und
12g laur. noch da war, denn er konnte bei seiner Krankheit in den 8 Tagen, wo
er fort war, nicht 1 g verzehrt haben. Der Justizrat Schwarz in Trachenberg
schickte mir noch eine Rechnung zu, wo ich dabei noch zehn Taler 4g Spf ein—
schicken mußte. Wenn Du wirst herkommen, kannst Du Dich noch gründlicher von
den Schreibens überzeugen und urteilen. Da ich nicht erben will, so sage ich
mich los von dem Hinterlaß des Heinrich.
Endlich begrüßen wir das ehrwürdige Rabbinat,
damals vertreten durch den Rabbinatsverwalter Oettinger (Reb
Jaakauw Jaußeif) und den Rabbinats-Assessor E. Rosenstein (Reb Elchonon).
Oettinger war einer der bravsten und würdigsten Männer und ein. großer
Talmud-Gelehrter, ebenso wenig selbst- als gewinnsüchtig. Er hatte keine
Kinder, sorgte aber für seine und seiner Frau Nichten, die bei ihm erzogen
wurden, gleichsam wie für seine eigenen, und er wurde darin von seiner sehr
würdigen Frau unterstützt. Es war eine besondere Freude zu scheu, wie das
Ehepaar noch in ihrem hohen Alter — sie feierten sogar ihre goldene Hochzeit — sich gegenseitig mit Liebe und Zärtlichkeit
begegneten. Bei allen guten Eigenschaften, die der Mann besaß, war er aber am
allerwenigsten geeignet, dem Amte eines Rabbinats-Verwalters vorzustehen und
man nannte ihn ironisch: Rabbinatsverweser, d. h. einer, der das Rabbinat
verwesen läßt. Er war ein schwacher ängstlicher Mann, der sich leicht ins
Bockshorn jagen und von jedem, der es darauf anlegte, überrumpeln ließ. Machten
ihm Freunde hierüber Vorstellungen, so antwortete er: „Ich werre mich: mit die
Leut nischt zänken.“ Er ließ daher alles gehen, wie es ging und verlor bald
seine ganze Autorität. Zweimal im Jahre hielt er in der großen Synagoge
nachmittags einen Kanzelvortrag (Deroschoh) und zwar an Schabbath haggadol und
an Schabbath Schuwah in seinem
ungezwungenen jüdisch-deutschen Jargon. Der größte Teil der Synagogenbesucher kam hin, um sich zu amüsieren. Denn
nachdem der Rhetor ungefähr 1/2 Stunde lang über die Bedeutung des Tages
gesprochen hatte, teils vernehmbar, teils in den Bart murmelnd, hielt er
plötzlich ein und sagte: „Nu losen wer schmuußen a Bissel Schmaatesch,“ d. im.
ungefähr: Jetzt wollen wir uns einmal ein wenig mit einem gelehrten Vortrage
beschäftigen. Hier begann nun eigentlich das Amüsement. Kaum war das gelehrte
Thema begonnen, und die Explikation gefolgt, als schon ein polnischer
Waul-Lerner mit langem Bart und dito Peiaus hervorsprang und einen Einwurf
machte, wodurch‘ sich sofort ein großer Pilpul (eine Dialektik) entspann, indem
sich noch ein halbes Dutzend solcher polnischen Jüden daran beteiligten.
Oettingers Vorgänger im Amte, der vorher erwähnte Meyer Simon Weyl war klüger
und ließ sich auf einen gelehrten Streit nicht ein, sondern erwiderte
demjenigen, der damit anfangen wollte: „Lieber Freund, wollt Ihr mit mir
disputieren, so kommt in meine Wohnung oder in (las Beth hamidrasch, hier habe
ich keine Lust dazu.“ Oettinger ließ sich aber immer auf die Beantwortung der
Kontradiktion ein, und wenn mehrere Waul-Lerner ihn zu gleicher Zeit anfielen,
da hatte er oft Mühe, sich aus dem rabulistischen Chaos herauszuwinden. Mit
einem einzelnen wurde er
leichter fertig, denn
einem solchen sagte er immer, indem er hinter dem Katheder hervorsprang mit
etwas heftigen Worten:
„Redt kaane Narrschkeit!“ Der Mann ließ sich aber
nicht belehren und widersprach aufs neue. Da ward ihm mit etwas milderen Worten
gesagt: „Geit (Gehet) Ihr seindt a Narr“ (Ihr seid ein Narr). Gab er sich aber
dann noch nicht zufrieden, so wendete sich der Kanzelredner lachend an das
Publikum mit dem Bemerken:
„Der Jüd konn nischt lernen!“ Während nun ein solcher Kontradiktor mit dein Rhetor stritt, hatte sich von den Waullernern eine Gruppe
gebildet, in welcher sich wieder ein Streit entspann, wer
von den
beiden Männern recht habe, und dieser Streit wurde
zuletzt so laut, daß der Kanzelredner nicht mehr zu Worte kommen konnte. Er
hielt daher eine Weile ein, holte aus der Tasche eine
silberne Dose, nahm ganz gemütlich eine Prise, strich sich
recht behaglich den Bauch und sagte lachend zum Publikum: „Konn ich mich derweil e bischen oobruhen!“ Wer solche
Szene nicht selbst gesehen hat, der glaubt es nicht, und der Gelehrte Bensew in seinem hebräischen Wörterbuch Ozar
Haschoraschim bezeichnet einen solchen nicht immer an richtigem Orte
angebrachten Pilpul sehr treffend als Bilbul (Wirrwarr). Zum Schlusse knüpfte Oettinger seine Worte wieder
an die vorher abgebrochene Rede an.7
Carl und Ludwig Herzfeld
im
Revolutionsjahr 1848/49
Prolog
Das verlängerte Wochenende über Christi Himmelfahrt bietet die Möglichkeit
einen Abstecher nach Berlin zu machen. Übernachtung im Hotel Delta an der
Potsdamer Straße, nicht allzu weit entfernt von der Preußischen
Staatsbibliothek und der imposanten Baustelle am Potsdamer Platz , dessen
zukünftige Gestalt bereits markant hervortritt, entfernt. Mein Blick gleitet
über die Baumsilhouette des Tiergartens , hinter der, vom Abendhimmel
abgehoben, die Konturen der neue Kuppel
des Reichstages sichtbar wird.
Ein Jahr bevor am 23. Mai 1999 die Bundesversammlung im Reichstag zur Wahl
des Bundespräsidenten zusammentritt, hat das mächtige Gebäude seine endgültige
Gestalt gefunden. Die Bundesrepublik Deutschland wird dann ihr fünfzigjähriges
Bestehen feiern und wenn auch mit
zeitlicher Verspätung hoffentlich der 1848er Revolution gedenken, auf deren
Tagesordnung vor 150 Jahren die Freiheit und Einheit des deutschen Volkes auf
demokratischer Grundlage standen, Ideen die erst jetzt voll realisiert werden
konnten, in einem gesellschaftlich und was die Gebietsstruktur anbelangt
relativ homogenen Bundesstaat, nach dem das alles dominierende Preußen in seine
Provinzen aufgelöst worden war.
Nach meiner Meinung wurde fahrlässig versäumt, diesen Jahrestag zur
Identitätsstiftung mit der neuen „Berliner Republik“ zu nutzen.
Vor meiner Reise vertiefte ich mich wieder einmal in Robert Springers
„Berlins Straßen, Kneipen und Clubs im Jahre 1848“,[8] die zwei Jahre nach den revolutionären Ereignissen erschien und sicher das
Studium etlicher Publikationen, die aus Anlaß dieses Ereignisse in diesem
Jubiläumsjahr auf den Markt geworfen werden, überflüssig macht.
Vor einigen Wochen fiel mir zusätzlich eine kleine Schrift „Der Spruch des
Berliner Kriegsgerichts gegen die am 22. und 24. Mai 1849 Verhafteten: Lehrer
Gercke und Koch, Assessor Gubitz und Herzfeld, Dr. Waldeck, Dr. Weiß,
Buchdruckereibesitzer Berends, Partikulier Schönemann, Justizrath Pfeiffer und
Thierarzt Mecklenburg“ [9] in die Hände. Sie rief mir wieder
Carl Herzfelds aktive Beteiligung an
der 1848 er Revolution in Erinnerung.
Ich nutzte also einen meiner Berlinaufenthalte, um zahlreiche Stätten des
Geschehens abzugehen und einen Abriß der Ereignisse an denen Carl Herzfeld in
Berlin und sein Bruder Ludwig im schlesischen Sagan beteiligt waren, in einer
erweiterten Fassung niederzuschreiben.
Personalien
Carl Herzfeld, der ältere Bruder des Ludwig, wurde am 23. Januar 1816 als
Isaac, Sohn der jüdischen Eheleute
Jacob und Liebchen Herzfeld [10], im schlesischen Guhrau unweit der
Grenze zum Herzogtum Posen geboren. Carl besuchte zusammen mit seinem jüngeren
Bruder Ludwig das Evangelische Gymnasium in Glogau. Nach Ablegung des Abiturs, schrieb er sich am 22. Oktober 1836 an
der juristische Fakultät der Friedrich-Wilhelm-Universität in Berlin ein.
Dort hörte er im Wintersemester 1836/37 Logik und Metaphysik bei Henning,
Institutionen u. Altrecht des Römischen
Rechtes sowie Juristische Enzyklopädie bei Klenze, ferner altdeutsche Mythologie
bei Hagen. Im Sommersemester 1837 belegt er Römische Rechtsgeschichte bei
Klenze, Pandekten und Erbrecht bei Rudorff und Völkerrecht bei Gans. Im
folgenden Wintersemester Kirchen- und Bauernrecht bei Röstell, Deutsches
Privatrecht bei Hohmeyer, Gemeines Strafrecht bei Klenze und
Kriminalprozeßrecht bei Heffter. In diese Zeit fällt auch sein Übertritt zum
Christentum zusammen mit seinem Bruder Ludwig, der sich zu Beginn des
Wintersemester ebenfalls in der juristischen Fakultät hatte einschreiben lassen,
ließ er sich am 14. Februar 1838 in der Jerusalmer Kirche taufen. Unter den
Taufpaten befand sich neben seinem Kommilitonen Carl Adoph Müller und dem
Spediteur Erbsch einer seiner Professoren, der Strafrechtler Clemens August Klenze.
Im Sommersemester 1938 setzte er seine Studien mit dem Gemeinen- und
Preußischen Civilrecht bei Heffter sowie bei Gans mit Staatsrecht fort. Das
darauf folgende Semester bestritt er bei Homeyer mit Preußischen Landrecht,
Deutscher Reichs- und Rechtsgeschichte und Altdeutschen Gerichtswesen. Im
Abschlußsemester im Sommer 1839 sah man ihn - noch einmal bei Hohmeyer -
Deutsches Privatrecht hören. Carls Leistungen wurden von seinen Professoren
durchgehend mit „sehr fleißig“ und „ausgezeichnet fleißig“ beurteilt.
Nach dem Abschluß seines Studiums ließ sich Carl Adolph Herzfeld am 22. Mai
1842 mit Ida Amalie Lemke, die am 27. Juli 1822 als älteste Tochter des
Friedrich Wilhelm Lemke und seiner Ehefrau Dorothea Charlotte Friderike, geb.
Wernicke das Licht der Welt erblickt hatte, trauen. Die Hochzeit fand wie
bereits die Taufe in der Jerusalemer Kirche statt.
Als Carl mit Ida die Ehe schloß, war sein Schwiegervater , der den Beruf
eines Pelz- und Kleidermachers ausgeübt hatte, bereits verstorben.
Uns sind drei jüngere Schwestern der Ehefrau Carls namentlich bekannt:
Emilie Friederike Mathilde (geb. 14. 12.1823),
Albertine Maria (geb. 7.6.1827) und Maria Albertine (geb. 23.6.1828). Carl war nun, nach dem er seine Auskultatur abgeschlossen hatte, als
Referendar am Kammergericht in der Lindenstraße unweit der Jerusalemer Kirche
tätig. Das Gebäude beherbergt heute das Berlin Museum.
Noch im selben Jahr, am 14.
September 1842, wurde Carl und Idas erstes Kind geboren, das am 26. Oktober
1842 in der Jerusalemer Kirche auf die Namen Alwine Emilie Friderike Hedwig
getauft wurde.
Am 18. März 1844 brachte Ida, die Frau Carls, einen Sohn zur Welt, der in
der Taufe, die in der Jerusalemer Kirche vollzogen wurde, die Namen Emil Ludwig
Georg Herzfeld erhielt. Unter den Taufpaten befand sich ein Referendar Limann,
der zusammen mit Carl beim Kammergericht tätig war und Ludwig Herzfeld, der kurz vor Pfingsten aus Glogau angereist
war.
Im Juli 1845 wurde der zweite Sohn geboren, der am 27. Juli 1845 auf die
Namen Albert Eigard Wilhelm Conrad
getauft wurde. Taufpaten waren: der Kammergerichtsassessor Limann, Graf
Einsiedel und die Tante des Täuflings Maria Albertine, die 17jährige Schwester
Idas. Am 8. Januar 47 bekamen Carl und Ida ihr viertes Kind, diesmal wieder ein
Mädchen. Die Taufe der kleinen Adolphine Bertha Maria fand am 23. Januar d.J.
in der Jerusalemer Kirche statt. Paten waren
der Assessor Limann, sowie der Hofmedicus Dr. Michaelis und ein Dr.
Schweitzer.
Im Jahr darauf, 1848, vor einhundertundfünfzig Jahren, gingen am 18.
März die Berliner auf die Barrikaden,
um für demokratische Rechte, um für eine Verfassung zu kämpfen. Die Ereignisse
in den verschiedenen Teilen Deutschlands, sei es nun in Wien, Frankfurt,
Dresden oder Berlin, ließen wohl kaum einen Menschen gleichgültig.
Aber beschränken wir uns bei unseren Betrachtungen auf die Ereignisse in
Preußen, insbesondere auf Berlin, wo Carl seinen Wohnsitz hatte und auf das
schlesischen Sagan, wo Ludwigs Lebensschwerpunkt lag.[11] Dabei soll versucht werden, einige Schlaglichter auf das Verhältnis der
Herzfeld-Brüder Carl und Ludwig zu den revolutionären Ereignissen zu werfen.
Das revolutionäre
Geschehen in Berlin
In Preußen regierte Friedrich Wilhelm IV., der Romantiker auf dem Thron,
der bereits in der ersten Märzhälfte des Jahres 1848 unter dem Druck der
Ereignisse in Deutschland sich bereit gefunden, hatte der Verfassungspartei
wichtige Zugeständnisse zu machen. „Ein königliches Patent vom 18. März vollzog
den Übergang Preußens zum konstitutionellen System und übernahm zugleich die
wesentlichen Forderungen der Einheitsbewegung: deutsche Nationalversammlung,
deutsche Wehrverfassung, Bundesflotte und Handelseinheit. Eine Massenkundgebung
vor dem Schloß jubelte dem König zu. Als man im Schlosshof Soldaten erblickte,
wurde man misstrauisch und rief: Fort mit dem Militär. Als dieses den
Schlossplatz räumen wollte und dabei auf noch heute ungeklärte Art zwei Schüsse
losgingen, fühlte man sich verraten. Jetzt kam es zum Barrikadenbau und zum
bewaffneten Widerstand.“ [12]
. Bereits vor den blutigen Ereignissen des 18. März 1848, war es wie etwa
bei der „Zelten“-Versammlung am 16. März
zu bewaffneten Einsatz des Militärs, zu Steinwürfen und Barrikadenbau
von Seiten der Bevölkerung und sich
anschließenden Demonstrationen Unter den Linden gekommen. Ob Carl Herzfelds
sich bereits hier oder unter den Versammelten auf dem Schlosshof befand, wo am 18. März, als die beiden wohl
ungezielter Schüsse fielen, die die Barrikadenkämpfe auslösten, wissen wir
nicht.
„Die am frühen Nachmittag einsetzenden Kämpfe mobilisierten einer großen
Teil der Berliner Bevölkerung. Angehörige aller bürgerlichen Berufe, Arbeiter
und auch Studenten, vorwiegend jedoch Handwerker waren daran beteiligt. Die
Zahl der aktiven Barrikadenkämpfer wird auf etwa 3-4000 geschätzt, die der
Helfer und Sympathisanten auf „viele Zehntausend“. ‘Man kann sich nicht
verbergen’, so berichtete der russische Gesandte nach Petersburg, ‘daß der
allergrößte Teil der
Bürger an dem Aufstand teilgenommen hat; sogar die Hausbesitzer
begünstigten, bevor die Truppen vordrangen, den Barrikadenbau und das Aufreißen
des Straßenpflasters; Pflastersteine wurden von Frauen und kleinen Kindern auf
das Dach der Häuser getragen... Jeder von uns meint das wilde Geschrei in
dieser Nacht noch zu hören. Alle Bürger glaubten an Verrat und verwünschten den
König.’“ [13]
Der später als Bibliograph und Orientalist berühmt gewordene Moritz
Steinschneider (1816-1907) schrieb seiner Braut am 20. März 1848 nach Prag über
die Vorgängen in Berlin.[14]
„Meine teure Auguste!
Ich glaube nicht, daß es an diesem Tage
in Susa anders ausgesehen habe als
hier wenn das Buch Esther mehr als ein persisch jüdischer Roman ist. Berlin hat 6 Tage bedurft, um
an den Tag zu bringen, was bereits unter der Hülle längst vorbereitet lag.
Verlange keine Schilderung von Einzelheiten bis aufs Mündliche, ich kann hier
nur die Hautzüge hinwerfen.
Sonnabend um
2 hiess es: Constitution, Ministerwechsel u.s.w.; die Bürgerdeputation zog vor
das Schloss, dem König ein Lebehoch zu bringen ich selbst mit Deinem Briefe und
wiener gleichen Nachrichten von Zunz (die Prager Petition hatte ich schon
Donnerstag in der schlesischen Zeit. gelesen) zu
Schöneberg
zu Tische eilend, trank eben ,,Freiheit, Verbrüderung". Da heisst es um 3
1/2 Uhr: die Läden sind geschlossen, das Militär schiesst auf die Bürger
u.s.w.!
Ich renne
den kleinen Weg nach Hause, und um 4 Uhr hatte Berlin mehrere 100 Barrikaden!
Auch mich hättest Du Steine tragen und Blocke wälzen sehen können. Indess hiess
es, es sei das zufällige Losgehen 2er Gewehre auf dem Schlossplatze Grund des
Missverständnisses. Augenzeugen behaupten, dass man auf die Bürger eingehauen
habe. -
Die Sache
ist noch nicht erklärt. Genug, die Erbitterung hatte den höchsten Grad
erreicht, und als um 41/2 Uhr das Militär anfing, sich in die verbarricadirten
Strassen zu begeben, fand es an vielen Punkten eine unerwartet heldenmässige
Verteidigung der Bürger, namentlich Schützen, und Studenten. Man glaubt
allgemein, dass der Prinz von Preussen auf Vorschreiten des Militärs mit
Kartätschen und Granaten gedrungen. Die Verteidiger mussten sich grossenteils
selbst die Waffen erobern . Um 12 Uhr hörte das Schiessen in meiner Nähe ein
wenig auf, und gegen I Uhr schlief ich ein.
Gestern früh war in meiner Umgebung das Militär Meister des Platzes
hingegen bald darauf der commandirende General Möllendorf in Händen der
Schützen, die ihn zu erschiessen drohten. Gegen 11 Uhr rückte das Militär
zurück. Heute ist kein Mann hier zu sehen . Schloss und alle Wachen sind von
Bürgern besetzt, einem Manne, der einige Studenten durch Verrat ans Militär ums Leben brachte, wurden alle
Möbel, Geld etc. auf öffentlicher Strasse verbrannt,, einem anderen der Laden
gestürmt, - von Diebstahl und Raub nirgends die Rede! Heute vormittag konnte
nur die Überschrift ,,Nationaleigentum" und das Zureden der Gebildeten das
Hotel des Prinzen von Preussen vom Demolieren retten; eine Tricolorfahne
(Deutsch) weht herab. Gestern Abend Illumination und fortwährendes
Freudenschiessen, singende Banden.
Schwerin und
Auerswald, bekannt durch Opposition in der Kammer, sind bereits Minister; alle alten werden durch liberalere
ersetzt. Aber diese Umwandlung Berlins kostet manchen Märtyrer Leben und
Gesundheit. Hunderte, Militär und
Civil, sind gefallen oder verwundet. Man bereitet ein allgemeines
Leichenbegängnis und Denkmal vor, und von ,,Jud" oder ,,Christ" ist
gottlob nicht mehr die Rede. In 4
Wochen müssen Preussens Juden emanzipirt sein, denn das Volk emanzpirt sie bereits.
Wer hat jetzt Gedanken an sich? Der
Berliner Pöbel hat in diesen Tagen einen gewaltigen Culturfortschritt gemacht,
die Folgen der letzten Vorgange in aller Welt sind unübersehbar! Wohlan mein Kind, lass uns wieder zum Leben
erwachen, nun kann unsrer Zusammenkunft wohl kaum noch etwas hinderlich sein.
Hoffentlich werden wir jetzt eher Hütten bauen. Schon am 2. April kommen
die Stände hier zusammen, ich aber möchte Dich am 8.in Prossnitz sehen .Ob ich
mich jetzt noch sträube, eine Stelle - natürlich keine blosse Rabbinerstelle
oder dgl. in Oesterreich anzunehmen, hängt von Umständen ab; dgl. diesmal sind
die Wiener so schon vorangegangen, dass ,,die preussische Landwehr kaum
nachkommen kann"! Ich schrieb es Freitag nach Prossnitz. Ich wünschte, Du
schriebst ihnen sogleich den Hauptinhalt dieses Briefes, ehe beunruhigende
Nachrichten hinkommen.
Schreibe mir rasch Deinen Entschluss, die Zeit geht jetzt rasch darum auch
Adieu.
Nach dem 18. März, dem Tag der Barrikadenkämpfe, traf man sich im Hotel de
Russie, " Aufregung, Gereiztheit, Rathlosigkeit und wirres
Durcheinanderlaufen, ein verworrenes Getöse hallte in dem engen Raum. Es roch
nach Cigarren und Aufregung... Die Debatte drehte sich um das Begräbnis der
gefallenen Barrikadenkämpfer, welche am nächsten Tage bestattet werden
sollte." Neben einer Reihe von Persönlichkeiten unter denen sich auch Carl
Herzfeld befand, trat insbesondere Georg Jung hervor, der wie Carl
Gerichtsassessor war, er verkündete die Absicht, am Grabe der Gefallenen zu
sprechen. Am 22. März wurde die 183 Barrikadentoten im Friedrichshain
bestattet.
Die politische Rede am Grabe hielt
Georg Jung, er forderte Gleichheit vor Recht und Gesetz denn "der Reiche
hat neben dem Armen auf der Barrikade gestanden“. Noch waren die politischen
Differenzen innerhalb der "revolutionären Bewegung" durch den
gemeinsamen Demonstrationszug, an dem etwa 20.000 Menschen teilnahmen, am Tage
zuvor hatte König Friedrich Wilhelm IV, den Toten seine Reverenz erwiesen,
verdeckt worden.
Das politische und insbesondere auch das revolutionäre Geschehen wurden
auch von einer Reihe von Klubs getragen.
„Die politischen Hauptrichtungen des Berliner Nachmärz wurden von den
gemäßigten Liberalen und ihren Gegnern, den radikalen Demokraten bestimmt.
Letztere eröffneten das politische Vereinsleben durch die Gründung des
"Politischen Klubs", der anfangs noch als Sammelpunkt der gesamten
Märzbewegung gedacht war. Die Liberalen antworteten mit der Gegengründung eines
"Konstitutionellen Klubs" und zwangen damit ihre Rivalen, den eindeutigen
Parteinamen "Demokratischer Klub" anzunehmen. Die beiden Vereine
beherrschten weitgehend die politische Öffentlichkeit in der ersten Phase nach
der Revolution.“
Die Konservativen antworteten Mitte Mai mit der Gründung des
"Preußenverein", der unter „der Devise "Mit Gott für König und
Vaterland" die Vertreter der sich formierenden Konterrevolution umsich
sammelte. Auch die Arbeiterschaft begann sehr bald ein eignes Vereinsleben zu
entwickeln, umworben von den Demokraten, die sich anfangs noch als Schirmherren
und politische Vormünder der Arbeiter verstanden."
Von nun an standen sich jedoch die Vertreter der konstitutionellen Richtung
, die am 21. März 1848 bei Milentz den Konstitutionellen Klub gegründet hatten,
der die Mehrheit des Bürgertums hinter sich wußte, den Vertretern einer
radikal-demokratische Richtung, den "Jacobinern", zu denen auch Carl
Herzfeld zählte, die sich im Demokratischen Klub zusammengefunden hatte,
gegenüber.
Über die Gründungsversammlung im Zusammenhang mit der Reorganisation und
Umbenennung des Politischen in "Demokratischen Klub", die in der
Reiterbude am Dönhoffplatz stattfand, berichtet Robert Springer : "Der
weite Raum der Reitbahn mit den roh gearbeiteten amphitheatrischen Sitzen, der
mehrere Tausend Menschen fassen konnte, war so gedrängt voll, daß im wahren
Sinne des Wortes kein Apfel zur Erde fallen konnte. Ab und zu ging die Rotte
Monike", sie bestand aus einigen radikalen Studenten unter denen sich auch
einige befanden, die am 18. März 1848 die Maschinenbauer unter die Waffen gerufen
und auch auf den Barrikaden gekämpft hatten -"um das äußere Terrain zu
rekognosticieren" und von der Reaktion angeheuerten Schlägertrupps wie
"den etwa eindringenden Pferdeschlächtern oder anderen Söldlingen den
Eingang zu wehren". An die Spitze
des Präsidiums wurde Georg Jung
gewählt, der, wie bereits erwähnt die politische Rede an den Gräbern der
Barrikadentoten gehalten hatte. Sein Stellvertreter war Eichler, "der
durch seine derbe populäre Sprache und durch leidlichen Takt wohl dazu"
geeignet war. Neben Carl Herzfeld, "der seine Erholung von den juridischen
Repositorien in der Politik suchte, aber den Rechtsboden des Landrechts nie
ganz verlieren konnte" sind eine Reihe mehr oder minder bekannter
Persönlichkeiten zu nennen, die zum politischen Freundeskreis gehörten. Robert
Springer hat sie aus eigner Kenntnis mit wenigen Worten jeweils prägnant
charakterisiert: "Ottensoser, der immer nur sprach, wenn er wie ein Quäker
begeistert war, was aber keineswegs selten eintraf. Hätte seine Beredsamkeit nicht
zu viel von seiner Phantasie und der aufgeblasenen Übertreibung eines
Handlungsdieners an sich gehabt und wäre seine Bedeutentheit von den übrigen
Demagogen, die einem unstudirten Kaufmannsdiener unmöglich Berühmtheit
zugestehen konnten, nicht bei jeder Gelegenheit ins Lächerliche gezogen worden,
so hätte Ottensosser durch unverkennbares Talent eine wichtige Rolle spielen
können... Wyß, der allmählich in's Feuer gerieth, wie seine Zunge geschmeidiger
wurde; der lange, hellblonde Saß; Reich, der Kleine, der eine Armee von
Rehbergern hinter sich träumte. Er hatte eine Boxernatur und suchte mit Jedem
Händel. Karbe, der Greis, der den lieben Gott zum Barrikadenkämpfer
machte", Linden-Müller, "dessen reden populär wie Knoblauchwürste und
berauschend wie feiner Kümmelschnaps waren", Monike, "der wie ein
Keil etwas schwerfällig, aber doch spaltend traf“, Berner, "der jung,
frisch und roth politisierte", Lange, "mit dem Uckermärker Dialekt
und der entschiedenen republikanischen Sehnsucht", Hoppe, "der konfus
sprach, aber richtig fühlte. Er sah aus wie ein Neger, der eifrig Theologie
studirt hat", Buhl mit der Jungfernstimme und den satyrischen Ausfällen...
Stein, der dicke Aktuarius im rothbraunen Paletot und weißem Filz, der
parlamentarische Reden zur Beförderung der Verdauung zu halten schien; Schramm
der spätere Präsident, dem die Worte für die schnellen Gedanken zu langsam
waren; Bergenroth, ein großer, hübscher Mann, von entschiedener Gesinnung, der
sich nie vordrängte. Seine Redefertigkeit war unbedeutend, größer seine
Wirksamkeit für die demokratischen Wahlen in den Provinzen; Salis ein derber
Schweizer;Förster, äußerlich still, besonders thätig in den Commissionen; Dr.
Voigtländer, ein kleines schmächtiges Männchen, dessen Gesicht von der
Schulklassenluft gebleicht war. Er trat immer schüchtern auf, und als er einst
die Stärke der Armee, welche Berlin cernirte, im ängstlichen Flüsterton
mittheilte, reif er wahre Heiterkeit hervor... Van Arken, den man, wie die
Venus `a belles fesses, von hinten sehen mußte. Er hatte eine originelle Art,
die Rockschöße über einander zu
schlagen, wenn er sich zum Sprechen erhob. Zuweilen trat Graf Pfeil auf,
eine hohe Gestalt mit scharf geprägtem Gesicht. Als die Verfassungsklage
geprüft wurde, schleuderte er einige Kraftworte, hantierte dabei wie ein Held
in einem Klingerschen Schauspiele und verließ dann unter rauschendem Beifall
die Tribüne." Später erweiterte sich der Kreis um Hexamer, einen
Mediziner, Oppenheim, "eine kleine feine Gestalt, mit hübschem
rothwangigen Gesicht und schwarzem Backenbarte." Die beiden letzt
genannten waren "zwei reine Demokraten, die den Unterthanenverstand, woran
ihr Altmeister Hegel als Hofphilosoph wirklich geglaubt hatte, zur politischen
Kritik an und für sich herausgebildet hatten; der vollwangige Edgar Bauer, dem
die Magdeburger Kasemattenluft merkwürdig gut bekommen war; er hielt die
Republik so nothwendig wie Bairisch Bier; Arnold Ruge mit dem erdfarbigen
Seume-Gesicht, der in Halle die Keule geführt, in Paris die Lärmtrompete
geblasen hatte und nun in mit Berliner Pflastersteinen warf. Die
philosophischen Doctrinäre konnten ihm nicht verzeihen, daß er, der Heros der
Hallischen Jahrbücher, sich auf die Tribüne neben Ottenosser stellte. Er paßte
auch nicht dorthin, denn seine Rede war nichts weniger als populär. Die Thätigkeit des Clubs wurde fortwährend
in Anspruch genommen; die Reaction sorgte dafür. Was gab es nicht Alles zu
überwachen, zu protestiren, zu demonstriren und zu verwünschen. Die
Wahlkandidaten mußten vorgeschlagen und das Programm verfasst und berathen
werden. Das Ministerium wollte die Revolution verleugnen, dagegen mußte man
empörte Reden halten. Die Polen wurden geschrappnelt und gebrandmarkt, das gab
allein zu sechs aufgeregten Abendsitzungen Stoff. Die armen Polen, die noch aus
den Gefängnissen einen Klageschrei an die Berliner Studenten richteten, sie
fanden eben leider nur die größte Sympathie im democratischen Club! Eine große
Volksdemonstration gegen das rechtsbodenstabile Ministerium mußte nach der
Stätte der erschlagenen Märzhelden geführt werden. Die Regierung legte einen
Verfassungsentwurf vor, um den es sich nicht gelohnt hätte, eine Märzrevolution
zu machen; das gab Veranlassung zu famoser Aufregung, zu volkssouveräner
Entrüstung.“ 8
Die meisten Volksversammlungen, auch Ausgangspunkt für Demonstrationen
wurden, in den sich die "volkssouveräne Entrüstung" manifestierte,
fanden im Tiergarten auf einem freien Platz vor den Kaffeehäusern, die die
Zelte genannt wurden, statt. An dem Ort, wo ein einzelnes Orchester freitags
für die musikalische Unterhaltung der Gäste sorgte, tummelten sich Tag aus Tag
ein, die Vertreter der verschiedenen politischen Clubs. "Die verdeckten
Orchestersitze in der Mitte wurden zur Tribüne benutzt, der freie runde Platz
war mit Tausenden von Zuhörern angefüllt und von Marketenderbuden umgrenzt, in
den Zeltenräumen saßen Diejenigen, welche die Volksreden lieber von fern und
Bier und Kaffee in der Nähe prüften, vom Brandenburger Thore her rollten
zahlreiche Droschken, auf der nahen Spree glitten die lustigen Gondeln nach
Moabit, dessen Auen man jenseits erblickte, die Fenster des Schlosses Bellevue
blinkten im Sonnenschein durch die schattigen Alleen des Thiergartens, von
ferne gewahrte man die grüne Schloßkuppel und die Kirchthurmspitze von
Charlottenburg." [15]
Aber nicht nur auf der "Rednertribühne oder in den Zelten war Carl
Herzfeld zu finden, sondern auch bei Hippel, in einer jener Weinstuben, die
bereits im Vormärz zum Treffpunkt der politischen "Avantgarde"
wurden, ohne die eine Politisierung und Radikalisierung der Öffentlichkeit
nicht denkbar gewesen wäre. Mitte der 30er Jahre zählte man ungefähr hundert
Konditoreien in Berlin, dazu kamen noch zwanzig bis dreißig Weinstuben, unter
denen" neben der genannten, insbesondere Lutter (& Wegner), Mitscher
& Caspari, Kirchof, Gerold und Habel zu nennen wären. Die bekanntesten
Linkshegelianer, die sich bereits vor der Revolution in der Hippelschen
Weinstube trafen, waren Bruno Bauer, Max Stirner und Ludwig Buhl. Robert
Springer hat in seiner aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts stammenden
Charakterisierung der Urväter doktrinär-sozialistischer Herrschaft, das
Menschenverachtende dieser Verfechter einer von dem Kopf auf die Füße
gestellten Hegelschen Philosophie, die den Satz "Alles Bestehende ist
vernünftig" in den Grundsatz "Alles Bestehende ist Sch-"
umwandelten, erfaßt. "Diese Leute, welche vorgeben, für die Menschheit
wirken zu wollen, erkennen doch weder Menschheit noch Menschlichkeit an; Persönlichkeiten
respectiren sie grundsätzlich gar nicht, aber nicht, weil sie dieselben der
Idee unterordnen, sondern weil sie ihre eigne Person über alle anderen erheben
wollen. Von solchen Volksbeglückern ist kein Heil zu erwarten. Die Kämpfer für
die Menschenrechte können Atheisten sein, aber sie müssen an die Wahrheit und
Tugend glauben; sie müssen Geistesgröße und Seelenadel haben. Sprecht aber mit
Jenen von Wahrheit, so fragen sie 'Was heißt das ?' sprecht ihnen von Tugend,
so nennen sie euch, verächtlich lächelnd, 'blödsinnig,' Seelenadel erklären sie
für Sch- und Geistesgröße schreiben sie sich selber nur zu. Es gibt einen
Standpunkt, von dem die Weltwirren so großartig erscheinen, daß die einzelnen
Menschen zu Milben werden, aber dann erkennt auch der Betrachtenden seine eigne
Nichtigkeit; so lange aber man sich selber noch für eine Größe hält, ist eben
so unlogisch, wie arrogant, keinen Anderen neben sich anerkennen zu
wollen." Nach dem 18. März 1848 erweiterte sich der Kreis immer mehr, so
fanden sich auch die "Koryphäen" des Demokratischen Klubs hier ein:
Meyen, Bergenroth, Ottensosser, Hoppe, Jung, "der wegen der schnell
gewonnen Popularität besonders der Gegenstand des Neides wurde", Stein,
"der gegen die Demokratie der Rehberger immer eine halb schmerbäuchige,
halb büreaukratische Opposition bildete; wenn er seinen weißen Quäker und den
Paletot von zweideutig brauner Farbe abgelegt hatte, und beide Arme auf den
Tisch stemmte, sah Hippel kläglich nach der Wand, als würde er noch irgendwo
müssen durchbrechen lassen. Massaloup, Eichler, der jeden Abend ein Opfer der
Grobheit forderte; er suchte sich bald einen, den er verschlang, war aber dann
das gemüthlichste Haus, wie die Riesenschlange, wenn sie verdaut." [16]
Edgar Bauer und die Rotte Monicke, die inzwischen auch bei Hippel ein und
aus gingen, haben wir bereits erwähnt. Es fehlten auch nicht die früheren
Zeltenredner, "darunter der Greis Karbe, der in der Kneipe selten viel von
sich hören ließ; , Lindenmüller, seine Gefängnisleiden naiv-humoristisch
erzählend; Herzfeld, Schaßler; in der letzten Zeit noch Mey; der Communist
Weitling; der Schriftsetzer Born; die Mitglieder des demokratischen Congresses,
darunter Hexamer, Ruge und Oppenheim." [17] Von den anwesenden Zeitungskorrespondenten und Redakteuren wären zu
nennen: "Kalisch, Dohm, Treuherz, Röttger, Bisky, Todt", Steinthal,
Heilberg und Wetzel.
Hier bei Hippel wurden demokratische Beschlüsse gefaßt, man
"debattierte, warf Spione heraus, rapportierte Straßenkrawalle, feierte
die wichtigsten Momente der 'Anarchie' durch honette Bowlen;
sich selber nur zu. Es gibt einen Standpunkt, von dem die Weltwirren so
großartig erscheinen, daß die einzelnen Menschen zu Milben werden, aber dann
erkennt auch der Betrachtenden seine eigne Nichtigkeit; so lange aber man sich
selber noch für eine Größe hält, ist eben so unlogisch, wie arrogant, keinen
Anderen neben sich anerkennen zu wollen." Nach dem 18. März 1848
erweiterte sich der Kreis immer mehr, so fanden sich auch die
"Koryphäen" des Demokratischen Klubs hier ein: Meyen, Bergenroth,
Ottensosser, Hoppe, Jung, "der wegen der schnell gewonnen Popularität
besonders der Gegenstand des Neides wurde", Stein, "der gegen die
Demokratie der Rehberger immer eine halb schmerbäuchige, halb büreaukratische
Opposition bildete; wenn er seinen weißen Quäker und den Paletot von zweideutig
brauner Farbe abgelegt hatte, und beide Arme auf den Tisch stemmte, sah Hippel
kläglich nach der Wand, als würde er noch irgendwo müssen durchbrechen lassen.
Massaloup, Eichler, der jeden Abend ein Opfer der Grobheit forderte; er suchte
sich bald einen, den er verschlang, war aber dann das gemüthlichste Haus, wie
die Riesenschlange, wenn sie verdaut." [18]
Edgar Bauer und die Rotte Monicke, die inzwischen auch bei Hippel ein und
aus gingen, haben wir bereits erwähnt. Es fehlten auch nicht die früheren
Zeltenredner, "darunter der Greis Karbe, der in der Kneipe selten viel von
sich hören ließ; , Lindenmüller, seine Gefängnisleiden naiv-humoristisch
erzählend; Herzfeld, Schaßler; in der letzten Zeit noch Mey; der Communist
Weitling; der Schriftsetzer Born; die Mitglieder des demokratischen Congresses,
darunter Hexamer, Ruge und Oppenheim." [19] Von den anwesenden Zeitungskorrespondenten und Redakteuren wären zu
nennen: "Kalisch, Dohm, Treuherz, Röttger, Bisky, Todt", Steinthal,
Heilberg und Wetzel.
Hier bei Hippel wurden demokratische Beschlüsse gefaßt, man
"debattierte, warf Spione heraus, rapportierte Straßenkrawalle, feierte
die wichtigsten Momente der 'Anarchie' durch honette Bowlen; dazu die enge des
Raumes, das abwechselnde Erscheinen der Colporteure - die alles konnte einen
unschuldigen Provinzialen, der einmal aus Neugierde dorthin gegangen war, Kolik
und Haarsträuben verursachen." [20]
Ende April 1848 waren der Nationalversammlung gegen Zahlung einer
angemessenen Miete die Räume der Singakademie für ihre Sitzungen überlassen
worden. [21]
Anfang Oktober siedelten die Abgeordneten der Nationalversammlung von der
Singakademie in das Schauspielhaus am Gendarmenmarkt über. Zu den
entschiedensten Mitgliedern der äußersten Linken gehörten Waldeck, Temme, Jung,
d’Ester, Reichenbach, Berends und Reuter, politische Gesinnungsgenossen Carl
Herzfelds. Waldeck und Berends werden wir im Jahr darauf zusammen mit Carl auf
der Anklagebank vor dem Kriegsgericht finden, auf einen an Carl Herzfeld
gerichteten Brief d’Esters wird sich der Ankläger stützen.
In den nächsten Wochen sollten die Wiener Ereignisse den Tenor der
politischen Verhandlungen bilden. Am 23. Oktober traten die kaiserlichen
Truppen gegen die revolutionäre Hauptstadt an und eroberten Wien nach
einwöchigen blutigen Kampf. Die Konservativen ausgenommen war man sich über
alle Parteigrenzen hinweg in Berlin einig, den Freiheitskampf der Wiener zu
unterstützen. Da militärisch jede Hilfe zu spät kam, blieb als einzige Alternative
der Versuch auf die preußische Regierung Druck auszuüben, zu intervenieren oder
die Frankfurter Zentralgewalt aufzufordern, einzugreifen. Entsprechende Anträge
wurden am 31. Oktober in der Nationalversammlung beraten. "Wie schon im
Juni war die Versammlung von Menschenmassen umlagert. Die Bürgerwehr
marschierte zum Schutz der Abgeordneten auf, konnte aber Angriffe auf einige
Volksvertreter nicht verhindern. Wieder kam es zu blutigen Kämpfen zwischen
Bürgerwehr und Demonstranten." [22]
Die Reaktion
Friedrich Wilhelm IV. nutzte die Gelegenheit, um die "Eiterbeule
Berlin", so seine Worten, aufzustechen. Entsprechend dem bereits am 11.
September im Kreise der "Kamarilla" entworfenen Kampfprogramms zur
Einleitung der Gegenrevolution wurde mit der Berufung eines neuen Ministeriums
unter Leitung des Kavalleriegenerals Brandenburg in die Tat umgesetzt , die
protestierende Nationalversammlung vertagt und, angeblich zu ihrer eignen
Sicherheit nach Brandenburg verlegt. Mit dem Argument des Sicherheitsrisikos
war zugleich "das Prinzip der Bürgerbewaffnung offiziell diskreditiert
worden. Der Einmarsch der seit Wochen um Berlin konzentrierten Armeeinheiten
stand unmittelbar bevor. Die Nationalversammlung rief zum passiven Widerstand
auf, da der Kommandant der Bürgerwehr Rimpler einräumen mußte, daß er mit den
ihm zur Verfügung stehenden schwachen Kräften, die Stadt nicht verteidigen
könne. So konnte also am 10. November die Armee ungehindert durch das
Brandenburger Tor einrücken: "13.000 Soldaten mit 60 Geschützen. Abgesehen
von lebhaften Unmutsäußerungen des Straßenpublikums blieb die Stadt
ruhig".
Die Bürgerwehr löste sich auf, Rimpler legte sein Amt nieder und die Listen
wurden verbrannt. „Diese Maßregel sollte die Entwaffnung hindern, welcher man
sich nicht freiwillig unterziehen wollte. In der Nacht kamen die
Bürgerwehrofficiere in der Jägerstraße zusammen und beriethen unter dem
Vorsitze des Actuarius Thiele die nächst zu thuenden Schritte, von der Linken
waren Waldeck, Berends, d’Ester und Bauer zugegen. Die Meinungen waren sehr
getheilt, fast alle stimmten aber in dem Punkte überein, daß die Waffen nicht
abgegeben werden sollten.“ [23]
Am 12. November wurde der
Belagerungszustand über Berlin verhängt, und die vollziehende Gewalt in die
Hände Wrangels, des kommandierenden Generals, gelegt. Alle politischen Vereine
wurden geschlossen, das Versammlungsrecht drastisch eingeschränkt, die
Polizeistunde auf 22 Uhr festgesetzt. Gleichfalls wurde nicht nur gegen die
Revolutionäre sondern auch gegen die gemäßigte Presse vorgegangen, alle
Zeitungen und Druckschriften unterlagen einer besonderen Genehmigungspflicht.
Die Berliner Bürgerwehr wurde für aufgelöst erklärt und die Häuser nach Waffen
durchsucht. "Die Truppen besetzten, mit geladenen Gewehren versehen, den
Hahn in der Mittelruh, die Straßen und holten die Waffen aus den Häusern. Die
Sergeanten der Polizei-Commissarien dienten fast überall als Anweiser; am
Thätigsten jedoch waren die Weiber, welche die Gewehre der Männer selber
überbrachten oder in den Hausthüren standen, und die Soldaten an einzelne
Bewohner wiesen, bei denen sie Waffen vorhanden wußten; eine solche Anweisung
hatte dann eine gewaltsame Durchsuchung der Zimmer zur Folge, dazu wirbelten
die Trommeln für die Demokratie." 16 20.000 Gewehre wurden insgesamt beschlagnahmt.
Stadtfremde wurden sorgfältigen Kontrollen unterzogen und mit Ausweisung
bedroht. Ein Freund Ludwig Herzfelds berichtet am 15. November aus der
preußischen Hauptstadt nach Sagan:
"Ihres Auftrages habe ich mich
zwar sofort erledigt, aber bis jetzt noch keine weitere Nachricht von mir geben
können, weil ich verreist war; und wahrscheinlich hätten sie auch noch ein
Weilchen warten müssen, wenn ich nicht wegen der Belagerung von Berlin
zurückgeeilt wäre. Denn sämtliche Bahnhöfe sind gesperrt gewesen bis vor kurzer
Zeit, deshalb wurde auch mir mein Eintritt verwehrt. Bis nach Potsdam kam ich
zwar glücklich, dort kam mir aber ein donnerndes 'Halt' entgegen und nach
kurzer Visitation wurde ich ohne Aufenthalt nach Berlin befördert. So bin ich
glücklich wieder hier, wo der Absolutismus durch Bajonette wieder zu herrschen
angefangen hat, und Personen an der Staatsregierung stehen, die durch die
Nationalversammlung bereits des Hochverrats angeklagt sind. Eine furchtbare
Erbitterung bricht aus der Seele eines jeden, eine dumpfe Schwüle liegt über
der ganzen Stadt, die durch die zahlreichen Trabanten total geknechtet wird.
Heute früh sind aus dem Hause einfach die Waffen abgeholt worden, doch nicht
alle, sondern eine bedeutsame Anzahl ist zurückgeblieben, da die Soldaten nie
die Treppen hinaufgestiegen sind, sondern stets auf den Hausfluren blieben.
Zahlreiche starke Patrouillen durchziehen zu allen Tageszeiten die Straßen, die
Kugel im Lauf und stören jede kleine Versammlung auf der Straße, die sich doch
wegen der Cirkulation so leicht bildet. So etwas habe ich nicht erwartet, als
ich Berlin am 3ten October verließ. Die Reaktion ist furchtbar noch einmal
aufgetreten, ich glaube, um einen Kampf auf Leben und Tod zu beginnen. In
Berlin liegt die Entscheidung momentan nicht so sehr als in der Provinz, denn
die Stadt ist ganz strategisch besetzt und eine furchtbare Anzahl von
Feuerschleudern ist nicht vergebens mitgebracht worden. Das Verhalten dagegen
der ganzen Berliner Bürgerschaft ist würdevoll, ernst, ignorierend. Die
Camerilla hat durch ihre willkürlichen, frechen Anordnungen und Vorgriffe einen
Konflikt gesucht, die Bürgerschaft hat ihn vermieden durch ruhige, ernste
Haltung. Wir müssen den Kelch bis zur Hefe leeren, bis die Entscheidung kommt.
Alle Tage erwartet man dieselbe und bei jedem Lärm auf der Straße, glaube ich
schon die Kanonen spielen zu hören. Die Bauschüler sind aus der Bauschule
plötzlich vertrieben worden, die Zeichentische, Modelle etc. umgeworfen und
besetzt worden. Aber unter den Truppen selbst rühren sich einige und ich
glaube, daß nur die Erhebung eines Bataillons nötig ist, um ganze Regimenter zu
einer beistimmten Erklärung, nicht am Kampf teilnehmen zu wollen, zu bringen.
So stehen die Verhältnisse jetzt, aber vielleicht schon, ehe Sie den Brief
bekommen, kann anders entschieden sein.
Den übrigen Raum benutze ich, um
Erkundigungen von Ihnen über Sagan einzuziehen, weniger über politische als
vielmehr häusliche Angelegenheiten. Wonach ich mich zuerst erkundige, werden
Sie wohl wissen, und bei der nächsten Gelegenheit, die sich darbietet, bitte
ich Sie, mich ein wenig zu bedenken. Die übrigen Personen kümmern mich wenig
und das unpolitische wie weibliche Leben in Sagan noch weniger, besonders da
ich in dem Ort bin, wo so wichtige, so große Entscheidungen vor sich gehen
sollen."
Die einzige bedeutsame Widerstandsaktion ging von der Berliner
Nationalversammlung aus. Vom Militär verfolgt, wechselte sie ihre
Sitzungslokale täglich. "General Wrangel wollte ihre Ohnmacht deutlich
hervortreten lassen, sie der Lächerlichkeit preisgeben und somit zur Aufgabe
zwingen. Unter dem Druck dieser provozierenden Taktik beschloss die Versammlung
am 15.11. unmittelbar vor ihrer gewaltsamen Aufhebung durch das Militär, das
Land zu einer allgemeinen Steuerverweigerung aufzurufen: das Ministerium sei
nicht berechtigt, 'über Staatsgelder zu verfügen und Steuern zu erheben,
solange die Nationalversammlung nicht ungestört in Berlin ihre Beratungen
fortzusetzen vermag.’“ 17 Ein
Versuch sich in Brandenburg neu zu konstituieren, misslang unter anderem auch,
weil Abgeordnete der Linken die Nationalversammlung beschlussunfähig machten.
Ursprünglich war mit dem Gedanken gespielt worden, von dort die Republik
auszurufen. Wie aus einem Brief des Freundes Meyer vom 23. November an Ludwig
Herzfeld zu entnehmen ist, hatten beide sich in Berlin treffen und von dort aus
nach Brandenburg fahren wollen, um an diesem "Staatsakt"
teilzunehmen.
Lieber Herzfeld
Meinem Dir neulich gegebenen
Versprechen gemäß, zeige ich Dir
hiermit an, daß ich morgen Freitagabend nach Berlin reise und dort einige Tage
verbleiben will, ich rechne bestimmt auf Deine Begleitung. Solltest Du aber
nicht sofort abkommen können, so wirst Du mir doch bald folgen. Ich denke wir
reisen auch dann nach Brandenburg, und wohnen am Montag der Erklärung der
Republik bei. Jedenfalls spreche ich Dich noch morgen Abend in Sagan auf dem
Bahnhof. Die Familie Bail läßt Dich grüßen. Auf Wiedersehen
Sagan 23/11. 48 Dein
Freund Meyer
Am 6. Dezember 1848 oktroyierte Friedrich Wilhelm IV. eine Verfassung.
Preußen war jetzt konstitutionelle Monarchie. Der Artikel 67 gewährte das
allgemeine Wahlrecht.
Ludwig Herzfelds staatsrechtliche Vorstellungen
Die Verbindung zu den Berliner politischen Kreisen wird, da Ludwig
Herzfelds Lebensmittelpunkt inzwischen wieder in Schlesien lag, nur locker
gewesen sein. Zwar lebten seit 1844 seine Geschwister zusammen mit dem Vater in
der Hauptstadt, auch blieb er über seine Tätigkeit bei der Niederschlesischen
Eisenbahn und die Freundschaft mit Robert Beil, dem Sohn, des Inhabers der
Gesellschaft, mit Berlin verbunden. Dazu mußte er zwischenzeitlich auch in
Berlin aufhalten, um am Kammergericht seine Assessorprüfung abzulegen. Jedoch
hielten ihn neben den vielen Freundschaften in Glogau und Sagan inzwischen auch
zärtliche Bande im niederschlesischen Raum. Im Revolutionsjahr 1848 hatte er
Marie Clementine Wüsthoff kennengelernt und sich alsbald mit ihr verlobt. Dazu
kam, daß er im Spätsommer 1847 in Sagan eine vakant gewordene Justizratsstelle,
die zu besetzten gewesen war, hatte
übernehmen können.
Die neue Tätigkeit ließ ihm auch genügend Zeit, sich nebenher politisch zu
betätigen. Seine politischen Ambitionen in Sagan nach Ausbruch der bürgerlichen
Revolution im März 1848 lassen sich im späten Frühjahr nachweisen. Am 1. Mai
1848 richtete er ein Schreiben an den Kgl. Landrat des Kreises, den Grafen
Dohna, in dem er wegen "verschiedener Verstöße" gegen die
Vorschriften des Wahlgesetzes vom 8. April 1848 bei den Urwahlen für die
Versammlung zur Vorbereitung der preußischen Verfassung protestierte. Auch
scheint er in Sagan den Demokratischen Klub mit begründet zu haben.
Im Spätherbst 1848 zog Ludwig
Herzfeld in Sagan die Konsequenzen aus der oben geschilderten politischen
Entwicklung. Er machte sich für eine Reorganisation des in Sagan bestehenden
"Demokratischen Vereins" stark. Zu diesem Zweck lud er als
Vorsitzender des interimistischen Vorstandes
zusammen mit Kleiber am 30. November 1848 zur Mitgliederversammlung ein:
"Am Sonnabend, den 2. Dezember d. J., abends 7 Uhr findet im
Morgensternschen Gartensaal eine Versammlung der Mitglieder des hiesigen
demokratischen Vereins statt, in welcher nächst den wichtigsten Tagesfragen,
hauptsächlich die Reorganisation des Vereins, das anzunehmende Programm zur
Besprechung gebracht werden soll. Dringend wünschenswert ist es, daß die
jetzigen Mitglieder des Vereins sich recht zahlreich einfinden, es wird aber
auch gern gesehen, wenn aufrichtige Freunde einer wahren unbeschränkten, durch
redliche Mittel zur erstrebenden Volksfreiheit, denen an einer ruhigen
Verständigung über das, was jetzt aller Herzen bewegt, gelegen ist, die
Versammlung zu besuchen."
Aus dem neuen Grundsatzprogramm, das aus
Ludwig Herzfeld's Feder stammte, treten uns dessen rechtsphilosophische
Anschauungen deutlich entgegen. „Der am hiesigen Orte unter dem Namen des
demokratischen bisher bestandenen Verein, hat sich nicht der Sympathien der
gutgesinnten Einwohner zu erfreuen gehabt. Die Ursache darf ich als bekannt
voraussetzen.- Überschreitungen einzelner, die von keinem Vernünftigen
gebilligt werden können, zwecklose und mutwillige Störungen der gesetzlichen
Ordnung, der hin und wieder auch unlautere Motive zum Grunde gelegen haben
mögen, kommunistische Bestrebungen sind hier wie anderwärts, auf Rechnung der
Demokratie geschrieben, dazu benutzt worden, ihre Anhänger zu verdächtigen. Die
wahre, echte Demokratie will die Freiheit aller, die Gleichheit aller vor dem
Gesetz; und das Gesetz erkennt sie als Schranke der Freiheit an. Nicht die
Willkür; der bloßen rohen Gewalt, komme sie von oben oder von unten, wird sie
immer entgegentreten müssen, am allerwenigsten aber dulden können, daß der Name
der Demokratie gemißbraucht werde zu Attentaten auf das Recht; wir wollen gern
der Despotie dieses Mittel überlassen. Heftige Gärung bringt zunächst die Hefe
oben auf; man darf daher auch im politischen Leben nicht über Erscheinungen,
wie die angedeuteten, sich nicht wundern, und wer eine bessere Zukunft erstrebt,
nicht verzweifeln. Es will fast den Anschein gewinnen, als auch jetzt in
unserem Vaterlande die Parteien auf beiden Seiten von ihrer bisherigen
Leidenschaftlichkeit zu einer vernünftigen Mäßigung zurückkehren wollen. Dieser
günstige Augenblick muß benutzt werden, um eine Verständigung zum Heile Aller
herbeizuführen, und es kann dies zweckmäßig in politischen Vereinen geschehen.
Die bisherige Wirksamkeit des hiesigen demokratischen Vereins ist keine
solche gewesen, welche einem solchen Zwecke entsprechen könnte; aus diesen und
anderen nachher noch besonders zu erwähnenden formellen Gründen, muß er jetzt
vollständig neu konstituiert werden. Ich habe es übernommen dieses Werk zu
leiten und halte es deshalb vor allem für notwendig, von meinen persönlichen
Ansichten Rechenschaft zu geben: Die Freiheit des Menschen ist ein natürlicher
Zustand, sobald mehrere Menschen nebeneinander leben, müssen sie den Gebrauch
ihrer natürlichen Freiheit regeln durch bestimmte Gesetze; diese Gesetze dürfen
ihnen aber nicht durch andere aufgezwungen werden, sie selbst müssen sich ihre
Gesetze geben.
Die Völker sind zwar meist, wie uns die bisherige Geschichte lehrt, durch
einzelne Regenten geschützt worden, und andere sogenannte republikanische
Staatsformen haben nur ausnahmsweise Bestand gehabt; überall aber finden wir
das Streben des Volkes nach einer Teilnahme an der Gesetzgebung und Regierung,
und diese ist notwendig zu seinem Glücke, weil sie sonst nicht frei sind. Da,
wo sie eine solche Teilnahme nicht im genügenden Maße gehabt haben, ist dieses
Verhältnis benutzt worden, um die natürliche Freiheit unter der Form von
Gesetzen ohne Not zu beschränken; so oft diese Beschränkungen fühlbar und
drückend wurden, ist deren Beseitigung erstrebt worden, durch friedliche
Vereinbarungen, wie durch Revolutionen...
Die menschlichen Dinge sind unvollkommen, unvollkommen sind die Gesetze,
welche das Privatrecht regeln, unvollkommen wird auch jede Verfassung sein,
welche die politischen Rechte des Volkes sichert. - Die Form in der dies geschieht,
gestaltet sich notwendig anders nach den äußeren Zufälligkeiten und dem inneren
Bedürfnis; die Nationalität der Völker, das Klima, unter dem sie wohnen, die
Beschäftigung, der sie sich widmen, die jedesmalige Zeit haben Einfluß darauf;
unter jeder Form also kann ein befriedigender Zustand erreicht werden.
Diese Ideen haben mich geleitet, als ich für den neu zu begründenden
demokratischen Verein in Übereinstimmung mit den übrigen Mitgliedern des
einstweiligen Vorstandes das folgende
Programm aufgestellt habe:
Der demokratische Verein zu Sagan stellt sich die Aufgabe, die politischen
Verhältnisse der Gegenwart behufs der allgemeinen Belehrung und Verständigung
zur Erörterung zu bringen und durch Verbreitung seiner Ansichten für Wahrung
der Rechte des Volkes zu sorgen; er hofft die geistige und materielle Wohlfahrt
des Volkes durch Vereinbarung einer freien Verfassung auf besonderer Grundlage
zwischen dessen regierendem Fürstenhause und den Vertretern des Volkes und wird
diesem besonders seine Weiterarbeit in der bezeichneten Weise widmen, ebenso
aber auch allen Verletzungen des Privatrechts entgegentreten, in dem er gegen
alle kommunistischen Bestrebungen als gänzlich unvertretbar und diesen Zwecken
widersprechend, sich verwahrt und hierbei von der Überzeugung ausgeht, daß die
Wohlfahrt aller Volksklassen nur durch ... politische Freiheit und Sicherung
des Privatrechts herbeigeführt und erhalten werden kann. Ich wiederhole, daß
wir einen vollkommenen Zustand auf dieser Erde niemals erreichen werden; menschliche
Irrtümer werden uns immer gefangen halten, und die Schranken, welche allem
menschlichen Glück beschert sind, werden auch unsere Freiheit begrenzen; aber
das Streben nach Vollkommenheit, nach der
erkannten Wahrheit ist es, welches die innere Befriedigung gewährt, und
schon in diesem Streben liegt die Freiheit. -
Ewig wahr bleibt eben daraus der Ausspruch unseres Dichters:
Der Mensch ist frei
geschaffen
ist frei
und wär er
in Ketten geboren!
Deutlich stehen diese Ausführungen im Gegensatz zur konservativen
Staatsauffassung; der Staat wird nicht organisch aufgefaßt, auch wenn die
historischen Bedingtheiten bei der Ausbildung der jeweiligen Staatsform
gewürdigt werden, sondern der Staat ist eine menschliche Einrichtung, die nicht
nach absolutistischen, sondern nach konstitutionellen Grundsätzen zu ordnen
ist, in der der einzelne politische Rechte hat. Der Staat baut sich auf einer
Vertragsgemeinschaft des Einzelnen auf. Der Staatsgedanke ruht auf dem
Vertrage, den die Individuen geschlossen haben. Über die Motive, die zur
Bildung dieser Einrichtung führen, gibt es unterschiedliche Ansichten, Ludwig
Herzfeld scheint in der Tradition Immanuel Kants zu stehen, für ihn stehen
Recht und Vernunft im Mittelpunkt.
Etwas unklar bleibt die Stellung des Monarchen. Mit der Auffassung des
Staats als einer von Menschen geschlossenen Vertragsgemeinschaft kollidiert der
Gedanke, daß der Träger der Staatsgewalt sein Amt Gott verdankt. Seine Gewalt
hätte nach liberaler Auffassung in letzter Linie in dem Willen des Volkes
seinen Ursprung, der König wäre der Mandatar, der Beauftragte des Volkes. Es
findet sich jedoch in dem Programmentwurf die Passage, " daß die geistige
und materielle Wohlfahrt des Volkes durch Vereinbarung einer freien Verfassung
auf besonderer Grundlage zwischen dessen regierendem Fürstenhause und den
Vertretern des Volkes " zu sichern sei. Es treten hier die eigenständigen
Rechte des Volkes , den eigenständigen Rechten der Krone gegenüber. Eine
Verfassungskonstruktion, die zwischen dem liberalen und dem Denken des
konservativen Staatstheoretikers Friedrich Julius Stahl 18 die Waage hält. Im Unterschied zum parlamentarischen Prinzip bestand das
monarchische Prinzip für Stahl darin, "daß die fürstliche Gewalt dem
Rechte nach undurchdrungen über der Volksvertretung stehe, und daß der Fürst
thatsächlich der Schwerpunkt der Verfassung, die positiv gestaltende Macht im
Staate, der Führer der Entwicklung bleibe". Von einer Überordnung des
monarchischen Prinzips kann bei Ludwig Herzfeld keine Rede sein. Eher kommen
Ideen des deutschen Naturrechtsdenkens , dem die politische Spitze fehlte, die
in der Forderung hätte gipfeln müssen: Weg mit diesen Obrigkeiten, sondern das
sagte: Es ist anzunehmen, daß die Menschen durch einen stillschweigenden
Vertrag in diese bestehende Obrigkeit der Fürsten, in diese Gesetze gewilligt
haben und darum sind sie rechtmäßig, bei ihm zum tragen.
Die im Programm niedergelegten gemäßigten konstitutionellen Vorstellungen, rühren sicherlich auch aus
der Einsicht in das Scheitern der weitgespannten demokratischen Blütenträume.
Gerüchten er wolle sich selbst zur Wahl stellen, tritt er am 28. Dezember
1848 in einer "Erklärung" entgegen: "Es ist die Art und Weise,
wie ich in neuster Zeit meine politischen Ansichten öffentlich ausgesprochen und
zur Geltung zu bringen mich bemüht habe, mehrfach das Motiv unterlegt worden,
daß ich mich um die Stelle eines Abgeordneten für die nächste Volksvertretung
bewerben wollte. Ich würde mich sehr glücklich schätzen, wenn mir meine
Verhältnisse künftig einmal gestatteten, nach einer hohen Ehre, der höchsten,
welche überhaupt ein wahrer Patriot erreichen kann, zu streben und wenn mir
solche durch das Vertrauen meiner Mitbürger zu Teil würde, dürfte dies auch
kein unedler und tadelnswerter Ehrgeiz sein, für jetzt liegt mir aber jene
Absicht ganz fern und dürfte schon deshalb nicht die Triebfeder meiner
Handlungen sein, weil ich noch gar nicht einmal das gesetzliche Alter von
dreißig Jahren habe, ohne welches kein Preuße Abgeordneter werden kann.
Wahlen unter dem
Kriegsrecht
Die Auflösung der Nationalversammlung, die Friedrich Wilhelm am 5. Dezember
vornahm entsprach den Wünschen der Rechten, insbesondere der Kamarilla um die
Gebrüder Gerlach und den jungen Bismarck. Weniger sagte ihnen jedoch zu, daß
die oktroyierte Verfassung so liberal ausfiel. „Die Gesandten der kleinen
deutschen Höfe fürchteten ernsthaft, das ‘demokratische’ Vorpreschen Preußens
setzte ihre eignen Verfassungen stärksten Zweifeln aus. In Wien begriff man gar
nichts mehr: ‘Wie ist es mögliche, fragte man, „daß die Regierung im Vollbesitz
ihrer Macht
eine Verfassung gibt, die bis auf wenige Bestimmungen kaum von der
aufgelösten Versammlung hatte liberaler gegeben werden können, mit der man auf
die Dauer jede Regierung für unmöglich hielt?’“
Seit dem Herbst 1848 hatte sich Friedrich Wilhelm IV. Innerlich damit
abgefunden in „der Stunde der Not“ Gewalt anzuwenden. Die Oktroyierung einer
Verfassung stellte einen Akt der Gewalt dar. „Die oktroyierte Verfassung ist
als jene ‘rettende Tat’ bezeichnet worden, dank deren die schmucke preußische
Fregatte wieder Kurs aufgenommen habe und dabei ‘auf jener großen
Grundströmung’ dahin gefahren sei, die ‘seit den Tagen des Großen Kurfürsten
und Friedrich des Großen getragen habe. Der Entschluß, die Verfassung - so wie
sie war - zu diesem Zeitpunkt zu oktroyieren, ist wie die Verfassung selbst
‘das Resultat eines Kompromisses gleicherweise zwischen König und Ministerium
wie zwischen Ministerium und Kamarilla, aber auch ein Kompromiß innerhalb des
Ministeriums selbst’ gewesen.“ Bereits am 5. Dezember hatte der König die
Auflösung der Nationalversammlung angeordnet. Das Vereinbarungsprinzip wird in
der Verordnung als obsolet erklärt und das Gottesgnadentum bekräftigt: „Wir,
Friedrich Wilhelm u.s.w. haben aus dem beifolgenden Berichte Unseres
Staatsministeriums über die letzten Sitzungen der zur Vereinbarung der
Verfassung berufenen Versammlung zu Unserem tiefen Schmerz die Überzeugung
gewonnen, daß das große Werk, zu welchem diese Versammlung berufen ist, mit
derselben, ohne Verletzung der Würde unserer Krone und ohne Beeinträchtigung
des davon unzertrennlichen Wohles des
Landes, nicht länger fortgeführt werden kann.“
Trotz der oben zum Ausdruck gebrachten Befürchtungen, über die oktroyierte
liberale ‘Charte Waldeck’ waren aus konservativer Sicht zum Teil unbegründet,
denn es wurden doch erhebliche Änderungen vorgenommen. Dabei fielen
insbesondere „jene Bestimmungen ins Gewicht, die von einer deutlichen Distanz
zu den Märzverheißungen und Errungenschaften geprägt sind: die Wiedereinführung
der Todesstrafe, die Wiederherstellung des absoluten Vetorechts, die
Verschiebung des Verfassungseides des Königs, des Beamtentums und der Armee bis
nach der Revision der Verfassung, die Beseitigung der Volkswehr, die
Beseitigung der Offizierswahl bei der Landwehr und vor allem das
Notverordnungsrecht, nach dem Gesetze und Verordnungen nur verbindlich waren,
‘wenn sie zuvor in der vom Gesetz vorgeschrieben Form bekannt gemacht worden
sind. Wenn die Kammern nicht versammelt sind können in dringenden Fällen, unter
Verantwortlichkeit des ganzen Staatsministeriums, Verordnungen mit
Gesetzeskraft erlassen werden, dieselben sind aber den Kammern bei ihrem
nächsten Zusammentritt zur Genehmigung sofort vorzulegen.’“ Dieser
Notverordnungsartikel sollte später
bei der Oktroyierung des
Dreiklassenwahlrechts noch eine große Rolle spielen. Bereits bei der
Kriegsgerichsverhandlung gegen Waldeck, Herzfeld u.a. kam er zur Anwendung und
stand im Zentrum bei der Diskussion des Urteils. 19
Zunächst war es jedoch den liberalen demokratischen Kräften, insbesondere
auch aufgrund des beibehaltenen Allgemeinen Wahlrechts, möglich, sich bei den Wahlen zur zweiten
Kammer, die im Januar 1849 stattfanden, weitgehend durchzusetzen. Carl Herzfeld
berichtet über die Entwicklung in Berlin am 15. Januar an seinen Bruder:
"Alles intrigiert auf die Wahl, nichts als Wahlen, Verfassung, Revision,
Vereinbarung und Gott weiß nur für Unsinn mehr. Ich denke das nächste Jahr wird
über Frankreich und uns neue welterschütternde Ereignisse bringen, und dem
ganzen Treiben eine neue Richtung geben. Ich glaube nicht an Ruhe . - Ich habe
heute zum ersten Mal meine öffentliche Funktion ausgeübt." Was also nur
noch blieb, war die Hoffnung auf eine neue Revolution in Frankreich, diese
Hoffnung wurde von vielen überzeugten Demokraten geteilt, oder vielleicht die
Weltrevolution wie Karl Marx und seine Freunde meinten.
Bei den Wahlen konnten die Liberalen große Erfolge verzeichnen und Carl
Herzfeld schreibt am 24. Januar 1849: "In politicis hat bei den Wahlen der
Wahlmänner die Demokratie gesiegt. Die Wahlen sind zum großen Teil radikal
ausgefallen. In meinem und dem Nachbarbezirk habe ich der radikalen Partei
vorgestanden und sie organisiert. In Folge dessen ich selbst nebst 6 meiner
Gefolgschaft zu Wahlmännern gewählt sind. Der 8. ist ein Mann der Mitte und
durch ein Versagen meiner Partei durchgekommen."
Aber wie aus einem zwei Tage später datierten Brief zu entnehmen ist,
schätzt er die Lage, trotz des Erfolgs, realistisch ein: "Deswegen sieht
übrigens die Sache der Demokratie nicht so glänzend aus. Antiministriell sind
die Wahlen durchweg ausgefallen, aber demokratisch nur zum kleinen Teile. Alle
Welt verwechselt die antiministrielle mit der demokratischen Partei... Ich muß
schließen und bemerken, daß auch ich der Meinung bin, daß nur eine neue
Revolution uns helfen kann. Wann dies eintreten wird, werden kleine
Zufälligkeiten bestimmen, nicht aber das Bewußtsein des Volkes, denn das hat
keines." In der Nachschrift fügt er hinzu: "Die deutschen Grundrechte
werden in Preußen nicht publiziert, und Camphausen hat seinen Posten in
Frankfurt als Bevollmächtigter niedergelegt."
Berlin hatte also oppositionell gewählt, und es fanden sich in der neuen Kammer
fast alle Abgeordneten der "Linken" aus der Nationalversammlung. „Die
Kontinuität zum Revolutionsjahr war also nicht völlig unterbrochen, sie schien
sogar beim Zusammentreten der Kammer neu aufzuleben und kam vor allem am 3.
April zum Ausdruck, als neben dem Parlament auch der Berliner Magistrat und die
Stadtverordneten unter dem Jubel der Bevölkerung die aus Frankfurt angereiste
Kaiserdeputation begrüßten, die dem preußischen König die Würde eines deutschen
Erbkaisers antragen sollte. Der König lehnte die ihm angetragene Kaiserwürde
ab, auch löste er die zweite preußische Kammer auf, als die am 21. April die
Reichsverfassung annahm und die Aufhebung des Belagerungszustandes forderte. Im
Gegensatz zu den durch diese Ereignisse ausgelösten blutigen Aufständen in
großen Teilen Deutschlands blieb es in Berlin relativ ruhig, nur am 27. April
fielen bei einer Demonstration, die im Zusammenhang mit der
Reichsverfassungskampagne stand, am Dönhoffplatz Schüsse. Die Presse berichtete
von 4 Toten und 14 Verwundeten. Der Belagerungszustand wurde verschärft, was
wohl auch mit den bevorstehenden Neuwahlen im Zusammenhang stand.
Carl Herzfeld versuchte zusammen mit etlichen Gesinnungsgenossen die
demokratischen Kräfte neu zu formieren, um effizienter, nach einer vorhersehbaren
Kammerauflösung in den Wahlen agieren zu können. Zu den
Reorganisationsmaßnahmen gehörte, daß „an die Stelle des Lokal-Komitee’s, das
nach vollendeter Wahl der Wahlmänner sich auflöste, traten aus den vier
größeren Wahlbezirken der Stadt die Komitee’s zusammen, welche von den zur
volksthümlichen Partei gehörenden Wahlmännern für die Dauer der
Wahlmanns-Versammlungen erwählt worden waren. Diese vier vereinigten Komitee’s
, welche übrigens zum großen Theil aus denselben Personen bestanden, die das Lokal-Komitee
für volksthümliche Wahlen gebildet hatten, und eine Aenderung des Namens nicht
für nöthig hielten, entwarfen auf den in den Wahlmanns-Versammlungen
ausgesprochenen Wunsch einen Plan zur Organisation der Volkspartei für die Zeit nach Aufhebung des Belagerungszustandes, um
von vorn herein neben einer festen Verbindung unter den Männern freier
Gesinnung zugleich einen Damm gegen das im Sommer v. J. hervorgetretene Treiben
einzelner sogenannter Demokraten anzubahnen.“ 20
Das Kriegsgericht
Etliche Bezirksvertreter hatten sich am 21. Mai, wegen des herrschenden
Belagerungszustandes in der Wohnung des Stadtrates Runge getroffen, um einen
Vorstand zu wählen. Es wurden der Gymnasiallehrer Gercke, der Stadtrat Runge,
Dr. Waldeck, Justizrath Pfeiffer und der Buchdruckereibesitzer Berends in den
Vorstand berufen, ferner war die Wahl auch auf Carl Herzfeld und einen
Abwesenden gefallen, „aber noch nicht vollständig proklamirt, als ein
Polizeibeamter eintrat und trotz des Protestes des Stadtraths Runge alle
Anwesenden zwang, dessen Wohnung zu verlassen.“21
Darauf lud der Gymnasiallehrer Gehrcke mehrere Personen zu einem Treffen am
Abend des 22. Mai in der Konversationshalle am Döhnhoffplatz ein. „In dem
umhergesandten Zettel hatte der Gymnasiallehrer Gercke die unter den
Eingeladenen befindlichen sogenannten Vorsitzenden der Volksvereine ...
ersucht, im Verhinderungsfalle Stellvertreter zu schicken, da es sich um eine
wichtige Besprechung handele, ohne jedoch etwas über einen bestimmten Zweck
hinzuzufügen“. Neben den Lehrern Koch und Gerüche, Carl Herzfeld, Dr. Waldeck,
Dr. Weiß, Berends, dem Partikulier Schönemann, Pfeiffer und dem Tierarzt
Mecklenburg hatten sich der Lehrer der Apotheker Bernard, der Lehrer Steide,
der Fabrikant Schildknecht, der Baumeister Petersen und „ein nur Letzterem
bekannter Herr“ eingefunden.
Die Unterhandlungen wurden durch das Eindringen von Polizisten in Zivil
unterbrochen. Auf deren Verlangen händigte Gercke ein vor ihm liegendes
Notizbuch aus, zerriß aber einen Brief, dessen Fetzen von einem herbeigerufenen
Konstabler aus der Hand gewunden wurden. Wegen Widerstandes gegen die
Staatsgewalt wurde daraufhin Gercke verhaftet. In der Anklageschrift nahm sich
der Vorfall wie folgt dargestellt: „Bei ihrem Eintritt in das erwähnte Zimmer
der Conversations-Halle vernahmen die Beamten ein lautes Gespräch und ihre
Aufmerksamkeit wurde auf den zuerst genannten Lehrer Gercke gerichtet, indem
dieser ein Notizbuch und ein Papier, welcher vor ihm auf dem Tisch gelegen,
schleunig an sich nahm.
Aufgefordert, beides auszuliefern, leistete er, hinsichts des Notizbuchs,
Folge, die Herausgabe des Schreibens aber verweigerte er, unter dem Vorwande,
daß dies ein Privatbrief sei. Als die Aufforderung erneuert wurde, zerriß er
den Brief, und als endlich die Beamten einschritten, um sich die Stücke,
welcher er in der Hand hielt, zu bemächtigen, leistete er dermaßen Widerstand,
daß Jene Gewalt anwenden mußten. Die Stücke des Briefes kamen indessen
sämmtlich in ihre Hände, und durch deren Zusammensetzung war der ganze Inhalt
des Schreibens ermittelt.
Dasselbe lautet:
Geehrter Herr!
Sie haben während Ihres Aufenthaltes in
Berlin die hiesige Stimmung hinlänglich kennen gelernt, um zu begreifen, daß
Berlin im gegenwärtigen Augenblicke sich nicht an die Spitze der Bewegung, wenn
auch nur der Mark Brandenburg, stellen wird. Die Stimmung ist gedrückt;
noch liegt uns der passive Widerstand
entnervend in den Gliedern. Das Panier, um das sich die Bewegung jetzt schaaren
muß, ist die deutsche Sache, und - trotz aller Mängel - die Reichsverfassung;
was dazu beiträgt, daß Berlin diesmal nicht die Initiative ergreifen wird, da,
wie Sie wissen, hier ursprünglich gar keine Sympathien für Frankfurt und die
Reichsverfassung vorhanden waren.
Auch hier begreift man indessen jetzt,
daß mit der Reichsverfassung auch die Freiheit fällt, und wird deshalb im
Kampfe für dieselbe nicht zurückstehen, wenn nur von Außen her ein energischer
Vorstoß erfolgt.
Die Volkspartei ist, soweit es der
Belagerungszustand möglich macht, organisirt und handelt in Uebereinstimmung;
doch würden alle energischen Maßregeln, die man ergreifen möchte, um der Sache
eine entscheidenden Wendung zu geben, theils am Belagerungszustande, theils
aber und besonders an der gedrückten Stimmung der Bevölkerung selbst scheitern,
wie alle Versuch, die angestellt sind, hinlänglich beweisen, und namentlich der
Umstand, daß die letzten Maßregeln der Regierung keine größere Aufregung,
hervorgebracht haben. Eine Erhebung ist gegenwärtig unmöglich, und dennoch müssen
die östlichen Provinzen Preußens, und namentlich das bisher ganz unthätige
Brandenburg ein Lebenszeichen von sich geben, soll die deutsche Sache nicht
verloren gehen, indem es sonst den Anschein gewinnt, als wären die alten
Provinzen wenigstens soweit mit der Regierung einverstanden, daß sie dieselbe
ohne kräftigen Widerstand gewähren lassen. Ist eine siegreiche Erhebung
unwahrscheinlich und unmöglich, so müssen wir wenigstens bemüht sein, die
Unterdrückungsmittel der Erhebung in anderen Gegenden in Schach zu halten.
Ein Brandenburgischer Städtetag scheint
unausführbar, und - Wir fordern Sie daher auf, von Frankfurt aus einen Congreß
sämmtlicher Vereine der Provinz, die an der Reichsverfassung festhalten wollen,
sobald als möglich zu berufen, um über die zu ergreifenden Maßregeln Beschluß
zu fassen. Ist freilich nicht zu erwarten, daß der Congreß ungehindert
stattfinden wird; ist selbst im Falle, daß er stattfindet, von seinen
Beschlüssen kein unmittelbares Resultat zu hoffen: so wird doch einiges mit Sicherheit
erreicht. Die bis jetzt in der Mark zersplitterte Bewegung bekommt eine
einheitliche Richtung, die Aufregung wird sowohl durch das Verbot, als durch
das Zusammenkommen des Congresses vermehrt, die Regierung wird beschäftigt, und
ihr Einschreiten an anderen Orten gelähmt, die Stimmung im Südwesten
Deutschlands, die gegen Berlin und Preußen sehr erbittert ist, wird gehoben.
Sollten Sie mit uns einverstanden sein,
so schlagen wir die Pfingstwoche als die geeignetste Zeit für den Congreß vor.
Genehmigen Sie die Versicherung unserer
aufrichtigen Hochachtung.
Berlin, den 19. Mai 1849.
Der Vorstand des Gesammt-Auschusses der
berliner Volkspartei.
Der Lehrer Gercke wurde sofort verhaftet; seine Papiere sowie 59 scharfe
Patronen und ein Zündhütchen, die man in seiner Wohnung gefunden hatte,
beschlagnahmt.
Von dem Oberbefehlshaber der Marken wurde die Verhaftung der vierzehn
anderen Personen veranlaßt, die am 24. Mai erfolgte. Auch hier wurden einige
Waffen gefunden und Papier beschlagnahmt. Die Verhafteten wurden in das
Gefängnis der Stadtvogtei gebracht. „Von hier aus wurden die Verhafteten an
demselben Abend in das Militär-Arresthaus transportiert und dort, zum Theil im
Finstern, in kleine enge Zellen gebracht, in denen die Meisten wegen Mangels
eigner Betten auf einem Strohsack die Nacht zubringen mußten.“ 22
Die Zustände in den Gefängnissen
schildert Robert Springer eindrucksvoll: „Nach einem unerquicklichen Schlummer gehst du am anderen
Morgen, ..., in jenes ehrwürdige Haus am Molkenmarkte. Man weist dich in eines
der kleinen gemüthlichen Zimmer, die nach dem Krögel hinaus liegen; ein
Criminalgerichtsrath theilt dir mit, indem er
mit argloser Miene so obenhin einen Aktenstoß überblättert, das wegen
eines von dir verfaßten Artikels eine Voruntersuchung gegen dich eingeleitet
sei, die Anklage lautet auf Majestätsbeleidigung. Du wirst vernommen und da bei
einer Verurtheilung der $. 199. Th. II. Tit. 20 in Anwendung kommen, das
Strafmaß also weit über ein Jahr reichen würde, wirst du gleich verhaftet und in
eines der älteren Criminalgefängnisse gebracht, --
Wohnung, Kost und Kleidung; recht
schöne Wohnungen, sehen sich an wie Paläste, nur daß die Portcullis und
Eichenthüren und Gitter vor den Fenstern haben, mit einigen hundert Zimmerchen,
6 Fuß lang, 6 Fuß breit und 5 Fuß hoch, -- wohl dem, der nur 4 ¾ mißt. – Ei man
muß sie gewöhnen, sich niedriger zu tragen. Und Vorhänge recht solide Vorhänge
haben diese Kabinchen; sie sind von Eisen, und die Fußboden von Stein, recht
kühl im Sommer. Wir haben Köpfe gesehen, die vom Norden herabkamen, die vom
Süden heraufkamen; so kalt, so sprudelheiß, so ungestüm; aber nach zwei Mal
vier und zwanzig Stunden waren sie so stille, so mäuschenstille!“—
Die Hausvogteigefängnisse für die
politischen „Verbrecher“ sind eingegangen, seitdem die Gleichheit der
Staatsbürger vor dem Gesetze ausgesprochen ist. Mit dieser Gleichheit, wie sie
gehandhabt wird, züchtigt man die Demokraten, denen man sie zu verdanken hat.
Anstatt die Gefängnisse zu verbessern, und den gemeinen Verbrecher derselben
Behandlung theilhaft zu machen, welche früher der politische genoß, lässt man
Letzteren in gleicher Qual mit Jenem. Es unterliegt aber keinem Zweifel, daß
dem Wegelagerer ein Strohsack eine Wohlthat, dem Manne von feinerer Lebensart
aber ein Marterlager ist; daß demjenigen, welcher sich in den Kloaken des
Lasters gewälzt hat, der Dunst der menschlichen Exkremente, welche sich neben
ihm befinden, gar keine Beschwerden verursacht, während er dem gebildeten Manne
Ekel und Schwindel erregt. – Man gestattet dir zwar einige Vergünstigungen: ein
eignes Bett, eigene Beköstigung, Taback und Lectüre, aber erst, nachdem das
Gericht nach langen Zögern seine Einwilligung dazu gegeben hat; und wenn du
diese Vergünstigungen nicht wieder verlieren willst, so rathen wir dir, deinen
Kopf nicht an der doppelt vergitterten Luke blicken zu lassen, wozu du
vielleicht veranlaßt werden könntest durch die Absicht, etwas weniger stinkende
Luft (stinkend ist sie überall).“ 23
Das erste Verhör erfolgte am Abend des dritten bei einigen erst am Morgen
des vierten Tages. Über dem entstandenen Kompetenzkonflikt, ob das
Kriminalgericht oder das Kriegsgericht zuständig sei, verzögerte sich die
weiteren Verhöre um fast 14 Tage. Schließlich wurde Anklage erhoben.
Die Anklage berief sich auf die Bekanntmachung des Militärbefehlshabers
Wrangel vom 12. November 1848, in der es u.a. hieß: „Alle Klubs und Vereine zu
politischen Zwecken sind geschlossen“. Der Oberauditeur Schlitte, der die
Anklage vortrug legte als Beweis zwei Brief vor, die an Carl Herzfeld
gerichtet, sich beim Mitangeklagten Schönemann gefunden worden waren. Die
Briefe waren unterzeichnet vom Central-Ausschuß d’Ester, Reichenbach und
Hexamer, im ersten hieß es 24 : „Bürger! Wenn die Ereignisse der
letzten Monate für die Demokratie Deutschlands einen unwidersprechlichen Beweis
geliefert haben, so ist es für die Nothwendigkeit einer strengen Organisation
unsrer Partei, gegenüber der wohl organisierten, mit Geld und Thatkraft und
Disciplin ausgestatteten Reaction. Das Bedürfnis einer solchen Organisation der
Deutschen Demokratie hat den zweiten demokratischen Congress in Berlin
hervorgerufen.
Es versammeln sich 240 Abgeordnete der
demokratischen Partei; von ihnen wurde eine Organisationsplan beschlossen, und
wir als Centralausschuß mit der Ausführung und Leitung dieses Planes betraut.
Die Bewegungen, welche darauf in Preußen begannen, und in Belagerungszustand,
Ueberziehung des Landes durch mobile Kolonnen, in massenhafte Verfolgung und
Einkerkerung der Demokraten ausgingen, waren zur Ausführung jener
Partei-Organisation wenig geeignet.
Der Centralausschuß ist indeß in der
nachfolgenden Zeit und bis jetzt bemüht gewesen, die durch die ungünstigen
Verhältnisse zerrissene Organisation wieder anzuknüpfen und glaubt nun dahin
gelangt zu sein, daß wir mit Aussicht auf Erfolg einen allgemeinen Ruf an die
Deutsche Demokratie, einen Mahnruf zu Organisation ergehen lassen können. Wir
thun dies hiermit, indem wir die gedruckten Beschlüsse des 2. Demokratischen
Congresses, welcher das demokratische Organisationsgesetz enthält, überschicken
und Euch zur Ausführung desselben auffordern. Wir thun dies mit der Zuversicht,
daß Ihr mit uns erkannt habt: die Zeit der kleinen Bedenken ist vorüber; es
gilt jetzt rasche und entschiedene Entschlüsse, und daß Ihr dies
Organisations-Gesetz zu dem Eurigen macht.
Wenn es um den Sieg der Demokratie und
nicht um Phrasen und Diskussionen zu thun ist, wird nicht Anstand nehmen dies
Gesetz ausführen. Es muß aber diese Ausführung streng und genau geschehen. Wer
sich dazu nicht fähig glaubt, wird der Organisation einen großen Dienst
erweisen, wenn er sich ihr nicht anschließt; denn eine Schein-Organisation ist
verderblicher und gefahrvoller als keine. Ja wir nehmen keinen Anstand, es
auszusprechen: es muß zu einer Entschiedenheit in der demokratischen Partei
kommen. Wer nicht Selbstverleugnung, die Energie und Entschiedenheit besitzt,
der ist überhaupt nicht fähig, einer organisirten Partei zu dienen, der wird
eher den Sieg erschweren und ihre Zwecke vereiteln... Und so fordern wir noch
einmal Euch auf, thätig zu sein und nach Euren Kräften in dem gemeinsamen
Kampfe für die Partei Euren Pflichten streng nachzukommen, und vor Allem mit
Muth voranzugehen. Wer an seinem Siege verzweifelt, der hat den Sieg im Voraus
verwirkt. Bringt die demokratischen Heuler zum Schweigen, und ruft mit uns: es
lebe die Demokratie.“
Der zweite Brief lautete:
Bürger! Wir haben heut eine Zuschrift
an die demokratischen Vereine der Mark erlassen, in Begleitung einer Anzahl
Durchschriften. Die Lücken der Lithographien werdet Ihr mit dem Namen der
Vereine ausfüllen. Es betrifft die Durchführung der demokratischen
Organisation. Die Ereignisse dieses Jahres müssen uns organisirt und gerüstet
finden. Wir empfehlen Euch daher die volle Entwicklung aller Thätigkeiten, zu
denen Euch Eure Stellung in der Organisation verpflichtet.
Wir werden nun einzelne Maßregeln, die
zu ergreifen sind, vorschlagen. Die für die Kreiskassen einlaufenden Mittel
werden Euch in den Stand setzen, durch geeignete Emmissäre die demokratische
Organisation auf denjenigen Stand zu bringen, den die Wichtigkeit der Nähe der
Hauptstadt erfordert.
Wir empfehlen Euch für diese Emmissäre
namentlich folgende Gesichtspunkte: 1) die Abfassung eines Verzeichnisses der
namhaften Demokraten mit genauer Angabe der Adressen. 2) Beschaffung
zuverlässiger Adressen derjenigen Demokraten, deren Namen bekannt sind, um
Brieferbrechung auf der Post zu vermeiden. 3) Anfertigung von Listen derjenigen
Gast- und Wirthshäuser, welche sich zur Verbreitung von Flugschriften eignen.
4) Anfertigung eines Verzeichnisses der constitutionellen Vereine, die eine
mehr oder weniger demokratische Färbung haben. 5) Aufstellung eines
Verzeichnisses der demokratischen Blätter der Mark.
Über diese Punkte wünschen wir nun
baldige Auskunft, und ersuchen Euch nach dem gegenwärtigen Stande Eurer
Kenntnisse, alsbald einen Bericht abzufassen und uns zu überschicken. Abdrücke
der Rundschreiben an Eure Vereine, welche Ihr nach $ 9 allen Kreisausschüssen
mitzutheilen habt, erbitten wir in 20 Exemplaren. Wir empfehlen Euch dringend
die baldige Berufung eines Kreis-Congresses, damit die Parteien consolidirt
werden. Die Erfolge, welche die Partei jetzt bei den Wahlen errungen hat,
werden das Bedürfnis einer Organisation rege gemacht haben. Die Zeit ist also
jetzt günstig. In der Ueberzeugung, daß Ihr nicht ermangeln werdet, diesen
Anforderungen zu genügen, und in Erwartung baldiger Nachrichten, grüßen Euch
brüderlich
D’Ester, Reichenbach, Hexamer.
Der Oberauditeur Schlitte beantragte „gegen Gercke auf zwei Jahr, gegen die
Vorstands-Mitglieder Pfeiffer, Herzfeld, Waldeck und Berends auf neun Monat’
und gegen die übrigen Angeklagten auf sechs Monat Gefängnis zu erkennen“
Das Urteil des Kriegsgerichts erging nach mehrstündiger Beratung, man hatte
sich um 21.30 Uhr zurückgezogen und kam gegen 2.00 Uhr früh zur
Urteilsverkündung. Einleitend begründet des Gericht im einzelnen seine
Zuständigkeit um dann fortzufahren: „in Erwägung, daß die Angeschuldigten
Steide, Schildknecht und Petersen nicht erwiesen, in einem Verein zu
politischen Zwecken gestanden zu haben, und darin noch nach dem 16. Mai thätig
gewesen zu sein, wogegen bei den übrigen Angeschuldigten, nach genauer Prüfung
aller Beweise für die Anklage und für die Vertheidigung, von den Richtern die
Ueberzeugung geschöpft worden ist, daß sie noch nach dem 16. Mai , und
namentlich am 22. Mai sich in der Konversationshalle am Dönhofsplatz zu
politischen Zwecken versammelt haben, daß der Angeschuldigte Gercke noch
besonders durch den von ihm entworfenen und zur Berathung bestimmten Brief von
landesverrätherischer Tendenz, welcher noch nicht zur Berathung gekommen war,
vor den übrigen Angeschuldigten beschwert wird, wogegen ihm eine thätliche Widersetzlichkeit
gegen Abgeordnete der Obrigkeit nicht zur Last fällt;
in Erwägung endlich, daß bei Anwendung der Strafe den übrigen Angeklagten
außer Gercke der erlittene Untersuchungs-Arrest in Anrechnung zu bringen ist;
aus diesen Gründen erkennt das Kriegsgericht für Recht:
daß erstens der Lehrer Gercke wegen Uebertretung eines im Interesse der
öffentlichen Sicherheit erlassenen Verbots mit einjähriger Gefängnisstrafe zu
belegen, der Anschuldigung der thätlichen Widersetzlichkeit jedoch nicht für
schuldig zu erklären sei,
Zweitens die Angeschuldigten Schönemann, Herzfeld, Gubitz, Berends, Weiß,
Dr. Waldeck, Pfeiffer, Koch, Mecklenburg wegen Uebertretung eines im Interesse
der öffentlichen Sicherheit erlassenen Verbots mit dreimonatlicher
Gefängnisstrafe zu belegen, ihnen jedoch der erlittene Untersuchungs-Arrest
anzurechnen sei.
Drittens die Angeschuldigten Steide, Schildknecht und Petersen der
Uebertretung eines im Interesse der öffentlichen Sicherheit erlassenen Verbots
für nicht schuldig zu erklären seien.25
Von Seiten der Angeklagten wurden die Zuständigkeit des Gerichts und das
ergangenen Urteil in Frage gestellt. Die Kritik an der Zuständigkeit des
Gerichts umfaßte im Wesentlichen drei Ebenen.
Zum einem wurde die Grundlagen für den Erlaß der Martial-Verordnung vom 10.
Mai 1849, mit der die Kriegsgerichte ihre Legitimation ableiteten bestritten.
„Die Geschichte kannte bisher keine Zeit, in der man Kriegs- und
Aufruhr-Zustände fingiert hätte, um die politische Gesinnung Einzelner zu
verfolgen.“ 26 Zum andren wird
die Gültigkeit der oktroyierten Verfassungsurkunde, aus der u.a. das Gericht
seine Zuständigkeit deduzierte, in Zweifel gezogen, so lange „die zu berufenen
Kammern“ nicht wie vorgesehen, sie einer Revision unterzogen hätten. Ebenso
wird die Suspendierung der ordentlichen Gerichtsbarkeit (Artikel 7) verworfen,
da weder Krieg- noch Aufruhr herrschten. Kritisiert wird auch die Handhabung
des bereits weiter oben erwähnte Artikel 105, der der Regierung die Möglichkeit bot ihren Verordnungen Gesetzeskraft zu
verleihen: „Daß das Staatsministerium auf Grund dieses Artikels die
Befugnissein Anspruch nimmt, alle Gesetze, die Verfassung selbst abzuändern,
hat es mehrfach und namentlich durch die Abänderung des in der Verfassung
garantirten Wahlgesetzes gezeigt. Dies muß im Allgemeinen, so insbesondere
hinsichtlich der Verordnung vom 10. Mai verneint werden.“ 27
Vermißt wird auch eine inhaltliche Konkretisierung, welche Straftatbestände
unter die Kompetenz des Kriegsgericht fielen. Lediglich die Bestimmung, daß die
diejenigen, welche ein im Interesse der öffentlichen Sicherheit erlassenen
verbot übertreten, könne herangezogen werden. „Nur der Nachweis, daß es sich um
einen solchen Fall handele, konnte das Kriegsgericht - wenn man von seinem
gesetzlichen Bestehen absehen will - seine Kompetenz darthun. Dieser Nachweis
war aber auf einleuchtende Weise nicht
zu führen und das Kriegsgericht ergriff
den leichtesten Ausweg, für seine Kompetenz gar keine Gründe anzuführen,
dagegen durch Anführung einiger anscheinender Gründe sein rechtliches Bestehen
darzuthun, statt dieses Ausdrucks aber sofort den der ‘Kompetenz’ zu
substituieren. Trotzdem war die Inkompetenz auch nach der Verordnung vom 10.
Mai klar.“
Nachdem nochmals auf die Geringfügigkeit des Delikts (die Zusammenkunft in
der Konservationshalle habe mit beabsichtigten Partei-Organisation in keinem
Zusammenhang gestanden) verwiesen wurde, kommen die Angeklagten zu dem Schluß:
„1) das Kriegsgericht bestand nicht zu Recht.
2) Dasselbe war jedenfalls inkompetent, den vorliegenden Fall zu entscheiden.
3) Die dem Erkenntnisse zum Grunde gelegte Bekanntmachung des Generals v.
Wrangel vom 12. November v. J. hat keine verbindliche Kraft.
4) Die Verurtheilten haben selbst die in der Bekanntmachung vom 12. November
v. J. enthaltenen Bestimmungen nicht übertreten.“ 28
Während der Haft Carls und seiner politischen Freunde wurde am 30. Mai 1849
das Dreiklassenwahlrecht oktroyiert und in den folgenden Wochen die
Versammlungs- und Pressefreiheit eingeschränkt. Das Vorgehen gegen die führenden
Mitglieder der Linksliberalen muß im
Zusammenhang mit diesen Maßnahmen gesehen werden.
Das Zentralkomitee der Berliner Demokraten rief zum Wahlboykott auf, der im
überwiegenden Teil der Monarchie Resonanz fand. In Berlin jedoch gaben 46% der
76 900 Urwähler bei den Wahlen am 17. Juli ihre Stimme ab. Die konservative
Partei konnte ihre Mandate verdoppeln, unter den gewählten Abgeordneten
"befand sich kein einziger Repräsentant der linken Fraktion von
1848".
Die Juliwahl von 1849 markiert den beginnenden Abstieg der demokratischen
Bewegung. So wurde das auch von der konservativen Seite gesehen und so hob man
am Tage nach der Kammerwahl den Belagerungszustand für die preußische
Hauptstadt auf.
Eine Reihe weiter Maßnahmen engte den Spielraum der demokratischen
Vereine erheblich ein. So die
„Verordnung über die Verhütung eines die gesetzliche Freiheit und Ordnung
gefährdenden Mißbrauchs des Versammlungs- und Vereinigungsrechts“ vom 29. Juli
1849, die die Anwesenheit der Polizei bei jeder Sitzung oder Versammlung
vorschrieben und die Versammlung wegen ungesetzlicher Debatten auflösen konnte.
Daneben trat eine Zusatzverordnung, die es der Fremdenpolizei ermöglichte, an
den Berliner Bahnhöfen verdächtige Reisen zu kontrollieren und ihre Anwesenheit
in der Stadt durch die Ausgabe von „Aufenthaltskarten“ zu überprüfen.
Zusätzlich war durch eine bereits am 30. Juni 1849 erlassene Verordnung war für ganz Preußen die
präventive Pressezensur eingeführt worden.
Als sichtbar wurde, daß die Vereine trotz der rigiden Bestimmungen
versuchten ihre organisatorische Basis in der Art und Weise wie sie
bereits im Jahr zuvor von Carl Herzfeld
und seinen politischen Freunden anvisiert worden war, zu stärken, wurde auf
Betreiben des Berliner Polizeipräsidenten
Hinckeldey, das preußische Vereinsgesetz am 11. März 1850 erlassen, das
zur „Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit“ die Verbindung von Vereinen
durch Komitees, Ausschüsse oder Zentralorgane verbot und gegenseitigen
Schriftwechsel zum Zwecke der Organisation untersagte.
Unter dem Druck dieser Pressionen verloren die demokratischen Vereine
Berlins im Verlaufe des Jahres 1850 ihre Basis.
Epilog
Die Straßennamen und Straßenzüge wie Zimmer-, Linden-, Markgrafen-,
Jerusalemer Straße, wo Carl Herzfeld sein Domizil hatte und ein Drittel seines
Lebens verbrachte, sind noch vorhanden. Welche Auswirkungen die politische
Aktivitäten auf seinen beruflichen Werdegang hatten, vermögen wir nicht zu
sagen. Im Jahre 1859 ist er noch in Berlin nachweisbar, er wohnte zu diesem Zeitpunkt
in der Besselstrasse Nr. 8. 29 Dann ließ er sich
als Rechtsanwalt und Notar in Insterburg nieder und wurde später Justizrath
beim Oberlandesgericht Königsberg. Er starb im Alter von 65 Jahren.
Von seinen Kinder war der Sohn Georg als Geh. Sanitätsrat in Berlin
ansässig. Hedwig war mit einem Maurach verheiratet. Alwine, verehelichte
Wilhelmi, hatte zwei Kinder, die Tochter Käthe war mit dem Reichgerichtsrat
Eichelbaum verheiratet. Der in Amerika verschollene Konrad, entpuppte sich
später als Musikprofessor in Chicago.
Auch einige Stätten, die im Zusammenhang mit den Ereignissen mit Revolution von 1849/49 wie die Singakademie,
das Königliche Theater am Gendarmenmarkt, der Deutsche Dom, vor dem die
Märzgefallenen aufgebahrt waren, sind leicht zu finden. Dem Schlossplatz und
dem Berliner Schloß , dem Streit über einen möglichen Wiederaufbau müsste ein
eignes Kapitel gewidmet werden.
Andere sind von der Landkarte verschwunden, den Dönhoffplatz deckt der
Asphalt einer jener überbreiten stalinistisch-staatssozialistischen Marginalen;
daß die John-Forster-Dulles Allee im Tiergarten, in der Nähe der Kongresshalle
etwas mit den Zelten zu tun hat, darauf kommt man erst nach intensiven
Studium gesamtberliner Kahlschlagromantik,
was Gebäude und Straßenbe- zeichnungen anbelangt. Von der Weinstube Hippel
keine Spur, sie muß sich irgendwo in der Dorotheenstraße befunden, ebensowenig
vom Hotel de Russie unter den Linden.
Nun scheint man sich doch im Frühherbst des Jahres 1998 in Berlin der
Begebenheiten vor einhundertundfünfzig Jahren erinnern zu wollen: der Zugang
zum Lindentunnel soll geschlossen, der Platz neben der Neuen Wache neu
gestaltet werden und den Namen der Revolution von 1848 tragen.
Ludwig Herzfelds
Brautstand
Sagan
Im Februar 1849 wurde Ludwig von seinem Freund Meyer
aufgefordert, die Braut mit ihren Eltern in Glogau vorzustellen.
Lieber Herzfeld
Soeben liegt mir ein Circular vor, welches zu einer
Donnerstag, den 15ten Abend 7 Uhr in der Loge stattfindenden musikalischen
Abendunterhaltung nebst Soupé einladet.
Vielleicht benutzt Du diese Gelegenheit, um Deine Braut
mit ihren Eltern vorzustellen. Der Fastnachtsball wird wahrscheinlich erst Ende
des Monats stattfinden.
Für die Eltern Deiner Braut dürfte die musikalische
Soirée mehr Anziehendes haben, und ich würde Dir raten, diese Angelegenheit
nicht unbenutzt vorübergehen zu lassen.
Wahrscheinlich werde ich Ende des Monats nach Berlin
reisen und also nicht anwesend sein, wenn der Ball gegeben wird, was mir
wenigstens nicht angenehm wäre. Fasse daher schnell einen Entschluß und eile zu
uns.
Es versteht sich von selbst, daß Du diesmal sowie in
allen künftigen Fällen bei mir absteigst und wohnst. Meine Frau hat bereits die
Fremdenbetten im grünen Schlafsaal aufgerichtet, wo neben einer angenehmen Aussicht,
alle Bequemlichkeit für einen verzogenen Junggesellen sich vereinigen.
Neben dem Empfangssaal ist auch für ein grand befoin
gesorgt. Cosmehl kann leider wohl nicht kommen, da die Zeit zu kurz ist, ihn zu
benachrichtigen. Seine Louise ist 8 Tage lang bei uns gewesen u. hat mit uns
den Eisenbahn-Beamten-Ball besucht. Sie hat uns gesagt, daß ihre Vermählung im
Mai auf Cosmehls Andringen
bestimmt stattfinden werde. An derselben Stelle, wo sie
ruhte, wird Dein sorgenvolles Haupt sich künftig niederlegen. Schade, daß Deine
Braut nicht bei uns logieren kann. Das geht aber nicht, denn das Schloß,
welches den grünen Salon von dem Empfangszimmer absperrt, und in welchem sie
wohnen müßte, würde Deinem Dietrich nicht widerstehn ...
Ich bitte mir, wenn irgend möglich, bis morgen Abend
Antwort aus, weil ich, wenn Du nicht kommst, wahrscheinlich nicht gehen werde,
sonst aber noch Gäste einladen will. Meine Frau wäscht - zum ersten Male, läßt
aber trotzdem grüßen. Sonst nichts Neues.
Gl. d. 13/2. 49 Dein
treuer Freund Meyer
Wir können davon
ausgehen, daß Ludwig Herzfeld die freundliche Einladung annahm.
Herrn
Ober Landes Gerichts Assessor
frei, bald abzugeben,
Sagan
Hochverehrter Herr Assessor !
Gewiß erwarten Sie etwas anderes als einen Mahnbrief von
mir und doch kann ich nicht umhin, Sie an ein, mir früher gegebenes Versprechen
zu erinnern und zu bitten, daß sie morgen oder doch übermorgen, als den Montag,
zu uns kommen, da Ihr Freund Chappuis hier ist. Er kam gestern zu meiner Freude
hierher und will den Montag Abend nach Wahlstadt fahren, er hat den Wunsch
ausgesprochen Sie zu sehen, daher bitte ich Sie herzlich, machen Sie ihm die
Freude, wodurch Sie mich zur größten Dankbarkeit verpflichten würden.
Mein Chappuis weiß nicht, daß ich Ihnen schreibe, sonst
würde er Sie gewiß grüßen lassen.
Sollten Sie bereits Ihrem Fräulein Braut versprochen
haben, den morgenden Tag bei ihr zu verleben, so erhalten Sie von ihr gewiß die
Erlaubnis, übermorgen zu uns zu kommen. Empfehlen Sie mich ich ihr auf auf das
Herzlichste. Mit der Hoffnung keine Fehlbitte getan zu haben, muß ich
schließen, und füge noch hinzu, daß Sie ein Nachtlager bei uns bereit finden
werden. Sollte Ihre Zeit es nicht erlauben zu kommen, was ich nicht fürchten
will, dann erhalte ich wohl Antwort.
Mit Hochachtung erlaube ich mich zu nennen
Ihre Freundin
Golgau den 17ten Feb. 1849 Bertha
Bail
Im April 1849 läßt sich Ludwig Herzfeld als Königlicher
Rechtsanwalt und Notar in Sprottau nieder.
Am 23. Oktober desselben Jahres heiratet er „in aedibus
privatis zu Obergorpe mit Dimissoriale durch den Herrn Pastor Bock aus Glogau
... die Jungfrau Clementine Marie Wüsthoff, älteste Tochter des Verstorbenen
Oekonomie-Kommissarius und Rittergutsbesitzer Herrn Robert Wüsthoff zu
Obergorpe.“
Ein zeitgenössischer Bericht über die Hochzeit liegt uns nicht vor. 50 Jahre später am Tage
der G9ldenen Hochzeit erinnert sich die Schwester der Braut, Agnes:
„Was war das damals für ein Leben, in dem sonst so
stillen Dorfe und wie froh war das Brautpaar, als nach Überwindung so mancher
Hindernisse der Hochzeitstag so herrlich schön anbrach ... Schwester Marie war
der Liebling aller in Obergorpe. Ich weiß es noch wie heut’ als sie nach der
Hochzeit in den Reisewagen einstiegen, der sie nach Sprottau bringen sollte.
Nicht nur wir, auch das ganze Dorf stand um den Wagen und manche Abschiedsträne
wurde verstohlen von den gebräunten Wangen der guten Obergorper Dorfgenossen
abgewischt.“
Kosmehl, der alte Schulfreund, später Superintendent in
Görlitz, sang beim Morgenspaziergang oder zum Abschied, die Zeitzeugen sind
sich da nicht einig, mit mächtiger Stimme „aus dem Waldesgrün“:
Wach auf du goldenes Morgenroth und grüße meine Braut,
Daß sie des Himmels Seligkeit in Rosenwölcken schaut,
Wach auf, wach auf, und grüße meine Braut!
Ihr Frühlingsrosen, geht zur ihr, ihr Engelsköpfchen
fliegt,
Daß ihr die Welt, wenn sie erwacht, in Rosenschimmer
liegt.
Ach du mein Herz, flieg hin zu ihr, sag ihr in diesem
Lied,
Wie all mein Glück an diesem Tag in Rosen aufgeglüht.
Wir wissen nicht, wer von Ludwigs
Geschwistern unter den Gästen war, und ob der Vater Jacob an den
Hochzeitsfeierlichkeiten teilnahm; vielleicht war er aus gesundheitlichen
Grünen verhindert, denn nicht ganz vier Monate später schied er in Berlin aus
dem Leben.
.
Das Schicksal der Familie in Berlin bis zu Jacobs Tod 1850
Der Friedhof Schönhauser Allee
„Montag, 30. Juni 1997
Ich fuhr heute zum jüdischen Friedhof, um Alwines
Grab aufzusuchen.
Als ich die hinter einer großen Mauer und durch ein
eisernes Tor gesicherte Anlage betrat, ging ein Regenschauer nieder. Die
Friedhofswärterin, die weder Deutsch noch Englisch verstand, wohl selbst den
Regen scheuend, stattete mich mit einem Regenschirm aus und wies mir den Weg.
Trotz langen Suchens, die Sonne kam wieder hervor und brannte mir auf den
Buckel, konnte ich das Grab nicht finden . Als mir ein Gärtner, der
überhängende Äste von Feigenbäumen absägte, reife Früchte lagen zermatscht am
Boden, auch keine Auskunft geben konnte, wandte ich mich Hilfe heischend in das Wärtelhaus zurück. Nun bequemte die
Dame sich, in ihrer Kartei nachzusehen und mit dem Büro der jüdischen Gemeinde
zu telefonieren, von der meine Angaben stammten, jedoch wurden meine Angaben
nur bestätigt.
Schließlich machte sie sich mit mir auf die Socken.
Endlich wurde ich fündig(die Reihenangabe hatte nicht gestimmt) : Eine kleine,
dünne Grabplatte aus Sandstein, deshalb bereits verwittert, die Oberfläche mit
einer leichten Moosschicht bedeckt, ein Namenszug nur schemenhaft erkennbar,
lag auf dem Boden. Ich musste der Versuchung widerstehen, sie in meiner
Umhängetasche verschwinden zu lassen. Ich tastete mit den Fingern die
Buchstaben entlang, legte ein Blatt Papier darüber und fuhr mit einem Bleistift
über die grobe Fläche. Kein Zweifel -
der Name „Herzfeld“. Es handelte sich um ein Armengrab, die Beerdigung hatte
wohl die jüdische Gemeinde ausgerichtet.“
(Fußnote) - Diese Familie, in etlichen ihrer Zweige nicht unbetucht,
hatte für ihre Toten, wie auch in Halle zu sehn ist, nur wenig übrig.
Nun kommt die
italienische Reise dran. Bin Vierteljahr vorher finden wir in der Berlitz-Schule
mit italienischem Unterricht an. Dann,
wurde die Reiseroute zusammengestellt, die -Rundreisehefte besorgt, mit den
heutigen Preisen verglichen war
diese Fahrt, alles 2.Klasse, lächerlich billig. Eines Mittags fuhr unser
Zug ab, auf dem Bahnsteig trafen wir einen von Vaters Kollegen, der auf die
Bekanntgabe unseres Reiseziels sagte "glückliche
Jugend". Und er hatte recht, wir fuhren mit offenen Augen und
bereit, das schönste in uns aufzunehmen, ab. Die Reise verlief glatt, erst
durch die lieblichen mitteldeutschen Wälder, dann durch die Nacht und tags
durch Tirol und über den Brenner. Die schone Fahrt, die man so gerne noch
einmal wiederholen möchte, jetzt - wo uns Deutschen die ganze Welt verschlossen
ist ! Dann kamen die italienischen Berge, nur mit zartem Laubwald bestanden, auch dort ging es nach den vielen Brennertunneln durch viele Tunnel hindurch
und nach 28 Stunden kamen wir in
Florenz an, wo uns Tante Alwine mit
einer Droschke abholte und durch die schönen Florenzer Straßen fuhr, aber nicht umhin konnte, mit dem Droschkenkutscher am Schluß ein uns ganz
neues Handeln um den Preis zu beginnen. Ihre Wohnung war am Ining* Arno, einer Straße, die den Arno
begleitete und einen schönen
Ausblick auf den Piassale Michel Angelo bot. Unser Schlafzimmer ging auf einen
Lichthof und nachts hatten wir
manchmal die Mäuslein an unseren Bettvorhängen
spazieren, ließen uns aber nicht stören. T. Alwine war schon 83 Jahre alt, aber ungewöhnlich rüstig und geistig
frisch. Sie war Sprachlehrerin gewesen und kannte dadurch viele gute Familien,
in denen sie noch verkehrte und in
deren Häuser wir nun auch geladen
wurden. Ich verstand das Italienisch sehr gut und Tante Alwine war entsetzt, als sie merkte, daß ich den Bericht über eine schwere Geburt, den
eine Bekannte ihr gegeben hatte,
ihr wörtlich übersetzen konnte. Wir lernten dort richtig, wie gut Olivenöl schmeckt und manche italienischen Gerichte
kennen. Im Hause wohnte ein
Künstler, dessen Tochter Giorgina Giorgi uns in- und hauptsächlich außerhalb
Florenz führte und mit der wir
italienisch sprechen konnten. Wir
hatten einen guten -Plan entworfen, nach dem wir an den kostenlosen Tagen die Museen gründlichst studierten und die
Kirchen und alles Erdenkliche besichtigten. Wir sahen unendlich viel Schönes
und lernten richtig sehen, wenigstens denke ich das. Wir waren am 3. April
abgefahren und kamen in den schönsten Frühling, bald in sommerliches Wetter, so daß an den Häusern bis in mindestens ein Stockwerk die
Glyzinien und Teerosen blühten. Im Auftrage von Vater und Mutter kauften wir eine klassische Marmorfigur - i lottateri die Ringer, die später auf einer dazu
angefertigten Säule unseren
"Salon zierte. Auch für uns erstanden rir ;]e einen Kinderkopf aus Alabaster. In den Schaufenstern lagen wunderschöne Schmucksachen, auch
auf .er berühmten Brücke "ponte
recchio" waren sie in winzigen
Auslagen zu sehen, aber dafür hatten wir leider :ein Geld. Ziemlich am Ende unseres Aufenthaltes kam Frau Weber (Justizrätin) mit Trude auch, nach
Florenz, wir mochten sie eigentlich
nicht recht, aber -Frau W. rar dort so nett, daß wir gern mit ihr einen
Droschkenausflug nach der Gertosa machten, einem Kloster lieblich auf einem, Hügel gelegen.
eine -Bekannte von Tante Alwine lud uns zu einer Fahrt m eigenen Wagen zum Korso in den Cascinen ein. Bin
liebliches Wäldchen, durch das eine breite Fahrbahn führte, auf der die
"mondäne Welt" sich an bestimmten Tagen nachmittags auf diese Weise ein Stelldichein ab. Mit Griorgina waren wir in einem antiken
Amphitheater, auf der Fahrt in der Elektrischen/Lernten wir einen Nürnberger Ingenieur kennen, der meinte, uns sofort als
Deutsche erkannt zu haben» es sollte eine Schmeichelei ein. Im allgemeinen
wurde man lieber für einen Ausländer gehalten, das heißt, einer anderen Nation
angehörig, weil die Deutschen damals in dem Ruf standen, in den
unangebrachtesten Kostümen, mit Hucksack und Nagelschuhen o.a. in den Galerien
und Hotels aufzutauchen und somit ihr
Vaterland in den Augen der anderen schlecht vertraten.
Tante Alpine hatte ein altes Mädchen,
die schon "Jahr-zehnte bei ihr war, Maria, die gut kochte und wenig aufräumte. In der Familie in Halle wurde gesagt, Tante Alwine hätte erzählt, da würde behauptet, in Italien sei man. nicht sauber, aber sie wüsche ihre Gardinen alle 8 Jahre. Das Wohnzimmer war trotzdem sehr gemütlich mit altertümlich geschnitzten, dunklen wenigen Möbeln und Blumen. - Besonders gut schmeckten uns weiße Bohnen, die beim Verzehren mit Olivenöl übergossen irden, und gebratenes Fleisch mit Tunke, was für welches, weiß ich nicht mehr. Die Küche war ganz altertümlich mit einem Rauchfang über dem großen Herd, wie im Märchen. Oben hingen merkwürdige Gebilde, die uns zum Lachen reizten, besonders als Tante Alwine von dem einen behauptete, es sei eine luftgetrocknete Zunge. Unser Lachen veranlaßte sie wohl, uns die Güte ihrer Ware zu zeigen und die Zunge wurde 48 Stunden in Wasser gelegt und lange gekocht. Dann schmeckte sie allerdings delikat.
Das Klo war ganz altmodisch "zum
Durchfallen" von oben bis unten, es hatte
einen weißen Marmorsitz, auf dem ein Strohring lag, weil der Marmor natürlich
viel zu ka1t war. Eines Tages wurden unten die
Wässer (oder sonst was?) gereinigt und das Klo
durfte nicht benutzt werden, deshalb
führte uns Tante Alwine zu einem Arzt, Dr. Vonzetti - Junggeselle auch noch -, bei dem wir das Klo al'inghlese - englisch - benutzen durften, das eine normale Wasserspülung hatte. Das war wohl in Florenz aber noch nicht so verbreitet. Er wurden also verschiedentlich eingeladen zum Tee mit herrlichem Kuchen, einmal zum Abendbrot, wo es Spargel
gab. Dort werden die Spargel nicht geschält, deshalb faßt man das Ende mit den Fingern an, taucht eine Spitze in
Olivenöl und ißt nur so viel, wie von dem Stengel
zart ist. Er schmeckt "wie ein Gedicht".
15. Mai wurden wir in Wien erwartet
und wollten eigentlich gern allein nach Venedig fahren. Tante Alwine wollte aber mit einer alten Bekannten uns begleiten, weil es angeblich in Italien für junge Mädchen
schicklich war, allein zu reisen. Wir waren von dem Plan nicht sehr begeistert und ließen sie es wohl auch etwas merken, was ja nicht sehr nett von uns war. So fuhren wir also zusammen los und landeten auf dem Bahnhof in Venedig, von dem man schnell an einen Kanal kam, auf dem lustig die Gondeln schaukelten, deren Gondolieri
laut und wortreich zum Mitfahren
aufforderten. Tante Alwine handelte ein bißchen, wir
"gondelten" los und wollten in einer
ihr als billig und gut bekannten Pension nächtigen. Vorbei ging es an alten
Häusern und Palästen, unter der Rialtobrücke hindurch und so fort, links lag der Markusplatz mit dem Dogenpalast, aber
wir fuhren wer weiß wohin und es dunkelte schon, bis wir ausstiegen. Tante Alwine zog an einem alten Hause unten an einem Klingelzug, aber niemand öffnete, und so mußten wir mit der Gondel, die vorsichtshalber gewartet hatte, zu einer unbekannten Pension fahren, die nun gar nicht billig war. Sie war sehr hübsch gelegen und A..M. and ich fühlten uns sehr wohl, wir fanden sie mit den weißen Möbeln sehr elegant eingerichtet. Nun zogen wir am nächsten Tag los, Tante Alwine interessierte sich glücklicher Weise nicht für ihr
längst bekannte Kirchen und Paläste und so besichtigten wir allein die Kirche Maria della Salute, die Markuskirche, den Dogenpalast usw. und schlenderten auf den schmalen
Gäßchen herum, die nur zum Gehen eingerichtet waren. Damals war grade der
berühmte Campa-nile-Glockenturm auf dem Markusplatz eingestürzt und sollte erst wieder aufgebaut werden. Alles war eigenartig und vieles überwältigend schön, noch dazu im
Sonnenschein mit strahlend blauem Himmel. Mittags trafen wir uns, auch wohl
meist zum Abendessen im "Gavaletto",
einem kleinen sehr bekannten Restaurant in der Nähe des
Markusplatzes. Tante Alwine hatte in .Florenz
stets gesagt, Butter äße man in Italien nicht und als A.M. nun mal
Butter (wozu weiß ich nicht mehr) bestellt
hatte und Tante Alwine sagte, bitte, gib mir doch etwas Butter, sagte Annemarie, die sehr spitz sein konnte: loh denke, in Italien ißt man keine
Butter. Damit und mit noch anderem
hatten wir sie offenbar so gekränkt,
daß sie es aufgab, für unsere Tugend besorgt zu sein. Es war auch nicht nett
von uns, denn sie hatte In den 6 Wochen wirklich gut für
uns gesorgt, aber brieflich hat sie uns nichts entgelten lassen.
Eines Tages fuhren wir zum Lido, hatten aber leider keinen -Badeanzug, den hätten wir uns ,ja
leihen können. Es war aber keine Badezeit
und wir wären die Einzigen gewesen, die von den anderen Gästen aus den
Glasveranden hätten kritisiert werden können, und das genierte uns, ,so kamen wir um den ersehnten Genuß! - Als wir in unserer Pension die teure Rechnung beglichen, kam Tante Alwine empört zu uns, ihr
hätten sie noch ein Nachtgeschirr auf die Rechnung gesetzt, wo sie doch
nie eins benutzte! Das gab ihr den Rest. - Wir verabschiedeten uns von den 2
alten Damen und zogen allein zum Dampfer, der um Mitternacht in See stach...
Elias Herzfeld geb. 11.Feb. 1787 gest. 24. Jan. 1867 in Berlin, dort Inhaber der Fa. Eidam u. Co (1) |
Henriette
geb.Baer (Behrendt) geb.28. Aug.1800 gest. 8. März 1863 |
Epilogue
Now I come to the reason for this exercise. It is not a sociology of
the family (the Herzfeld family), nor unreservedly the notion that "blood
is thicker than water", which was stated by my namesake Wolfgang Herzfeld
(1859-1941), who died the year I was born and with whom I share the interest in
family history.
Apart from a general interest in history there were also quite
subjective factors which led me to an intensive preoccupation with the Herzfeld
family. One factor may be the unconscious reappraisal of the divorce of my
parents. The interest was initially only dormant, but was preserved and strengthened
by my interest in an unknown father living in the U.S.A, whom I was only aware
of briefly seeing for the first time as a thirteen-year old.
In the discussion of my father as a person and of his philosophy of
life, two motivating themes should come together, both concerned with
Jewishness: On the one hand, it was incomprehensible for me that someone, who,
even if he only had one Jewish grandparent, should attempt to ignore the fact,
tended, at least verbally, to an antisemitic attitude and had an obvious
tendency to "germanize" the Jewish ancestors in his family history.
It could of course be that behind this attitude were the traumatic experiences
during the Nazi period for someone with the name Herzfeld.
On the other hand, after I had read the first draft of his family
history concerning our Jewish ancestors, a "neutral" standpoint was
evident whereby I could reappraise the past divorce of my parents, with which I
had not yet come to terms.
If I have to sum up what my involvement with this subject has done for
me personally, as I am repeatedly asked, then I wish to do this with the help
of some reflections which I made during a visit to Freiburg on Easter Sunday
1995:
From Badenweiler to Freiburg, a short trip to attend the Easter Service
in the cathedral. Gloomy memories - the rainy weather seems to emphasize them -
in connection with my years of travel – more about this later. The city has a
relationship to me and connects me with two, three people who worked here. One
was Friedrich Meinecke, whose "World Bourgeoisie and the Nation
State" became the standard work of historicism; another was Hans Herzfeld,
who studied under Meinecke and had the chair in Contemporary History at
Freiburg for a short time after the war before he succeeded Meinecke at
Berlin’s Free University. If my memory does not deceive me, in the few
conversations with Hans that were granted me, the influence of his teacher’s
thoughts were noticeable regarding the openness in accepting different
approaches to economic and social history.
In this context, it is worth reading his memoirs, in which he covers in detail his Freiburg academic life, lectures and seminars with Meinecke. In contrast to this there is Franz Rosenzweig, who likewise studied with Meinecke, attained a doctorate on Hegel and in experiencing WW1 became a critic of Hegel’s all-inclusive thinking and with this, an opponent of political history. Hans Herzfeld is for me representative of our family: by origin he is a representative of assimilated Jewry and of the liberal-conservative middle class shaped by bismarckian state-power.
Now an independent middle class again includes religious basic categories in its philosophical system. Whether it originated from Jewry or Christianity, as a child of secularization it denied its religious roots, it was a middle class to which Franz Rosenzweig was connected; it finally experienced the brittleness of its world view with WW1, recognizing the reciprocal tearing apart of peoples in WW1 as a logical consequence of a Hegelian philosophical total system.
Already in 1910 Rosenzweig defined "Religion in the 20th Century
sense" through its contrast to history. From this the main thing to be
inferred is that in Rosenzweig’s eyes " Religion in the 19th Century
sense" was obviously a belief in history as theodicy. Whoever takes the
judgements of the historical process as the final criteria for any value
judgement, ignoring the transcendence of ethics, forgets that history itself
can and should be subject to a value judgement. "Religion in the 20th
Century sense" is therefore to be understood as the personal relationship
of Man with God, as a demand on Man to assume his indispensable responsibility,
beyond the logic which apparently makes him a mere pawn on the anonymous playing
field of history. Here the criticism of Hegel’s historical view is evident.
At this point, my way back leads to a religiously founded Jewishness -
not through my paternal ancestors of Jewish origin, the assimilated Herzfelds,
who merge with German neopagan middle class culture (Goethe can be regarded as
their representative figure) - but through my catholic grandmother and mother
of rural petit-bourgeois origin. I am sure that a certain distance from
Protestant, inner-world society ("secularized Lutherdom") led me to
regard the historical process under ethical criteria and see the religious
dimension as independent beside the inner-world historical dimension.
Ironically (or is it a dialectic of history?) now my catholic mother/
grandmother connect me to Jewishness: by this I mean that I again discover my
ethical basic principles, and Franz Rosenzweig’s Jewishness connects to
Christianity, in that the Catholic rite of the Easter Mass, the collective form
of religious life, becomes a "social sign" for me, it refers to an
ideal reality "that does not yet exist and about which it is but an
approximation, an anticipation. "The religious community today embodies,
albeit in limited, special form, the utopian reality of a reconciled
world". Expression and imagination of the act of redemption and of the
redeemed world (Easter) takes place in and through the parish, which in
communion celebrates the risen Lord as the first of a redeemed mankind. Thus -
likewise not without irony - reidentification with Catholicism occurs through
the Jew Rosenzweig.
But here I would also not like to leave unmentioned "my"
Emanuelle Lévinas, whom I discovered in connection with my reappraisal of the
history of the converted and secularized Herzfeld family. He writes, following
on from Rosenzweig’s thoughts: "The Self is that, which is already chosen
before each decision to carry the whole responsibility of the world. Messianism
is this summit of Being - the reversal of Being, which "persists in its
Being", which takes its outcome in me". Here, returning to the Easter
liturgy, Jewish and Christian thinking come together and at the same time their
difference becomes visible. But the difference is not all that large, let us
take the name Christian (Christos = the Lord’s Anointed = Messiah) seriously.
Between gnawed lamb chops, a half-empty Campari glass, wine and bread
crumbs dropped on paper, followed by a walk through the now sunlit streets of
Freiburg, these thoughts found correspondence in a bookshop window: Franz
Rosenzweig’s "Star of Redemption" was on display, it could well have
been the same place where I had seen "Totality and Infinity" by
Levinas a good six years before. So on resuming my walk I could not miss taking
a look at the university, where Husserl, Heidegger and Jaspers had also worked.
1 Jacob Jacobson (Hrsg.), Jüdische Trauungen in Berlin 1759-1813, Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin, Bd. 28, Quellenwerke Bd. 4, Berlin 1968, Einleitung S. XXX.
2 Ebd.
3 Vgl. Franz Schneider, Mitglied der Hetzfelder Flösserzunft, Heidingsfeld ein altfränkisches Städtebild. Heidingsfeld 1908, Nachdruck 1979, S. 3.
4 Vgl. dazu: M. Braun, Die Abstammung und der Name Ferdinand Lassalles, in: Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums, 62. Jahrgang, NF 26. Jahrgang, Breslau 1918, S. 270-274. - Ein weiterer Beleg, daß der Name Herzfeld von Heidingsfeld abgeleitet wurde, findet sich bei Bernhard Wachstein, Die Inschriften des alten Judenfriedhofs in Wien, 2. Teil: 1696-1783, Wien und Leipzig 1917, S. 419: ‘Wolfgang (Simeon Wolf). Er starb als Produktenhändler, 36 Jahre alt, am 18. Oktober 1814, seine Frau Franziska (Freidel) T. mhrr Lazar Herzfeld, 43 Jahre alt, am 4. Dezember 1818.’ Anm. 1: ‘Zu Lazar Herzfeld ... er stammt aus Heidingsfeld, lebte in Pirnitz Mähren, hierauf in Wien. Das von ihm begründete Handlungshaus wurde von seinem Enkel Bernhard Wertheim ... unter den Namen ‘Lazar Herzfelders Enkel’ fortgeführt.
5 Bei Angehörigen des Stammes Levi findet sich die Bezeichnung SeGal (zum Stamme Levi gehörig), auf den Grabsteinen der Henkelkrug bald auf - bald neben der Schüssel plaziert. Bei den Kohanim, der Priesterkaste, die ebenfalls dem stamme Levi entnommen wurde, lautet die Abkürzung K./Z., woraus die Namen Katz, Cohn u.a. resultieren; die Grabsteine sind mit segnenden Händen verziert.
6 Levi heißt übersetzt ‘meines Herzens’. Nach Gerhard Kessler (Die Familienamen der Juden in Deutschland, Leipzig 1935) ist aus dem Väternamen Herz der künstliche Ortsname Herzfeld geworden.
7 Neben den bereits oben genannten sind das: Schönchen
Herzfeld (Wwe. des Samuel David), Bela Bamberg geb. Herzfeld, Sara Herzfeld und
Israel Heutzfeld in Glogau (seine Familie und deren Nachkommen sind nach 1820
in Breslau ansässig und nennen sich ebenfalls Herzfeld), Judith Herzfeld in
Breslau, in Zborowsky den Isai Moses Herzfeld
und in Nicolai den Baruch Herzfeld, alle bis auf Schönchen sind also in
Schlesien ansässig. Im Fürstentum Halberstadt Ruben Herzfeld (Ellrich),
schließlich in der Provinz Posen der Lehrer Moses Herzfeld in Samter, in Buk
der Kaufmann Samuel Herzfeld und in Pudewitz ein Rabbiner H. Samuel Herzfeld.
Für Posen liegen uns allerdings die Verzeichnisse erst aus dem Jahre 1834 vor.
1 Der König der Chasaren Butan trat im Jahre 740 zum Judentum über.
2 Slomo Netzer, Wanderung der Juden und Neuansiedlung in Osteuropa, in: Michael Brocke (Hrsg.), Beter und Rebellen, Aus 1000 Jahren Judentum in Polen, Frankfurt/M. 1983, S. 36.
3 Shlomo Netzer, a.a.O./, S. 37.
4 Ebd., S. 40.
5 Shlomo Netzer, a.a.O., S. 44.
6 Heinrich Graetz, Volkstümliche Geschichte der Juden, Bd. 3, 10. Auflage, Berlin 1922, S. 293.
7 Michael Riff, Das osteuropäische Judentum, in: Franz Bautz (Hrsg.), Geschichte der Juden. Von der biblischen Zeit bis zur Gegenwart, München 1983, S. 116.
8 Shlomo Netzer, a.a.O., S. 46f.
9 F.W.F. Schmitt, der Kreis Flatow. In seinen gesammten Beziehungen, Thorn 1867, S. 122.
10 Brenckenhoff an den Minister v. Hertzberg (17. Sept. 1772), zitiert nach : Max Bär, Westpreußen unter Friedrich dem Großen, Erster Teil - Darstellung, Leipzig 1909, S. 36.
11 Otto Goerke, Der Kreis Flatow, Flatow 1918, S. 92f.
12 Selma Stern, Der Preußische Staat und die Juden. Dritter Teil: Die Zeit Friedrich des Großen. Erste Abtlg. Darstellung, Tübingen 1971, S. 73.
13 Jacob Jacobson, Jüdische Trauungen, a.a.O., S. XXVI.
14 Max Bär, a.a.O., S. 420f.
15 Max Bär, a.a.O., S. 426.
16 Ebd., S. 429.
17 Ebd., S. 430.
1 A. Blanke, Aus Schlochaus vergangenen Tagen, 2. Aufl., Schlochau 1926, S.94. Vgl. Auch S. 27 u. S. 80f.
2 A. Blanke, a.a.O., S. 80f.
3 A. Blanke, a.a.O., S. 90.
4 Die Briefzitate stammen aus: Moses Mendelssohn, Brautbriefe, mit e. Einf., von Ismar Elbogen, Königstein/Ts. 1985.
5 Ebd
6 Moses Mendelssohn, Gesammelte Schriften, Nachdruck der Ausgabe von 1863 in 7 Bdn., Hildesheim 1972, Bd. i, S. 95f.)
7 Die Personenstandsdaten sind entnommen: Jacob Jacobson, Jüdische Trauungen in Berlin - 1759-1813 -, Veröffentlichungen der Historischen Kommission (zu Berlin, Bd. 28, Berlin 1968, Nr. 206).
Der nachfolgende Text stammt aus: Karl Friedrich
Klöden, Von Berlin nach Berlin, Erinnerungen 1786-1824, Berlin 1976, S. 436 ff.
8 Aus dieser Ehe ging Wilhelm Caspari (geb. 28. 8. 1808, gest. 26. 6. 1866) hervor, von Beruf Indigohändler; er war ebenfalls mit einer Goldschmidt (Ernestine) verheiratet.
9 Schönchen = Jeanette, Fr. D. Ruben Goldschmidt, T. d. Koppel Herzfeld aus Amsterdam, im Wochenbett gest. 17. 2. 1806. Sie war eine Nichte des Samuel David Herzfeld in Berlin. Ihre Kinder aus der ehe mit Ruben Goldschmidt wurden Christen: 1. Car, ursprünglich Jacob, geb. B. 3. 12. 1792 (T. 1. 8. 1825 = Carl Wilhelm G.), 2. Eduard, ursprünglich Samuel, geb. B. 27. 1. 1794 (T. 28. 9. 1823 = Friedrich Eduard G.); 3. Louis, ursprünglich Levin, geb. B. 22. 3. 1800 (T. 18. 5. 1829 = Heinrich Ludwig G.); Ferdinand, ursprünglich Benone, geb. Berlin 17. 2. 1806 (T. 6. 1. 1826 = Robert Ferdinand G.); weiterhin ist noch eine Tochter, Caroline (geb. 9. 2. 1796) zu erwähnen. Vgl. Jacob Jacobson, Jüdische Trauungen, a.a.O.;: Nr. 612, u. Anm. Zu Nr. 612.
10 Jacob Koppel David Heizfeld = Jacob Herzfeld aus Amsterdam, gest. Vor 1789.
11 Sanwil Bamberg = der rabbinisch gelehrte Sanwil Herzfeld, Vorsteher des Talmud-Thora-Institutes und des Beth hamidrasch = Samuel David Hertzfeld, Ord. 238, geb. Heidingsfeld (Herzfeld) im Würzburgischen ca. 1733, Konz. 1. 8. 1764, gest. B. 28. 6. 1790. Samuel David war verheiratet mit Süssche, Tochter des Moses Bamberg ( 13. 4. 1765). Süschen, geb. Ca. 1744 in Berlin, starb dort am 23. 2. 1815. Samuel David hatte also den Namen seines Schwiegervaters übernommen.
12 Georg Hermann (eigentlich Georg Hermann Borchardt, am 7. Okt. 1871 in Berlin geboren, emigrierte 1933 nach Holland, wurde am 19. Nov. 1943 in Auschwitz ermordet.
13 Vgl. Das Kapitel „Synagoge“ das der Familie Josephson gewidmet ist.
14 An dieser Stelle muß das Haus Burgstrasse 28
(vorh. 27), von dem aus man einen Blick
auf das Berliner Schloß hatte, und das
in der Nähe der Börse gelegen war, erwähnt werden. Im Jahre 1853 hatte es einem Wilhelm Salomon Sobernheim gehört. Dessen Vater war Dr.med. Salomon
Sobernheim in Posen, der in Deutschland erste Versuche mit der
Pockenschutz-Impfung machte, und ein Enkel des Wilh. Sal. Sobernheim war der
HNO-Arzt Dr. Wilhelm Sobernheim, der 1939 Selbstmord beging. Im Keller seines Hauses fand man Bilder der
Vorfahren u.a. des Jettchens Gebert,
real Johanne Goldschmidt. Das Haus kam im Erbgang an die Kinder eines Joseph
Herz feld, der nach 1848 steckbrieflich wegen revolutionärer Umtriebe gesucht,
deshalb in die U.S.A., emigrierte (im Hause seines Vaters Jonas Herzfeld, der
auch einige Jahre, um 1815, in dem kleinen Ort Büttgen b. Neuß, wo meine Frau
Ruth fast zwanzig Jahre gewohnt hatte, lebte, verkehrte auch Ferdinand
Lassalle, dessen Mutter Rosalie Herzfeld, Tochter des Abraham, aus Glogau war),
an den Dr. phil. Georg Herzfeld, den
Magistratsassessor Dr. Gustav Herzfeld
(Wildpark b. Potsdam), Frau Marie (gen. Mamy) Vohsen, geb. Herzfeld und Frau Rosa (gen. Leonart} von den
Steinen, geb. Herzfeld (Steglitz). Der genannte Gustav Herzfeld wurde als
getaufter Jude im K.Z. Theresienstadt umgebracht. Zur Verwandtschaft dieser
Herzfelds (vgl. Stammbaum) gehörten auch Wieland Herzfelde und John Heartfield (= Helmut Herzfeld).
Rosa Eleonore von der Steinen geb. Herzfeld war mit dem Baseler
Schriftsteller von den Steinen verheiratet. Als Jüdin konnte sie dem Transport
in ein Vernichtungslager 1940 entgehen, weil sie in Freiburg in einem von den
Gengenbachern Franziskannerinnen
geleitet Altersheim lebte. Sie war 1867 in Düsseldorf geboren und starb
im Dezember 1944 in Basel, wohin sie nach dem Angriff auf Freiburg (27.
November 1944) gebracht werden konnte.
Vgl. zu diesem Zweig der Familie
Herzfeld im Einzelnen: Hans Seelig, Jonas Herzfeld (1793-1880) und Nachfahren
in Wirtschaft, Kunst und Politik in: Neusser Jahrbuch für Kunst,
Kulturgeschichte und Heimatkunde, Neuss 1987, S. 12 ff. Stefan Rohrbacher, Aus der
Familienchronik des Albert Herzfeld,
in: Neusser Jahrbuch, Neuss 1988, S. 58 ff.
Hugo Weidenhaupt (Hrsg.), Ein nichtarischer Deutscher, Die Tagebücher
des Albert Herzfeld 1935-1939, Düsseldorf 1982.
Brief von Leonore Mannchen, Tochter des vorg., Albert Herzfeld, an den
Verfasser (13,1.19911.
15 Vgl. Jacob Jacobson, Jüdische Trauungen, a.a.O., Nr. 621.
16 DZA,
Abteilung Merseburg, (inzwischen wider GstA Berlin), Gen.-Direct. Westpreußen
u. Netzedistrikt, Mat., Tit. LIVII,
Sect. 1. No. 2. , Blatt 79.
17
18
Bernhard Brilling, Die jüdischen Gemeinden Mittelschlesiens, Entstehung u.
Geschichte, Stuttg., Berlin, Köln, Mainz 1972, S. 105, Fußnote 10. Ortsakten
Hundsfeld vol. 6.
19 Vgl.. „Verzeichnis sämmtlicher in der Provinz Schlesien - Breslauer Regierungsdepartment befindlichen jüdischen Staatsbürger, Nr. 2436.
20 Vgl. Selma Stern, Der preussische Staat und die Juden, Dritter Teil, 2. Akten, 2. Halbband, S. 1205ff.
21 In der Staatsbürgerliste der Provinz Posen findet sich folgende Schreibweise: Schlochow (Munk); die Klammern würden wir heute wohl durch einen Bindestrich ersetzen.
22 Auf dem jüdischen Friedhof in Halle/S. befindet sich das Grab einer Klara Friedländer geb. Herzfeld.
23 Sara Heitzfeld (geb. 3. 5. 1772) könnte eine Tochter des Abraham Joachim Heitzfeld (Herzfeld), geb. 29. 12. 1749, sein, obwohl das Datum der Eheschließung zwischen Abraham und Freide Castriel (geb. 24. 2. 1753 in Glogau) dagegen zu sprechen scheint, aber die Umrechnung in den christlichen Kalender bereitete oft Schwierigkeiten. – Ebenso Bela Heitzfeld (Herzfeld), geb. 20. 2. 1783, gest. 2. 7. 1829, die mit Michael Samuel Bamberger geb. 10. 9. 1781) verheiratet war. (Kinder: Heimann, geb. 4. 6. 1804; Jette, geb. 28. 9. 1805; Adolph, geb. 15. 9. 1807 und Jacob, geb. 1. 9. 1810.) Im Jahre 1812 lebten im Hausstand des Abraham noch die Töchter Philippine (geb. 12. 6. 1794) und Rosalie (geb. 1. 1. 1796), die Mutter Ferdinand Lassalles. Ein Sohn Bertriel, gest. 1830, liegt auf dem Friedhof an der Schönhauser Allee in Berlin begraben.
1 Jacob Jacobson (Hrsg.) Jüdische Trauungen in Berlin 1759-1813, Veröffentlichungen der Historischen
2 Ebd.
3 Vgl. Franz Schneider, Mitglied der Hetzfelder Flösserzunft, Heidingsfeld ein altfränkisches Städtebild. Heidingsfeld 1908, Nachdruck 1979, S. 3.
4 Vgl. dazu: M. Braun, Die Abstammung und der Name Ferdinand Lassalles, in: Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums, 62. Jahrgang, NF 26. Jahrgang, Breslau 1918, S. 270-274. - Ein weiter beleg, daß der Name Herzfeld von Heidingsfeld abgeleitet wurde, findet sich bei Bernhard Wachstein, Die Inschriften des alten Judenfriedhofs in Wien, 2. Teil: 1696-1783, Wien und Leipzig 1917, S. 419: ‘Wolfgang (Simeon Wolf). Er starb als Produktenhändler, 36 Jahre alt, am 18. Oktober 1814, seine Frau Franziska (Freidel) T. mhrr Lazar Herzfeld, 43 Jahre alt, am 4. Dezember 1818.’ Anm. 1: ‘Zu Lazar Herzfeld ... er stammt aus Heidingsfeld, lebte in Pirnitz Mähren, hierauf in Wien. Das von ihm begründete Handlungshaus wurde von seinem Enkel Bernhard Wertheim ... unter den Namen ‘Lazar Herzfelders Enkel’ fortgeführt.
5 Bei Angehörigen des Stammes Levi findet sich die Bezeichnung SeGal (zum Stamme Levi gehörig), auf den Grabsteinen der Henkelkrug bald auf - bald neben der Schüssel plaziert. Bei den Kohanim, der Priesterkaste, die ebenfalls dem stamme Levi entnommen wurde, lautet die Abkürzung K./Z., woraus die Namen Katz, Cohn u.a. resultieren; die Grabsteine sind mit segnenden Händen verziert.
6 Levi heißt übersetzt ‘meines Herzens’. Nach Gerhard Kessler (Die Familienamen der Juden in Deutschland, Leipzig 1935) ist aus dem Väternamen Herz der künstliche Ortsname Herzfeld geworden.
7 Neben den bereits oben genannten sind das: Schönchen Herzfeld (Wwe. Des Samuel David), Bela Bamberg geb. Herzfeld, Sara Herzfeld und Israel Heutzfeld in Glogau (seine Familie und deren nachkommen sind nach 1820 in Breslau ansässig und nennen sich ebenfalls Herzfeld), Judith Herzfeld in Breslau, in Zborowsky den Isai Moses Herzfeld und in Nicolai den Baruch Herzfeld, alle bis auf Schönchen sind also in Schlesien ansässig. Im Fürstentum Halberstadt Ruben Herzfeld (Ellrich), schließlich in der Provinz Posen der Lehrer Moses Herzfeld in Samter, in Buk der Kaufmann Samuel Herzfeld und in Pudewitz ein Rabbiner H. Samuel Herzfeld. Für Posen liegen uns allerdings die Verzeichnisse erst aus dem Jahre 1834 vor.
2 Shlomo Netzer, Wanderung der Juden und Neuansiedlung in Osteuropa, in: Michael Brocke (Hrsg.), Beter und Rebellen, Aus 1000 Jahren Judentum in Polen, Frankfurt/M. 1983, S. 36.
7 Michael Riff, Das osteuropäische Judentum, in: Franz Bautz (Hrsg.), Geschichte der Juden. Von der biblischen Zeit bis zur Gegenwart, München 1983, S. 116.
10 Brenckenhoff an den Minister v. Hertzberg (17. Sept. 1772), zitiert nach : Max Bär, Westpreußen unter Friedrich dem Großen, Erster Teil - Darstellung, Leipzig 1909, S. 36.
11 Otto Goerke, Der Kreis Flatow, Flatow 1918, S. 92f.
12 Selma Stern, Der Preußische Staat und die Juden. Dritter Teil: Die Zeit Friedrich des Großen. Erste Abtlg. Darstellung, Tübingen 1971, S. 73.
13 Jacob Jacobson, Jüdische Trauungen, a.a.O., S. XXVI.
14 Max Bär, a.a.O., S. 420f.
15 Max Bär, a.a.O., S. 426.
16 Ebd., S. 426.
17 Ebd., S. 429.
18 Ebd., S. 430
19 August Carl Holsche, Der Netzedistrikt. Ein Beytrag zur Länder- und Völkerkunde mit statistischen Nachrichten, Königsberg 1793, S. 60f.
1 A. Blanke, Aus Schlochaus vergangenen Tagen, 2. Aufl., Schlochau 1926, S.94. Vgl. Auch S. 27 u. S. 80f.
2 A. Blanke, a.a.O., S. 80f.
3 A. Blanke, a.a.O., S. 90.
4 Die Briefzitate stammen aus: Moses Mendelssohn, Brautbriefe, mit e. Einf., von Ismar Elbogen, Königstein/Ts. 1985.
6 Moses Mendelssohn, Gesammelte Schriften, Nachdruck der Ausgabe von 1863 in 7 Bdn., Hildesheim 1972, Bd. i, S. 95f.)
7 Die Personenstandsdaten sind entnommen: Jacob Jacobson, Jüdische Trauungen in Berlin - 1759-1813 -, Veröffentlichungen der Historischen Kommission (zu Berlin, Bd. 28, Berlin 1968, Nr. 206).
Der nachfolgende Text stammt aus: Karl Friedrich Klöden, Von Berlin
nach Berlin, Erinnerungen 1786-1824, Berlin 1976, S. 436 ff.
8 Aus dieser Ehe ging Wilhelm Caspari (geb. 28. 8. 1808, gest. 26. 6. 1866) hervor, von Beruf Indigohändler; er war ebenfalls mit einer Goldschmidt (Ernestine) verheiratet.
9 Schönchen = Jeanette, Fr. D. Ruben Goldschmidt, T. d. Koppel Herzfeld aus Amsterdam, im Wochenbett gest. 17. 2. 1806. Sie war eine Nichte des Samuel David Herzfeld in Berlin. Ihre Kinder aus der ehe mit Ruben Goldschmidt wurden Christen: 1. Car, ursprünglich Jacob, geb. B. 3. 12. 1792 (T. 1. 8. 1825 = Carl Wilhelm G.), 2. Eduard, ursprünglich Samuel, geb. B. 27. 1. 1794 (T. 28. 9. 1823 = Friedrich Eduard G.); 3. Louis, ursprünglich Levin, geb. B. 22. 3. 1800 (T. 18. 5. 1829 = Heinrich Ludwig G.); Ferdinand, ursprünglich Benone, geb. Berlin 17. 2. 1806 (T. 6. 1. 1826 = Robert Ferdinand G.); weiterhin ist noch eine Tochter, Caroline (geb. 9. 2. 1796) zu erwähnen. Vgl. Jacob Jacobson, Jüdische Trauungen, a.a.O.;: Nr. 612, u. Anm. Zu Nr. 612.
10 Jacob Koppel David Heizfeld = Jacob Herzfeld aus Amsterdam, gest. Vor 1789.
11 Sanwil Bamberg = der rabbinisch gelehrte Sanwil Herzfeld, Vorsteher des Talmud-Thora-Institutes und des Beth hamidrasch = Samuel David Hertzfeld, Ord. 238, geb. Heidingsfeld (Herzfeld) im Würzburgischen ca. 1733, Konz. 1. 8. 1764, gest. B. 28. 6. 1790. Samuel David war verheiratet mit Süssche, Tochter des Moses Bamberg ( 13. 4. 1765). Süschen, geb. Ca. 1744 in Berlin, starb dort am 23. 2. 1815. Samuel David hatte also den Namen seines Schwiegervaters übernommen.
12 Georg Hermann (eigentlich Georg Hermann Borchardt, am 7. Okt. 1871 in Berlin geboren, emigrierte 1933 nach Holland, wurde am 19. Nov. 1943 in Auschwitz ermordet.
13 Vgl. Das Kapitel „Synagoge“ das der Familie Josephson gewidmet ist.
14 An dieser Stelle muß das Haus Burgstrasse 28
(vorh. 27), von dem aus man einen Blick
auf das Berliner Schloß hatte, und das
in der Nähe der Börse gelegen war, erwähnt werden. Im Jahre 1853 hatte es einem Wilhelm Salomon Sobernheim gehört. Dessen Vater war Dr.med. Salomon
Sobernheim in Posen, der in Deutschland erste Versuche mit der
Pockenschutz-Impfung machte, und ein Enkel des Wilh. Sal. Sobernheim war der
HNO-Arzt Dr. Wilhelm Sobernheim, der 1939 Selbstmord beging. Im Keller seines Hauses fand man Bilder der
Vorfahren u.a. des Jettchens Gebert,
real Johanne Goldschmidt. Das Haus kam im Erbgang an die Kinder eines Joseph
Herz feld, der nach 1848 steckbrieflich wegen revolutionärer Umtriebe gesucht,
deshalb in die U.S.A., emigrierte (im Hause seines Vaters Jonas Herzfeld, der
auch einige Jahre, um 1815, in dem kleinen Ort Büttgen b. Neuß, wo meine Frau
Ruth fast zwanzig Jahre gewohnt hatte, lebte, verkehrte auch Ferdinand
Lassalle, dessen Mutter Rosalie Herzfeld, Tochter des Abraham, aus Glogau war),
an den Dr. phil. Georg Herzfeld, den Magistratsassessor
Dr. Gustav Herzfeld (Wildpark b.
Potsdam), Frau Marie (gen. Mamy)
Vohsen, geb. Herzfeld und Frau Rosa (gen. Leonart} von den Steinen, geb.
Herzfeld (Steglitz). Der genannte Gustav Herzfeld wurde als getaufter Jude im
K.Z. Theresienstadt umgebracht. Zur Verwandtschaft dieser Herzfelds (vgl.
Stammbaum) gehörten auch Wieland Herzfelde und
John Heartfield (= Helmut Herzfeld).
Rosa Eleonore von der Steinen geb. Herzfeld war mit dem Baseler
Schriftsteller von den Steinen verheiratet. Als Jüdin konnte sie dem Transport
in ein Vernichtungslager 1940 entgehen, weil sie in Freiburg in einem von den
Gengenbachern Franziskannerinnen
geleitet Altersheim lebte. Sie war 1867 in Düsseldorf geboren und starb
im Dezember 1944 in Basel, wohin sie nach dem Angriff auf Freiburg (27.
November 1944) gebracht werden konnte.
Vgl. zu diesem Zweig der Familie
Herzfeld im Einzelnen: Hans Seelig, Jonas Herzfeld (1793-1880) und Nachfahren
in Wirtschaft, Kunst und Politik in: Neusser Jahrbuch für Kunst,
Kulturgeschichte und Heimatkunde, Neuss 1987, S. 12 ff. Stefan Rohrbacher, Aus der
Familienchronik des Albert Herzfeld,
in: Neusser Jahrbuch, Neuss 1988, S. 58 ff. Hugo Weidenhaupt (Hrsg.), Ein
nichtarischer Deutscher, Die Tagebücher des Albert Herzfeld 1935-1939,
Düsseldorf 1982.
Brief von Leonore Mannchen, Tochter des vorg., Albert Herzfeld, an den
Verfasser (13. 1.1991).
15 Vgl. Jacob Jacobson, Jüdische Trauungen, a.a.O., Nr. 621.
16 DZA, Abteilung
Merseburg, (inzwischen wider GstA Berlin), Gen.-Direct. Westpreußen u.
Netzedistrikt, Mat., Tit. LIVII,
Sect. 1. No. 2. , Blatt 79.
17 Vgl.Isidor Hirschberg (Hrsg.), Verzeichnis sämtlicher naturalisierter Israeliten im Großherzogtum Posen, Bromberg 1836 (in Gsta Berlin).
18 Bernhard Brilling, Die jüdischen Gemeinden Mittelschlesiens,
Entstehung u. Geschichte, Stuttg., Berlin, Köln, Mainz 1972, S. 105, Fußnote
10. Ortsakten Hundsfeld vol. 6.
19 Vgl.. „Verzeichnis sämmtlicher in der Provinz Schlesien - Breslauer Regierungsdepartment befindlichen jüdischen Staatsbürger, Nr. 2436.
20 Vgl. Selma Stern, Der preussische Staat und die Juden, Dritter Teil, 2. Akten, 2. Halbband, S. 1205ff.
21 In der Staatsbürgerliste der Provinz Posen findet sich folgende Schreibweise: Schlochow (Munk); die Klammern würden wir heute wohl durch einen Bindestrich ersetzen.
22 Auf dem jüdischen Friedhof in Halle/S. befindet sich das Grab einer Klara Friedländer geb. Herzfeld.
23 Sara Heitzfeld (geb. 3. 5. 1772) könnte eine Tochter des Abraham Joachim Heitzfeld (Herzfeld), geb. 29. 12. 1749, sein, obwohl das Datum der Eheschließung zwischen Abraham und Freide Castriel (geb. 24. 2. 1753 in Glogau) dagegen zu sprechen scheint, aber die Umrechnung in den christlichen Kalender bereitete oft Schwierigkeiten. – Ebenso Bela Heitzfeld (Herzfeld), geb. 20. 2. 1783, gest. 2. 7. 1829, die mit Michael Samuel Bamberger geb. 10. 9. 1781) verheiratet war. (Kinder: Heimann, geb. 4. 6. 1804; Jette, geb. 28. 9. 1805; Adolph, geb. 15. 9. 1807 und Jacob, geb. 1. 9. 1810.) Im Jahre 1812 lebten im Hausstand des Abraham noch die Töchter Philippine (geb. 12. 6. 1794) und Rosalie (geb. 1. 1. 1796), die Mutter Ferdinand Lassalles. Ein Sohn Bertriel, gest. 1830, liegt auf dem Friedhof an der Schönhauser Allee in Berlin begraben.
2Carl Holsche, Der Netzedistrikt. Ein Beytrag zur Länder- und Völkerkunde mit statitistischen Nachrichten, Königsberg 1793, S. 126f.
3 Otto Goerke, Der Kreis Flatow, Flatow 1918, S. 380ff.
4 GStA, Berlin, R 7 B Nr. 55.
5 Otto Goerke, a.a.O., S. 403.
6 GStA, Berlin, Gen.-Dir. Westpr. Mat., Tit LXVII, Sec. 2, Nr. 25. Tabelle von denen in den Städten ihres Brombergschen Cammer Departements befindlichen jüdischen Gründen und Häusern, pro Anno 1800, Flatow Nr. 43; vgl. die Anlage.
7 Jüdisches Museum Frankfurt/Main, Nachlaß Brilling, Friedhofsverzeichnis Lissa.
8 Vgl. GStA Berlin, Gen.-Dir. Westpr. U. Netzedistrikt, Tit. LIVII. Sect. 1 No. 2. Tabelle von den jüdischen Gründen und Häusern in den Städten des Netzedistrikts pro 1802..
9 Otto Goerke, a.a.O., S. 403.
10 E. Birnbaum und H. Vogelstein (Hrsg.), Festschrift zum 200 jährlichen Bestehen des israelitischen Krankenvereins und Vereins für Beerdigung Chewra Kaddischa zu Königsberg in Pr., Königsberg i. Pr., S. 4
1 Hans Plehn, Geschichte des Kreises Strasburg in Westpreußen, Leipzig 1900, S. 296
2 Hans Plehn, a.a.O., S. 219. Im Jahre 1772 waren es vier Schlachter, drei Handelsmänner, ein Krüger, drei Glaser, zwei Schneider , ein Schumacher, ein Einleger und ein Pächter.
3 Hans Plehn, a.a.O., S. 254.
4 Hans Plehn, a.a.O., S. 266.
5 Jacob Jacobson (Hrsg.), Die Judenbürgerbücher der Stadt Berlin 1809-1851, Veröffentlichungen der Berliner Historischen Kommission, Bd. 4, Quellenwerke Bd. 1, Berlin 1962, S. 441, Nr. 2372.
6 A. E. Holsche, Geographie und Statistik von West- Süd- und Neuostpreußen, 1. Bd. Berlin 1800, S. 261f.
7 Salomon Maimons Lebensgeschichte. Von ihm selbst geschrieben und herausgegeben von Karl Philipp Moritz. Neu herausgegeben von Zwi Batscha. Frankfurt 1984, S. 13).
8 A.E. Holsche, ebd.
9 Selma Stern, Der preußische Staat und die Juden, 3. Teil, Die Zeit Friedrich des Großen, Erste Abtlg.: Darstellung, Tübingen 1971, S. 311.
10 Vgl. GStA Berlin, VIII, J 1, Bd. 16, Verzeichnis der auf den Grund eines Naturalisationspatents in Berlin wohnenden Judenfamilien, Nr. 100.
11 GStA Berlin, VIII HA, J 1, Bd. 52, 1850, Nr. 23.
12 Evangelisches Zentralarchiv, Berlin, Kirchenbuchstelle, Taubücher der Jerusalemer Kirchengemeinde, A 2008, S. 462, Nr. 231 (Raphael Herzfeld) u.a.; Brief der Frau v. Witzleben an an Ludwig Herzfeld, Berlin, v. 19. 9. 1845.
13 Karl Josef Kaufmann, Geschichte der Stadt Deutsch Eylau, Danzig 1905, S. 145.
14 GStA Berlin, II. HA Westpr. u. Netzedis. Mat. Tit. LXVII Sect. 1, Nr. 8, Bl. 9 u. 10. Die nachfolgende Darstellung stützt sich zusätzlich auf die Bl. 48 bis 50 u. 63 bis 64 sowie Sect. Nr. 2, Bl. 96 bis 99.
Mit der beigefügten Stammtafel wird versucht die verwandtschaftlichen Beziehungen darzustellen.
15 In diesem Jahr ist in Gollub auch ein Josph Marcus Sackolowski mit seiner Frau Hadder und den Kindern Choje, Zanna und Feigel zugezogen.
16 Er wird später durch den Schulmeister Abraham Joachim abgelöst (1780) Verblüffend ist die Namensgleichheit mit dem in Glogau ansässigen Abraham Joachim Heitzfeld (= Herzfeld), dem Großvater Ferdinand Lassalles. Der wurde am 29. Dezember 1749 in Heidingsfeld (?) geboren. Aufgrund des Patents vom 14. 1. 1771 in Glogau heiratete er dort Freide Castriel, geb. 24. 2. 1753; die Mutter Ferdinand Lassalles, Rosalie, wurde am 1. Januar 1796 in Glogau geboren. - Sara Heitzfeld (=Herzfeld), geb. 3. Mai 1772 in Glogau geboren, verh. Mit Anschel Cohn, scheint eine seiner Töchter gewesen zu sein. Abraham Joachim Heitzfeld war ein „Kohanim“ (=Cohn), Joachim in Neumark war Zadeck (=Zadock), also ebenfalls zur Priesterkaste gehörig.
17 Leider liegen (bisher) keine Listen für den Zeitraum von 1780 bis 1805 vor (was um so bedauerlicher ist, das in diese Periode die Geburt von Jacob und vermutlich auch die seines Bruders Mendel fällt). Der zuständige Steuerrat hatte versäumt die um 1790 fälligen Listen zu erstellen oder abzuliefern. Den Mahnungen der Regierung konnte er nicht nachkommen, da er zwischenzeitlich verstarb.
18 Vgl. das Flatow-Kapitel.
19 Christian Meyer, Geschichte des Landes Posen, Posen 1881, S. 314.
20 Ebd.
21 Edikt vom 28. März 1794, zitiert nach Christian Meyer, a.a.O., S. 331. - Als subsidäres allgemeines Recht wurde am 1. Juni 1794 das Allgemeine Landrecht eingeführt.
22 Vg.
Christian Meyer, a.a.O., S. 340f.
23 Man kann sich ein Bild davon machen, wenn man in Analogie dazu die Auswirkungen der verschärften Grenzkontrollen auf russischer Seite im Jahre 1846 sich vor Augen hält „Seitdem geriet der Grenzverkehr ins Stocken, der Schmuggelhandel wurde eingedämmt: das Gewerbe ins Strasburg ging merklich zurück. Gollub fing an zu verarmen, die reich gewordenen Kaufleute zogen fort. Vorher soll in Gollub der jährliche Umsatz allein an Schnitt-, Kurz-, Galanterie- und Materialwaren an 200.000 Taler betragen haben; jede Nacht - mit Ausnahme des Sabbat - gingen Waren im Werte von 7-8.000 Talern von Gollub über die Grenze. Später wird der Gesamtwert sämtlicher Waren, die in einer nacht von Gollub nach Russland geschmuggelt wurden, durchschnittlich auf 3-5.000 Taler angegeben.“ (H. Plehn, a.a.O., S. 300).
Um die Wende vom 18. Zum 19. Jahrhundert finden sich in Dobryzin nur noch 45 Haushaltungen, was ungefähr 150 Einwohnern entsprach. In einer zeitgenössischen Beschreibung hieß es lapidar: „Bobrownik ... ist ein sehr schlechter Ort ... Dobryzin an der Drewenz, eine adliche Stadt, ist beinah noch schlechter.“ (Vgl. A. E. Holsche, a.a.O., Erst. Bd. Berlin 1800, S. 506.)
24 Vgl. Friedhofsregister Lissa, Nachlass Brilling, Jüdisches Museum Frankfurt/M.
25 Gnendel, die Tochter des Salman Mirels trug den Namen der Frau des Oberrabbiners der Dreiergemeinde Altona, Hamburg, Wandsbek Salomon Meschullam Mirel (gest. 22. Kislew, 22. November, 1706), vermutlich ihrer Groß- oder Urgroßmutter. - Da in Grätz (ebenfalls im Posenschen) im Jahre 1834 ein Moses Mescholem und ein Salomon Herzfeld, die ursprünglich aus Ellrich im Harz stammten, lebten und Namen aus der Familie Mirels trugen, scheint mir ein Zusammenhang mit den Herzfelds gegeben.
An anderer Stelle wies ich bereits hin auf den rabbinisch gelehrten Sanwil (Samuel David) Herzfeld, Vorsteher des Talmud Tora-Instituts in Berlin, geb. Heidingsfeld im Würzburgischen ca. 1733, gest. am 28. 6. 1790 in Berlin. Sein Bruder Jacob Koppel starb um das Jahr 1789.
26 Vgl. A. E. Holsche, Geographie und Statistik von West- Süd- und Neu- Ostpreußen, Zweiter Band, Berlin 1804, S. 279.
27 Ebd.
28 Sie heiratete am 5. Juli 1821 Friedrich Wilhelm v. Knobloch auf Puschkeiten in Ostpreußen.
29 Es besteht die Möglichkeit, daß Zapplau zur Synagogengemeinde Lissa gehörte. In diesem Falle könnte sich Mendel bereits im Jahre 1810 auf dem Gut befunden haben.
30 Die Familie Munk, die in Prag und Wien, später in Glogau beheimatet war, hat zahlreiche berühmte Persönlichkeiten hervorgebracht. Stellvertretend seien genannt: Rabbi Aron Mose Teomim, gest. vor 1609 in Prag; R. Samuel Phoebus, gest. 1616 in Wien; R. Veitel Munk, geb. in Wien, 1616 Rabbiner in Worms, gest. 1630 als Rabbiner in Wien; R. Zebi Hirsch, Rabbiner in Plozk; R. Loeb Hirschel Munk, Rabbiner in Grätz (um 1704) und Krotoschin; R. Beer Munk, Rabbiner in Meseritz; einer seiner Söhne, R. Itzig Munk aus Glogau, ist in der Zeit von 1701 - 1745 Mitglied der Posener Gemeindebehörde, des Kahal, dessen Sohn Tochros ist 1760 deren Vorsteher, Itzig starb vor 1763; zu nennen wären noch R. Jehuda Loeb, R. Meir Posener. (Diese Geschlechterabfolge ist Louis Lewin, Geschichte der Juden in Lissa, Pinne 1904, S. 334 entnommen.)
Erwähnenswert sind weiter der Philologe Eduard Munk (1803-1871), der berühmte Orientalist Salomon Munk (1803-1867), ein Vetter des Eduard; der Bankier und Stadtverordnete von Glogau Raphael Loebel Munk (gest. vor 1839) - Mendel Herzfeld ältester Sohn trägt ebenfalls den Namen Raphael.
31 A. H. Heymann,Lebenerinnerungen, hrsg. v Heinrich Loewe, Berlin 1909, S. 107ff.
32 „1 ) die im Herzogtum Warschau Geborenen,
2) die von Eltern, die Bürger des Herzogtums Warschau war Geborenen,
3) die Besitzer unbeweglichen Eigentums im Herzogtum Warschau,
4) diejenigen Polen, die in den polnisch-italienischen und rheinischen Legionen oder in der kaiserlich französichen Armeen bis zum 1. Januar 1808 gedient haben, sowie alle diejenigen Bürger des Herzogtums Warschau, die in der Französischen Armee dienen oder künftig dienen werden,
5) alle Diejenigen, die seit der Zeit de3r letzen Formierung der Nationalarmee im Jahre 1806 in den Kriegsdienst getreten sind und sich noch in demselben befinden oder ihn wogegen Wunden, Verkrüppelung oder verlorener Gesundheit haben verlassen müssen,
6) wer in Folge der Beschlüsse der regierenden Commission ein bürgerliches Amt verwaltet hat, endlich
7) jeder, der seit 10 Jahren im Lande wohnt und der polnischen Sprache mächtig ist.
Außerdem sollte man dieses allgemeine Bürgerrecht
durch königliche Verleihung erlangen können. Namentlich solche Ausländer
berücksichtigt werden, die sich um das Land verdient gemacht haben, ihm ihre
Talente und Erfindungen gewidmet oder bedeutende Anlagen gemacht haben und seit
einem Jahre im Lande wohnhaft sind.“ (Christian Meyer, a.a.O., S. 345.)
33 Christian Meyer, a.a.O., S. 351. - Ein Erlaß vom 30. Oktober 1812 untersagte den Juden die Verfertigung und den Verkauf von Getränken und in einem weiteren Erlaß wurde die Einwanderung ausländischer Juden beschränkt: „Die Begünstigungen, welche ein Dekret vom 20.März 1809 für die ins Land einwandernden Ausländer ausspricht, soll nur derjenige Jude teilhaftig werden, welcher ein Reinvermögen von 60.000 poln. Gulden nach weist und
1) entweder eine Fabrikanstalt (exkl. Getränkefabrikation) oder en gros-Handlung zu errichten beabsichtigt oder durch Atteste den Nachweis führt, daß er sich Wissenschaften widmet;
2) polnisch oder französisch oder deutsch lesen und schreiben kann;
3) sich verpflichtet, die Kinder vom /. Jahre an in die öffentlichen Schulen zu schicken und
4) keine der dem alttestamentarischen Volk noch immer eigne äußere Abzeichen zu tragen verspricht.
Außer dieser Klasse sollen nur noch solche Juden fernerhin aufgenommen werden, welche wenigstens 300 pol. Gulden an Vermögen nachweisen und außerdem vor einer aus vereideten Sachverständigen bestehenden Kommission dartun, daß sie eines der folgenden Handwerke der Gerber, Riemer, Sattler, Tuchmacher, Leinweber, Bergleute, Schmiede, Messerschmiede, Büchsenmacher, Tischler, Rademacher oder Stellmacher erlernt haben und sich verbindlich machen, dasselbe wenigstens 5 Jahre, von ihrer Ankunft im Lande an gerechnet, bei Strafe der Zurückweisung über die Grenze, zu treiben.“
34 Ismar Freund, Die Emanzipation der Juden in Preußen, Bd. 2, Berlin 1912, S. 273f.
1 Bernhard Brilling, Die jüdischen Gemeinden Mittelschlesiens. Entstehung und Geschichte, Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz 1972, S. 98f.
2 In den Judenregistern des Guhrauer Magistrats, die mit dem Jahre 1814 begannen, war die Familie des Jacob Herzfeld unter der Nummer V eingetragen. Soweit uns bekannt, wohnte auch sein Bruder Mendel im seiner Familie in Guhrau. Nach Angaben der polnischen Archive befinden sich diese Register nicht in ihren Beständen. Möglicherweise befindet sich eine Abschrift im (ungeordneten) Nachlaß Brilling, der sich im Jüdischen Museum in Frankfurt/Main befindet.
3 Guhrau gehörte zu diesem Zeitpunkt noch nicht zum Breslauer sondern zum Liegnitzer Kammerdepartement. Listen dieses Bezirks sind, soweit überhaupt vorhanden, kann man im Breslauer Archiv vermuten. Für die Stadt Liegnitz existieren Bestände.
4 Soweit aus dem Friedhofsregister Lissa ersichtlich wurde kein Mitglied der Familien Mendels oder Jacob Herzfelds in Lissa beerdigt. Es kommt daher nur Rawitsch, wo der Oberrabbiner J. B. Herzfeld, amtierte in Betracht.Hier werden die Frauen Jacobs und sein Bruder mit Teilen seiner Familie ruhen.
4 Rabbiner r. John Cohn, a.a.O., S. 35.
5 A. Heppner u. J. Herzberg, AusVergangenheit und Gegenwart der Juden und der jüdischen Gemeinden in den Posner Landen, Koschmin-Bromberg 1909, S. 892f.
6 Heinrich Graetz, Volkstümliche Geschichte der Juden, Bd. 3, 10. Aufl. Berlin 1922, S. 295.
7 Heinrich Graetz, ebd.
8 Freimark, Porträts von Rabbinern, Hamburg 1991, S. 40.
9 E.Hildesheimer, Die Rabbiner Halberstadts, Bd. 4 der Reihe Juden in Halberstadt, Halberstadt 1993, S. 8.
10 B.H. Auerbach, Geschichte der israelischen Gemeinde Halberstadt, Halberstadt 1866, S. 64.
11 B.H. Auerbach, a.a.O., S. 65 f.
12 B. H. Auerbach, ebd., S. 68.
13 B.H. Auerbach, ebd., S. 69 f.
14 B. H. Auerbach, a.a.O., S. 66 f.
15 Brief von Salomo Dubno an Heidenheim; zitiert nach: B. H. Auerbach, a.a.O., S. 67, Anm. 179.
16 Vgl. H. Graetz, Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis
auf die Gegenwart. 11 Bd., 2. Aufl Leipzig 1900, S. 545.
Vgl. auch GStA XX, HA Rep. 17 II 2fi, Nr. 24, B1. 33-34. Generalverzeichnis der am 24. März 1812 auf den
19 Die Monatsschrift erschien von 1783 bis 1797 in Königsberg, dann in Berlin und Breslau.- Nach Salomon Maimon verfolgte die „Gesellschaft der Forscher der hebräischen Sprache“ mit der Herausgabe der Zeitschrift die Absicht, „die Kenntnisse der hebräischen Sprache aus ihren Quellen selbst zu schöpfen und dadurch vernünftige Exegesis einzuführen“. Sie enthielt „schere Auslegungen der heiligen Schrift, hebräische Gedichte, prosaische Aufsaätze, Übersetzunegne aus nützlichen Schriften und dgl.“
22 Entnommen: E. Birnbaum u. H. Vogelstein a.a.O., S. 66.
23 Vgl. H. Jocowicz, a.a.O., S. 112.
26 Es handelt sich um H. Jocowicz, der die Geschichte der Juden in Königsberg verfaßt hat.
29 Leiser Landshut, Toldoth Ansche Haschem (Berliner
Rabbinergeschichte, Berlin 1884, S.33, Die Übersetzung der Grabinschrift und
das Heraussuchen der wichtigsten personenbezogenen Daten verdanke ich Pater
Pius OSB, Kloster Gerleve.
30 Die Evangelische Volkschule war in der Schulstraße gelegen. Eine Tafel am Schulhaus kündete: „Zur Bildung des Verstandes und Herzens christlicher Jugend. Erbaut 1798.“
31 Albert Herzfeld, Erinnerungen für Kinder und Enkel, Halle 1929, S.11 - Da Louise Schlochow (Munk) bereits im Oktober 1831 verstorben war,ist diese Aussage zumindest auf Ludwig Herzfeld bezogen falsch.
32 Aus den mündlichen Erzählungen von Ludwigs Herzfelds Sohn Wolfgang, die von Katharina v. Boxberg, geb. Herzfeld dem Verfasser mitgeteilt wurden.
33 Albert Herzfeld, ebd.
34 Die Angaben sind entnommen : Bundesarchiv Koblenz (jetzt Potsdam) Nr. 134, Film Nr.1127/40 Glogau. Geburten 1819-1850 u. Nr. 135, Film Nr. 1129/40 Personenstandsfälle 1820-1847.
35 Albert Herzfeld, a.a.O., S.11f.
36 Ebd.
[3] Vgl. Evangelisches Zentralarchiv Berlin, Taufkartei (1800-1874) und Taufbücher der Domgemeinde u. der Dreifaltigkeitsgemeinde. Marcus, geb. am 7. März 1810 in Lissa = Paul Maximilian Heinrich Herzfeld. Sein älterer Bruder Raphael, der am 15. November 1806 geboren worden war, nannte sich Carl Ludwig Raphael Herzfeld.
[4] Nathan Samter, Judentaufen im 19. Jahrhundert. Mit besonderer Berücksichtigung Preußens dargestellt. Berlin 1906, S. 32.
[5] „1815 waren Ludwig Hellwig und Carl Friedrich Rungenhagen zu Vizedirektoren ernannt worden. Hellwig von Beruf Farbenfabrikant, hatte u.a. bei Zelter Komposition studiert und war schon 1793 als Sänger der Singakademie beigetreten. 1813 wurde er Hof- und Domorganist und Musiklehrer am Joachimsthalischen Gymnasium. Auch Rungenhagen war Schüler von Zelter. 1814 war er mit seiner Oper „Die Fischer von Colberg“ hervorgetreten, in der Singakademie war er seit 1801 Mitglied und von Beginn an gehörte er zur Liedertafel.“ Nele Hertling, Die Singakademie im musikalischen Leben Berlins 1791-1850; in: Berlin zwischen 1789 und 1848 - Facetten einer Epoche, Akademiekatalog 132, Berlin 1981, S.255)
[6] Nele Hertling, a.a.O., S. 259.
[7] Carola Stern. Der Text meines Herzens. Das Leben der Rachel Varnhagen., Reinbek bei Hamburg 1994, S. 241.
6 Ebd.
7 Carola Stern, a.a.O., S.254.
8 Ebd., S.255.
9 Ebd., S.256.
10 Wilhelm v. Humboldt, Schriften zur Politik und zum Bildungswesen, Bd. 4, S. 30f. der Werkausgabe in V Bänden, Stuttgart 1964.
11 Wilhelm v. Humboldt, Schriften zur Anthropologie und Geschichte, Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen, Werke in fünf Bänden, Bd.1, S. 107.
12 Richard Friedenthal, Karl Marx, S.78.
15 Carola Stern, a.a.O., S. 268.
16 Kronprinz Friedrich Wilhelm an Altenstein, 8. Januar 1829, zitiert nach: Heinrich v. Treitschke, Deutsche Geschichte, Bd. 4., Leipzig 1928, S. 193.
17 Vgl. Hanns Günther Reissner, Eduard Gans, Tübingen 1965, S. 142.
18 Evangelisches Zentralarchiv Berlin, Taufkartei (1800-1874), Taufbuch der Jerusalemer- u. Neuen Kirchengemeinde, S.77.
19 Monika Richarz, Der Eintritt der Juden in die akademischen Berufe, Tübingen 1974, S. 178.
20 Monika Richarz, a.a.O., S.179.
21 Monika Richarz, a.a.O., S.138.
22 EZA Berlin 7, Gen. XV Nr. 34, Bd. 1-4: Evangelischer Oberkirchenrat der evangelischen Landeskirche der älteren preußischen Provinzen, Generalia XV Nr. 34 „Die zur christlichen Religion übergetretenen jüdischen Proselyten zu ihrem weiteren Fortkommen und zu ihrer Ausbildung bewilligten Unterstützung“.
23 Heinrich v. Treitschke, a.a.O., Bd.IV, S. 543.
24 Miller und Sawatzki, S. 101, nach der Schilderung von Dr. Med. Max Ring, zitiert nach H.G. Reissner, a.a.O., S. 159.
25 Richard Friedenthal, a.a.O., S.
26 Heinrich v. Treitschke, Bd. V., S.568
27 Vgl. Heinrich v. Treitschke, Bd. V, S. 418.
28 Ebd., S. 422.
29 Ebd., S. 471.
30 Vgl. Carola Stern, a.a.O., S.272.
31 Albert Herzfeld, a.a.O., S. 39.
1 W. Mila, Berlin oder die Geschichte des Ursprungs der allmähligen Entwicklung und des jetzigen Zustands der Hauptstadt,..., Berlin/Stettin 1829, S. 299.
2 „Onkel Qual, der ebenfalls in Glogau Referendar war, hat uns Kindern aus dieser Zeit erzählt, daß es ein Hauptvergnügen gewesen wäre, die an den Toren in einem Wachthause postierte Schlacht- und Mahlsteuer zu umgehen. Einmal hätten sie ein geschlachtetes Schwein als kranke Großmutter verkleidet und wären im Kutschwagen so an der Wache vorbeigefahren. Einer, der neben der Großmutter gesessen hat, hat sie gehalten und gesagt ihr wäre übel. Die Damen trugen damals allgemein Schleier, gewöhnlich schwarze, so daß ein Gesicht abends im Wagen nicht zu erkenne war. Die Straßenbeleuchtung war sehr mangelhaft. Von Zeit zu Zeit war eine Öllaterne in der Mitte der Straße an einer Kette aufgehängt, die, wenn die Laterne angezündet wurde, herabgelassen wurde.“ (Albert Herzfeld, a.a.O., S. 13.)
3 Vgl. Bein, Werner; Schellakowsky, Johannes; Schmilewski, Ulrich (Hrsg.) Glogau im Wandel der Zeiten, Bergstadtverlag Wilhelm Gottlieb Korn, Würzburg 1992, S. 206ff.
4 Zum Dank erhielt er einen goldenen Ring, der sich noch im Jahre 1929 im eines seiner Söhne, des Albert Herzfeld, befand. Albert Herzfeld, Erinnerungen für Kinder und Enkel, Halle/S. 1929, S.15.
5 Wogegen Ludwigs spätere Braut, wie wir aus einem Gedicht zu den Märzereignissen des Jahres 1848 entnehmen können, mit seinen politischen Ansichten übereinstimmet.
6 Stadtarchiv Halle, Personalia, Mitgliederbuch der Freimaurerloge ‚Zu den drei Degen’, S.136, Nr.1228.
1 Zentralarchiv der evangelischen Kirche in Berlin
17 Dieser Conrad wanderte nach Amerika aus, galt in der Familie lange als verschollen, soll 1876, so Großonkel Albert, Musikprofessor in Chicago gewesen sein.
[8] Robert Springer, Berlin’s Strassen, Kneipen und Clubs im Jahre 1848, Berlin 1850. Bei Friedrich Gerhard.
[9] Der Spruch des Berliner Kriegsgerichts gegen die am 22. Und 24. Mai Verhafteten: Lehrer Gercke und Koch, Assessoren Gubitz und Herzfeld, Dr. Waldeck, Dr. Weiß, Buchdruckereibesitzer Berends, Partikulier Schönemann, Justizrath Pfeiffer und Thierarzt Mecklenburg. Von den Verurtheilten selbst beleuchtet. Berlin. Bei Friedrich Gerhard. 1849.
[10] Sie war eine Tochter des Lewin Hertz Hertzfeldt aus Flatow.
[11] In dem hier zu schildernden Zeitabschnitt fällt auch seine Verlobung mit Marie Clementine Wüsthoff.
[12] Wilhelm Mommsen, Größe und Versagen des deutschen Bürgertums, Ein Beitrag zur politischen Bewegung des 19. Jahrhunderts, insbesondere zur Revolution 1848/49, 2. Aufl., München 1964, S. 64.
[13] Günter Richter, Zwischen Revolution und Reichsgründung (1848-1870), in: Wolfgang Ribbe (Hrsg.), Geschichte Berlins, Zweiter Band, Von der Märzrevolution bis zur Gegenwart, 2. Aufl., München 1988, S.615.
[14] Julius H. Schoeps Die Märzrevolution
1848 im Spiegel des Briefwechsels zwischen Moritz Steinschneider Steinschneider
und Auguste Auerbach, in Jahrbuch des Instituts für Deutsche Geschichte,
Universität Tel-Aviv, Bd. XIV 1985, S.342ff
8 Robert Springer, a.a.O., S.77f.
[15] Robert Springer, a.a.O., S. 109f.
[16] Robert Springer, a.a.O., S. 238.
[17] Ebd., S. 238f.
[18] Robert Springer, a.a.O., S. 238.
[19] Ebd., S. 238f.
[20] Ebd., S. 239.
[21] Am 21. April war noch als Karfreitagsaufführung in kleinster Besetzung, an der möglicherweise auch noch Raphael Herzfeld, der Vetter von Carl und Ludwig mitgewirkt hatte, Grauns „Der Tod Jesu“ zu Gehör gebracht worden.
[22] Günter Richter, a.a.O., S. 635.
[23] Robert Springer, a.a.O., S. 246.
16 Robert Springer, a.a.O., S. 247
17 Günter Richter, a.a.O., S.637.
18 Friedrich Julius Stahl (1802-1861) stammte aus Heidingsfeld (= Herzfeld), er war wie Ludwig Herzfeld vom Judentum zum Christentum konvertiert. Stahl wurde zum maßgeblichen konservativen Staatstheoretiker.
21 Ebd., S. 5.
22 Ebd., S. 6.
23 Robert Springer, a.a.O., S. 181f.
24 Der Spruch des Berliner Kriegsgerichts ..., a.a.O., S. 13f.
25 Ebd., S. 25f.
26 Der Spruch des Berliner Kriegsgerichts ..., a.a.O. S. 26
27 Ebd., S. 29
28 Ebd., S. 36.
29 1842 -
Herzfeld 117, Auskultator, Adlerstr.5
1843 - Herzfeld, C.A. Kammerg. Referendar, Zimmerstr.89
1848 - Herzfeld, C.A., Markgrafenstr. 30
1851 - Herzfeld, C.A., Kammerg. Assessor, Jerusalemer
Str. 13, Nm. 2-3
1854 - Herzfeld, C.A., Lindenstr.61
1859 - Herzfeld, C.A., Besselstr. 8, 2-3
2 Bei meinem Besuch im Oktober 1989 auf dem Friedhof habe ich Teile der Platte gefunden,
3 In den Göttinger Universitätsmatrikeln wird Jeremias Jacob Wolff als 'Offenbachiensis’ bezeichnet. Sein Vater Jacob Herzfeld wird unter den Offenbacher Subscribenten der Mendelssohnschen Bibelübersetzung aufgeführt.
4 Vgl. oben das Kapitel „Herkunft und Kindheit“.
6 GStA Berlin, Rep. VIII, J 1, Bd. (1867), S.184
11 Alfred Etzold u.a., a.a,O., S. 64